Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Und sein Hütlein in die Luft
Wirft der Mensch vor Lust und ruft:
Hat Gesang doch auch noch Schwingen,
Nun so will ich fröhlich singen!

Dabei spielten die röthlichen Morgenscheine recht
anmuthig über sein etwas blasses Gesicht und die
schwarzen verliebten Augen. Ich aber war so müde,
daß sich mir die Worte und Noten, während er so sang,
immer mehr verwirrten, bis ich zuletzt fest einschlief.

Als ich nach und nach wieder zu mir selber kam,
hörte ich wie im Traume die beiden Maler noch im¬
mer neben mir sprechen und die Vögel über mir sin¬
gen, und die Morgenstrahlen schimmerten mir durch
die geschlossenen Augen, daß mir's innerlich so dunkel¬
hell war, wie wenn die Sonne durch rothseidene Gar¬
dinen scheint. Come e bello! hört' ich da dicht neben
mir ausrufen. Ich schlug die Augen auf, und erblickte
den jungen Maler, der im funkelnden Morgenlicht über
mich hergebeugt stand, so daß beinah nur die großen
schwarzen Augen zwischen den herabhängenden Locken
zu sehen waren.

Ich sprang geschwind auf, denn es war schon hel¬
ler Tag geworden. Der Herr Leonhard schien ver¬
drüßlich zu seyn, er hatte zwei zornige Falten auf der
Stirn und trieb hastig zum Aufbruch. Der andere
Maler aber schüttelte seine Locken aus dem Gesicht
und trällerte, während er sein Pferd aufzäumte, ruhig
ein Liedchen vor sich hin, bis Leonhard zuletzt plötzlich
laut auflachte, schnell eine Flasche ergriff, die noch auf

D 2
Und ſein Huͤtlein in die Luft
Wirft der Menſch vor Luſt und ruft:
Hat Geſang doch auch noch Schwingen,
Nun ſo will ich froͤhlich ſingen!

Dabei ſpielten die roͤthlichen Morgenſcheine recht
anmuthig uͤber ſein etwas blaſſes Geſicht und die
ſchwarzen verliebten Augen. Ich aber war ſo muͤde,
daß ſich mir die Worte und Noten, waͤhrend er ſo ſang,
immer mehr verwirrten, bis ich zuletzt feſt einſchlief.

Als ich nach und nach wieder zu mir ſelber kam,
hoͤrte ich wie im Traume die beiden Maler noch im¬
mer neben mir ſprechen und die Voͤgel uͤber mir ſin¬
gen, und die Morgenſtrahlen ſchimmerten mir durch
die geſchloſſenen Augen, daß mir's innerlich ſo dunkel¬
hell war, wie wenn die Sonne durch rothſeidene Gar¬
dinen ſcheint. Come é bello! hoͤrt' ich da dicht neben
mir ausrufen. Ich ſchlug die Augen auf, und erblickte
den jungen Maler, der im funkelnden Morgenlicht uͤber
mich hergebeugt ſtand, ſo daß beinah nur die großen
ſchwarzen Augen zwiſchen den herabhaͤngenden Locken
zu ſehen waren.

Ich ſprang geſchwind auf, denn es war ſchon hel¬
ler Tag geworden. Der Herr Leonhard ſchien ver¬
druͤßlich zu ſeyn, er hatte zwei zornige Falten auf der
Stirn und trieb haſtig zum Aufbruch. Der andere
Maler aber ſchuͤttelte ſeine Locken aus dem Geſicht
und traͤllerte, waͤhrend er ſein Pferd aufzaͤumte, ruhig
ein Liedchen vor ſich hin, bis Leonhard zuletzt ploͤtzlich
laut auflachte, ſchnell eine Flaſche ergriff, die noch auf

D 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0061" n="51"/>
            <lg n="2">
              <l>Und &#x017F;ein Hu&#x0364;tlein in die Luft</l><lb/>
              <l>Wirft der Men&#x017F;ch vor Lu&#x017F;t und ruft:</l><lb/>
              <l>Hat Ge&#x017F;ang doch auch noch Schwingen,</l><lb/>
              <l>Nun &#x017F;o will ich fro&#x0364;hlich &#x017F;ingen!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <p>Dabei &#x017F;pielten die ro&#x0364;thlichen Morgen&#x017F;cheine recht<lb/>
anmuthig u&#x0364;ber &#x017F;ein etwas bla&#x017F;&#x017F;es Ge&#x017F;icht und die<lb/>
&#x017F;chwarzen verliebten Augen. Ich aber war &#x017F;o mu&#x0364;de,<lb/>
daß &#x017F;ich mir die Worte und Noten, wa&#x0364;hrend er &#x017F;o &#x017F;ang,<lb/>
immer mehr verwirrten, bis ich zuletzt fe&#x017F;t ein&#x017F;chlief.</p><lb/>
          <p>Als ich nach und nach wieder zu mir &#x017F;elber kam,<lb/>
ho&#x0364;rte ich wie im Traume die beiden Maler noch im¬<lb/>
mer neben mir &#x017F;prechen und die Vo&#x0364;gel u&#x0364;ber mir &#x017F;in¬<lb/>
gen, und die Morgen&#x017F;trahlen &#x017F;chimmerten mir durch<lb/>
die ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Augen, daß mir's innerlich &#x017F;o dunkel¬<lb/>
hell war, wie wenn die Sonne durch roth&#x017F;eidene Gar¬<lb/>
dinen &#x017F;cheint. <hi rendition="#aq">Come é bello</hi>! ho&#x0364;rt' ich da dicht neben<lb/>
mir ausrufen. Ich &#x017F;chlug die Augen auf, und erblickte<lb/>
den jungen Maler, der im funkelnden Morgenlicht u&#x0364;ber<lb/>
mich hergebeugt &#x017F;tand, &#x017F;o daß beinah nur die großen<lb/>
&#x017F;chwarzen Augen zwi&#x017F;chen den herabha&#x0364;ngenden Locken<lb/>
zu &#x017F;ehen waren.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;prang ge&#x017F;chwind auf, denn es war &#x017F;chon hel¬<lb/>
ler Tag geworden. Der Herr Leonhard &#x017F;chien ver¬<lb/>
dru&#x0364;ßlich zu &#x017F;eyn, er hatte zwei zornige Falten auf der<lb/>
Stirn und trieb ha&#x017F;tig zum Aufbruch. Der andere<lb/>
Maler aber &#x017F;chu&#x0364;ttelte &#x017F;eine Locken aus dem Ge&#x017F;icht<lb/>
und tra&#x0364;llerte, wa&#x0364;hrend er &#x017F;ein Pferd aufza&#x0364;umte, ruhig<lb/>
ein Liedchen vor &#x017F;ich hin, bis Leonhard zuletzt plo&#x0364;tzlich<lb/>
laut auflachte, &#x017F;chnell eine Fla&#x017F;che ergriff, die noch auf<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0061] Und ſein Huͤtlein in die Luft Wirft der Menſch vor Luſt und ruft: Hat Geſang doch auch noch Schwingen, Nun ſo will ich froͤhlich ſingen! Dabei ſpielten die roͤthlichen Morgenſcheine recht anmuthig uͤber ſein etwas blaſſes Geſicht und die ſchwarzen verliebten Augen. Ich aber war ſo muͤde, daß ſich mir die Worte und Noten, waͤhrend er ſo ſang, immer mehr verwirrten, bis ich zuletzt feſt einſchlief. Als ich nach und nach wieder zu mir ſelber kam, hoͤrte ich wie im Traume die beiden Maler noch im¬ mer neben mir ſprechen und die Voͤgel uͤber mir ſin¬ gen, und die Morgenſtrahlen ſchimmerten mir durch die geſchloſſenen Augen, daß mir's innerlich ſo dunkel¬ hell war, wie wenn die Sonne durch rothſeidene Gar¬ dinen ſcheint. Come é bello! hoͤrt' ich da dicht neben mir ausrufen. Ich ſchlug die Augen auf, und erblickte den jungen Maler, der im funkelnden Morgenlicht uͤber mich hergebeugt ſtand, ſo daß beinah nur die großen ſchwarzen Augen zwiſchen den herabhaͤngenden Locken zu ſehen waren. Ich ſprang geſchwind auf, denn es war ſchon hel¬ ler Tag geworden. Der Herr Leonhard ſchien ver¬ druͤßlich zu ſeyn, er hatte zwei zornige Falten auf der Stirn und trieb haſtig zum Aufbruch. Der andere Maler aber ſchuͤttelte ſeine Locken aus dem Geſicht und traͤllerte, waͤhrend er ſein Pferd aufzaͤumte, ruhig ein Liedchen vor ſich hin, bis Leonhard zuletzt ploͤtzlich laut auflachte, ſchnell eine Flaſche ergriff, die noch auf D 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/61
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/61>, abgerufen am 25.04.2024.