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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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Zweiter teil
der teutschen rechtsgelahrheit.


Sechs und sechzigstes haubtstück
von den verjärungen.
§ 2872
das vernunft-
und völkerrecht
weiß nichts von
der verjärung.

Die usucapion, und praescription ist eine blosse
hypothese der Grichen, und Römer, folg-
lich derselben bürgerlichen rechtes. Andere völker-
schaften, folglich auch die alte Teutsche, wußten
hirvon nichts, Riccius de praescript. Germ. 1738,
4t, cap. 1, § 1 fg. s. 1 fgg. Simon, der Maccabäer,
sagete: wir haben nimanden das seine genommen;
sondern unser väterliches erbe gesuchet. Hiraus
erhellet: daß man, vermöge des vernunftrechtes,
nach etlichen 100 jaren das seine noch fodern kön-
ne; im falle es in vergessenheit, oder verlegenheit
nicht geraten ist; mithin hat eine verjärung unter
den völkern nicht statt. Die vernunft weiß dem-
nach von der verjärung nichts, Joh. Ernst Gun-
ner
diss. in qua demonstratur: praescriptionem non
esse iuris naturalis,
Jena 1749, 4t. Der Rö-
mer eigentliche usucapion, und praescription ist
auch der grundlage nach auf die teutsche verjärung
nicht anzuwenden. Denn die verjärung der Teut-
schen, welche zuerst von den Franken eingefüret
worden ist, gründet sich auf die verdunkelung,
vergessenheit, auch verlegenheit einer sache, welche
aus dem verzuge dessen entstanden ist, welcher in
derjenigen zeit zu klagen vermochte, die hirzu fest-
gesezet, und bestimmet war; solches aber nicht

getan
Zweiter teil
der teutſchen rechtsgelahrheit.


Sechs und ſechzigſtes haubtſtuͤck
von den verjaͤrungen.
§ 2872
das vernunft-
und voͤlkeꝛrecht
weiß nichts von
der verjaͤrung.

Die uſucapion, und praeſcription iſt eine bloſſe
hypotheſe der Grichen, und Roͤmer, folg-
lich derſelben buͤrgerlichen rechtes. Andere voͤlker-
ſchaften, folglich auch die alte Teutſche, wußten
hirvon nichts, Riccius de praeſcript. Germ. 1738,
4t, cap. 1, § 1 fg. ſ. 1 fgg. Simon, der Maccabaͤer,
ſagete: wir haben nimanden das ſeine genommen;
ſondern unſer vaͤterliches erbe geſuchet. Hiraus
erhellet: daß man, vermoͤge des vernunftrechtes,
nach etlichen 100 jaren das ſeine noch fodern koͤn-
ne; im falle es in vergeſſenheit, oder verlegenheit
nicht geraten iſt; mithin hat eine verjaͤrung unter
den voͤlkern nicht ſtatt. Die vernunft weiß dem-
nach von der verjaͤrung nichts, Joh. Ernſt Gun-
ner
diſſ. in qua demonſtratur: praeſcriptionem non
eſſe iuris naturalis,
Jena 1749, 4t. Der Roͤ-
mer eigentliche uſucapion, und praeſcription iſt
auch der grundlage nach auf die teutſche verjaͤrung
nicht anzuwenden. Denn die verjaͤrung der Teut-
ſchen, welche zuerſt von den Franken eingefuͤret
worden iſt, gruͤndet ſich auf die verdunkelung,
vergeſſenheit, auch verlegenheit einer ſache, welche
aus dem verzuge deſſen entſtanden iſt, welcher in
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[982/1006] Zweiter teil der teutſchen rechtsgelahrheit. Sechs und ſechzigſtes haubtſtuͤck von den verjaͤrungen. § 2872 Die uſucapion, und praeſcription iſt eine bloſſe hypotheſe der Grichen, und Roͤmer, folg- lich derſelben buͤrgerlichen rechtes. Andere voͤlker- ſchaften, folglich auch die alte Teutſche, wußten hirvon nichts, Riccius de praeſcript. Germ. 1738, 4t, cap. 1, § 1 fg. ſ. 1 fgg. Simon, der Maccabaͤer, ſagete: wir haben nimanden das ſeine genommen; ſondern unſer vaͤterliches erbe geſuchet. Hiraus erhellet: daß man, vermoͤge des vernunftrechtes, nach etlichen 100 jaren das ſeine noch fodern koͤn- ne; im falle es in vergeſſenheit, oder verlegenheit nicht geraten iſt; mithin hat eine verjaͤrung unter den voͤlkern nicht ſtatt. Die vernunft weiß dem- nach von der verjaͤrung nichts, Joh. Ernſt Gun- ner diſſ. in qua demonſtratur: praeſcriptionem non eſſe iuris naturalis, Jena 1749, 4t. Der Roͤ- mer eigentliche uſucapion, und praeſcription iſt auch der grundlage nach auf die teutſche verjaͤrung nicht anzuwenden. Denn die verjaͤrung der Teut- ſchen, welche zuerſt von den Franken eingefuͤret worden iſt, gruͤndet ſich auf die verdunkelung, vergeſſenheit, auch verlegenheit einer ſache, welche aus dem verzuge deſſen entſtanden iſt, welcher in derjenigen zeit zu klagen vermochte, die hirzu feſt- geſezet, und beſtimmet war; ſolches aber nicht getan

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 982. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1006>, abgerufen am 18.04.2024.