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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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von den erben, und erbnemen.
rer neigung, und wegen des zarten alters erlassen
worden. Der gerichts- und lehns-secretarius laß
indeß die verzichts-notul, nebst der eides-formul,
laut ab. Beide wurden unterschriben von der
braut, und dem bräutigam, und untersigelt. Der
präsident tat bei diser handelung den antrag. Der
Hofmarschall antwortete; namens der braut wur-
de eine danksagung erstattet wegen der eideserlas-
sung (§ 3220 des 2ten th.), Müller s. 408.
Das römische recht deutet die verzichte buchstäb-
lich; der Teutsche nimmt solche im weitesten ver-
stande, im falle sie vorteilhafte sachen betrift
(§ 3211 des 2ten th.). Die verzihene erbschaft
fället nicht demjenigen zu, welchem solche geschi-
het; sondern es bleibet das land, oder das gut
beisammen.

ad g.

Unter den civilisten ist ein heftiger streit ent-
standen: ob der ledige anfall ausgedrücket, und
vorbehalten werden müsse (§ 3210 des 2ten th.),
oder ob sich solcher von selbst verstehe? Die gemei-
ne meinung ist: er verstehe sich von selbst, Gund-
ling
de renunciatione hereditat. filiarum illustrium,
Halle 1729. Johann von Nassau-Siegen hat-
te 23 kinder. Darunter waren vile verzihene töch-
ter. Entstehet die frage: ob beim ledigen anfalle
dise folgen? dann, wenn der mannsstamm aus-
gehet; so treten die nachkommen der verzihenen
töchter hervor, und melden sich um die erledigte
verlassenschaft, welche sodann regredient-erben heis-
sen, weilen sie iren regreß an die verzihene verlas-
senschaft nemen wollen (§ 3226 fgg. des 2ten th.).
Nachdem Carl VI, kaiser, verschid, meldeten sich
als regredient-erben, erstlich: Baiern, wegen der
Anna von Oesterreich; sodann Sachsen, wegen

der
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von den erben, und erbnemen.
rer neigung, und wegen des zarten alters erlaſſen
worden. Der gerichts- und lehns-ſecretarius laß
indeß die verzichts-notul, nebſt der eides-formul,
laut ab. Beide wurden unterſchriben von der
braut, und dem braͤutigam, und unterſigelt. Der
praͤſident tat bei diſer handelung den antrag. Der
Hofmarſchall antwortete; namens der braut wur-
de eine dankſagung erſtattet wegen der eideserlaſ-
ſung (§ 3220 des 2ten th.), Muͤller ſ. 408.
Das roͤmiſche recht deutet die verzichte buchſtaͤb-
lich; der Teutſche nimmt ſolche im weiteſten ver-
ſtande, im falle ſie vorteilhafte ſachen betrift
(§ 3211 des 2ten th.). Die verzihene erbſchaft
faͤllet nicht demjenigen zu, welchem ſolche geſchi-
het; ſondern es bleibet das land, oder das gut
beiſammen.

ad g.

Unter den civiliſten iſt ein heftiger ſtreit ent-
ſtanden: ob der ledige anfall ausgedruͤcket, und
vorbehalten werden muͤſſe (§ 3210 des 2ten th.),
oder ob ſich ſolcher von ſelbſt verſtehe? Die gemei-
ne meinung iſt: er verſtehe ſich von ſelbſt, Gund-
ling
de renunciatione hereditat. filiarum illuſtrium,
Halle 1729. Johann von Naſſau-Siegen hat-
te 23 kinder. Darunter waren vile verzihene toͤch-
ter. Entſtehet die frage: ob beim ledigen anfalle
diſe folgen? dann, wenn der mannsſtamm aus-
gehet; ſo treten die nachkommen der verzihenen
toͤchter hervor, und melden ſich um die erledigte
verlaſſenſchaft, welche ſodann regredient-erben heiſ-
ſen, weilen ſie iren regreß an die verzihene verlaſ-
ſenſchaft nemen wollen (§ 3226 fgg. des 2ten th.).
Nachdem Carl VI, kaiſer, verſchid, meldeten ſich
als regredient-erben, erſtlich: Baiern, wegen der
Anna von Oeſterreich; ſodann Sachſen, wegen

der
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[1091/1115] von den erben, und erbnemen. rer neigung, und wegen des zarten alters erlaſſen worden. Der gerichts- und lehns-ſecretarius laß indeß die verzichts-notul, nebſt der eides-formul, laut ab. Beide wurden unterſchriben von der braut, und dem braͤutigam, und unterſigelt. Der praͤſident tat bei diſer handelung den antrag. Der Hofmarſchall antwortete; namens der braut wur- de eine dankſagung erſtattet wegen der eideserlaſ- ſung (§ 3220 des 2ten th.), Muͤller ſ. 408. Das roͤmiſche recht deutet die verzichte buchſtaͤb- lich; der Teutſche nimmt ſolche im weiteſten ver- ſtande, im falle ſie vorteilhafte ſachen betrift (§ 3211 des 2ten th.). Die verzihene erbſchaft faͤllet nicht demjenigen zu, welchem ſolche geſchi- het; ſondern es bleibet das land, oder das gut beiſammen. ad g. Unter den civiliſten iſt ein heftiger ſtreit ent- ſtanden: ob der ledige anfall ausgedruͤcket, und vorbehalten werden muͤſſe (§ 3210 des 2ten th.), oder ob ſich ſolcher von ſelbſt verſtehe? Die gemei- ne meinung iſt: er verſtehe ſich von ſelbſt, Gund- ling de renunciatione hereditat. filiarum illuſtrium, Halle 1729. Johann von Naſſau-Siegen hat- te 23 kinder. Darunter waren vile verzihene toͤch- ter. Entſtehet die frage: ob beim ledigen anfalle diſe folgen? dann, wenn der mannsſtamm aus- gehet; ſo treten die nachkommen der verzihenen toͤchter hervor, und melden ſich um die erledigte verlaſſenſchaft, welche ſodann regredient-erben heiſ- ſen, weilen ſie iren regreß an die verzihene verlaſ- ſenſchaft nemen wollen (§ 3226 fgg. des 2ten th.). Nachdem Carl VI, kaiſer, verſchid, meldeten ſich als regredient-erben, erſtlich: Baiern, wegen der Anna von Oeſterreich; ſodann Sachſen, wegen der Z z z 2

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 1091. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/1115>, abgerufen am 28.03.2024.