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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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I haubtst. von der wirklichkeit
§ 10
ob man hir-
bei den Taci-
tus, und Ju-
lius Caesar
brauchen kön-
ne?

Ob man aber bei auslegung der teutschen ge-
wonheiten noch heute zu tage des Tacitus, und
Julius Caesars sich bedienen möge, auch darauf
mit bestande sich bezihen dürffe? wird von einigen
für lächerlich gehalten. Allein sie haben unrecht.
Und wenn auch schon die nachrichten diser schrift-
steller von den teutschen sitten, und gewonheiten
mit behutsamkeit zu lesen, und anzuwenden stehen;
so kan man dennoch diselben heute zu tage nicht
ausser acht lassen (§ 6), wie der Gundling in
Gundlingianis, der Frank de iurisprud. vet.
Germ.,
der Herr geheimte Justiz-Raht Gebauer
in verschidenen einladungs-schriften gründlich gezei-
get haben; tue hinzu: die Estorische und Gros-
sische
probeschrift de dote filiae illustri nuptae ex
domus pacto extra patris concursum vt vocant prae
creditoribus paternis statim numeranda,
Marb.
1764, 4t, § 1 fgg., und die angefügte epistel bei
dieser probeschrift. Der Tacitus hat das mere-
ste selbst erfaren. Daher ist ihm auch, wenn er
mit dem Julius Caesar nicht übereinstimmet, mehr
glauben beizumessen, oder ein ieder von dem volke,
von welchem er schreibet, zu verstehen. Jmmittels
lehret leider die erfarung: daß vile Teutsche um
die gewonheiten, und rechte des teutschen Reiches,
und ires vaterlandes sich nicht bekümmern; sie
sehen liber auf fremde staten; sie hören auf den
universitaeten mit grosser aufmerksamkeit ehender
die geschichte der auswärtigen Reiche, und machen
sich derselben rechte bekannt. Dahingegen wird
von vilen die teutsche geschichte so wohl überhaubt,
als auch von einem ieden state insbesondere ver-
nachlässiget, und die teutschen rechte sihet man mit
schlechten augen, als ein unnöhtiges, und todes
werk an; da dise doch die rechte des vaterlandes,

und
I haubtſt. von der wirklichkeit
§ 10
ob man hir-
bei den Taci-
tus, und Ju-
lius Caeſar
brauchen koͤn-
ne?

Ob man aber bei auslegung der teutſchen ge-
wonheiten noch heute zu tage des Tacitus, und
Julius Caeſars ſich bedienen moͤge, auch darauf
mit beſtande ſich bezihen duͤrffe? wird von einigen
fuͤr laͤcherlich gehalten. Allein ſie haben unrecht.
Und wenn auch ſchon die nachrichten diſer ſchrift-
ſteller von den teutſchen ſitten, und gewonheiten
mit behutſamkeit zu leſen, und anzuwenden ſtehen;
ſo kan man dennoch diſelben heute zu tage nicht
auſſer acht laſſen (§ 6), wie der Gundling in
Gundlingianis, der Frank de iurisprud. vet.
Germ.,
der Herr geheimte Juſtiz-Raht Gebauer
in verſchidenen einladungs-ſchriften gruͤndlich gezei-
get haben; tue hinzu: die Eſtoriſche und Groſ-
ſiſche
probeſchrift de dote filiae illuſtri nuptae ex
domus pacto extra patris concurſum vt vocant prae
creditoribus paternis ſtatim numeranda,
Marb.
1764, 4t, § 1 fgg., und die angefuͤgte epiſtel bei
dieſer probeſchrift. Der Tacitus hat das mere-
ſte ſelbſt erfaren. Daher iſt ihm auch, wenn er
mit dem Julius Caeſar nicht uͤbereinſtimmet, mehr
glauben beizumeſſen, oder ein ieder von dem volke,
von welchem er ſchreibet, zu verſtehen. Jmmittels
lehret leider die erfarung: daß vile Teutſche um
die gewonheiten, und rechte des teutſchen Reiches,
und ires vaterlandes ſich nicht bekuͤmmern; ſie
ſehen liber auf fremde ſtaten; ſie hoͤren auf den
univerſitaeten mit groſſer aufmerkſamkeit ehender
die geſchichte der auswaͤrtigen Reiche, und machen
ſich derſelben rechte bekannt. Dahingegen wird
von vilen die teutſche geſchichte ſo wohl uͤberhaubt,
als auch von einem ieden ſtate insbeſondere ver-
nachlaͤſſiget, und die teutſchen rechte ſihet man mit
ſchlechten augen, als ein unnoͤhtiges, und todes
werk an; da diſe doch die rechte des vaterlandes,

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[20/0044] I haubtſt. von der wirklichkeit § 10 Ob man aber bei auslegung der teutſchen ge- wonheiten noch heute zu tage des Tacitus, und Julius Caeſars ſich bedienen moͤge, auch darauf mit beſtande ſich bezihen duͤrffe? wird von einigen fuͤr laͤcherlich gehalten. Allein ſie haben unrecht. Und wenn auch ſchon die nachrichten diſer ſchrift- ſteller von den teutſchen ſitten, und gewonheiten mit behutſamkeit zu leſen, und anzuwenden ſtehen; ſo kan man dennoch diſelben heute zu tage nicht auſſer acht laſſen (§ 6), wie der Gundling in Gundlingianis, der Frank de iurisprud. vet. Germ., der Herr geheimte Juſtiz-Raht Gebauer in verſchidenen einladungs-ſchriften gruͤndlich gezei- get haben; tue hinzu: die Eſtoriſche und Groſ- ſiſche probeſchrift de dote filiae illuſtri nuptae ex domus pacto extra patris concurſum vt vocant prae creditoribus paternis ſtatim numeranda, Marb. 1764, 4t, § 1 fgg., und die angefuͤgte epiſtel bei dieſer probeſchrift. Der Tacitus hat das mere- ſte ſelbſt erfaren. Daher iſt ihm auch, wenn er mit dem Julius Caeſar nicht uͤbereinſtimmet, mehr glauben beizumeſſen, oder ein ieder von dem volke, von welchem er ſchreibet, zu verſtehen. Jmmittels lehret leider die erfarung: daß vile Teutſche um die gewonheiten, und rechte des teutſchen Reiches, und ires vaterlandes ſich nicht bekuͤmmern; ſie ſehen liber auf fremde ſtaten; ſie hoͤren auf den univerſitaeten mit groſſer aufmerkſamkeit ehender die geſchichte der auswaͤrtigen Reiche, und machen ſich derſelben rechte bekannt. Dahingegen wird von vilen die teutſche geſchichte ſo wohl uͤberhaubt, als auch von einem ieden ſtate insbeſondere ver- nachlaͤſſiget, und die teutſchen rechte ſihet man mit ſchlechten augen, als ein unnoͤhtiges, und todes werk an; da diſe doch die rechte des vaterlandes, und

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/44>, abgerufen am 20.04.2024.