Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

CXXIV h. von den erlosen, anrücht.
eigenen, auch wohl der aeltern, niderträchtigen
handelungen, oder einer verächtlichen lebensart
sich zugezogen haben, Joh. Andr. Frommann
de leuis notae macula, Joh. Gottl. Heinecc de
leuis notae macula,
Halle 1720, 1739, § 28 fgg.,
in der syllog. opusc. var. 1735, 4t, s. 267 -- 320.
Mit einem anrüchtigen durfte kein erlicher mann
essen, noch trinken, Richter P. II, decis. 8, n. 20
fg., s. 167 fg. Daher lässet sich das tellerum-
wenden, das nicht bescheid tun, die kanne one de-
ckel etc, erklären. Disen werden die unbefleckete
leute heute zu tage entgegen gesezet. Dahin gehö-
ren: die bader, trompeter, comoedianten, sänge-
rinnen, opernspiler, müller, leinweber, und die
eine hölle haben; mithin gern jur machen, welche
verhasset waren; die züchtiger, welche einen heim-
lichen stock-schilling geben, sind darum nicht an-
rüchtig. Bei den Engelländern verrichten das
stripsen die tambours, welches eine züchtigung ist.
Das prügeln (fustium poenae, sustigatio), ist an
sich nicht für unerlich angesehen worden; vilmehr
war sie bei den Teutschen sehr gemein, auch bei
den soldaten noch üblich, als welche mit spißruten,
oder stöcken noch gezüchtiget werden; allein das
stäupen (flagellatio) mit welchem das herabschnei-
den verknüpfet war, ist für infam gehalten wor-
den (§ 995 des Iten th.). Das hiß tonsura lai-
calis,
welches ein zeichen der infami war.

§ 988
woher die infa-
mia rüret?

Die anrüchtigkeit ist eine beraubung des erli-
chen namens, und der davon abhangenden rechte
(§ 987). Sie rüret entweder von den gesäzen,
auch gewonheiten, in absicht auf die schändlichen
taten, betrügereien, trenlosigkeit etc, unmittelbar,
one richterlichen spruch, oder mittelbar aus dem

rich-

CXXIV h. von den erloſen, anruͤcht.
eigenen, auch wohl der aeltern, nidertraͤchtigen
handelungen, oder einer veraͤchtlichen lebensart
ſich zugezogen haben, Joh. Andr. Frommann
de leuis notae macula, Joh. Gottl. Heinecc de
leuis notae macula,
Halle 1720, 1739, § 28 fgg.,
in der ſyllog. opuſc. var. 1735, 4t, ſ. 267 — 320.
Mit einem anruͤchtigen durfte kein erlicher mann
eſſen, noch trinken, Richter P. II, deciſ. 8, n. 20
fg., ſ. 167 fg. Daher laͤſſet ſich das tellerum-
wenden, das nicht beſcheid tun, die kanne one de-
ckel ꝛc, erklaͤren. Diſen werden die unbefleckete
leute heute zu tage entgegen geſezet. Dahin gehoͤ-
ren: die bader, trompeter, comoedianten, ſaͤnge-
rinnen, opernſpiler, muͤller, leinweber, und die
eine hoͤlle haben; mithin gern jur machen, welche
verhaſſet waren; die zuͤchtiger, welche einen heim-
lichen ſtock-ſchilling geben, ſind darum nicht an-
ruͤchtig. Bei den Engellaͤndern verrichten das
ſtripſen die tambours, welches eine zuͤchtigung iſt.
Das pruͤgeln (fuſtium poenae, ſuſtigatio), iſt an
ſich nicht fuͤr unerlich angeſehen worden; vilmehr
war ſie bei den Teutſchen ſehr gemein, auch bei
den ſoldaten noch uͤblich, als welche mit ſpißruten,
oder ſtoͤcken noch gezuͤchtiget werden; allein das
ſtaͤupen (flagellatio) mit welchem das herabſchnei-
den verknuͤpfet war, iſt fuͤr infam gehalten wor-
den (§ 995 des Iten th.). Das hiß tonſura lai-
calis,
welches ein zeichen der infami war.

§ 988
woher die infa-
mia ruͤret?

Die anruͤchtigkeit iſt eine beraubung des erli-
chen namens, und der davon abhangenden rechte
(§ 987). Sie ruͤret entweder von den geſaͤzen,
auch gewonheiten, in abſicht auf die ſchaͤndlichen
taten, betruͤgereien, trenloſigkeit ꝛc, unmittelbar,
one richterlichen ſpruch, oder mittelbar aus dem

rich-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0634" n="610"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">CXXIV</hi> h. von den erlo&#x017F;en, anru&#x0364;cht.</hi></fw><lb/>
eigenen, auch wohl der aeltern, nidertra&#x0364;chtigen<lb/>
handelungen, oder einer vera&#x0364;chtlichen lebensart<lb/>
&#x017F;ich zugezogen haben, <hi rendition="#fr">Joh. Andr. Frommann</hi><lb/><hi rendition="#aq">de leuis notae macula,</hi> <hi rendition="#fr">Joh. Gottl. Heinecc</hi> <hi rendition="#aq">de<lb/>
leuis notae macula,</hi> Halle 1720, 1739, § 28 fgg.,<lb/>
in der <hi rendition="#aq">&#x017F;yllog. opu&#x017F;c. var.</hi> 1735, 4t, &#x017F;. 267 &#x2014; 320.<lb/>
Mit einem anru&#x0364;chtigen durfte kein erlicher mann<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en, noch trinken, <hi rendition="#fr">Richter</hi> <hi rendition="#aq">P. II, deci&#x017F;.</hi> 8, n. 20<lb/>
fg., &#x017F;. 167 fg. Daher la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich das tellerum-<lb/>
wenden, das nicht be&#x017F;cheid tun, die kanne one de-<lb/>
ckel &#xA75B;c, erkla&#x0364;ren. Di&#x017F;en werden die unbefleckete<lb/>
leute heute zu tage entgegen ge&#x017F;ezet. Dahin geho&#x0364;-<lb/>
ren: die bader, trompeter, comoedianten, &#x017F;a&#x0364;nge-<lb/>
rinnen, opern&#x017F;piler, mu&#x0364;ller, leinweber, und die<lb/>
eine ho&#x0364;lle haben; mithin gern jur machen, welche<lb/>
verha&#x017F;&#x017F;et waren; die zu&#x0364;chtiger, welche einen heim-<lb/>
lichen &#x017F;tock-&#x017F;chilling geben, &#x017F;ind darum nicht an-<lb/>
ru&#x0364;chtig. Bei den Engella&#x0364;ndern verrichten das<lb/>
&#x017F;trip&#x017F;en die tambours, welches eine zu&#x0364;chtigung i&#x017F;t.<lb/>
Das pru&#x0364;geln (<hi rendition="#aq">fu&#x017F;tium poenae, &#x017F;u&#x017F;tigatio</hi>), i&#x017F;t an<lb/>
&#x017F;ich nicht fu&#x0364;r unerlich ange&#x017F;ehen worden; vilmehr<lb/>
war &#x017F;ie bei den Teut&#x017F;chen &#x017F;ehr gemein, auch bei<lb/>
den &#x017F;oldaten noch u&#x0364;blich, als welche mit &#x017F;pißruten,<lb/>
oder &#x017F;to&#x0364;cken noch gezu&#x0364;chtiget werden; allein das<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;upen (flagellatio) mit welchem das herab&#x017F;chnei-<lb/>
den verknu&#x0364;pfet war, i&#x017F;t fu&#x0364;r infam gehalten wor-<lb/>
den (§ 995 des <hi rendition="#aq">I</hi>ten th.). Das hiß <hi rendition="#fr">ton&#x017F;ura lai-<lb/>
calis,</hi> welches ein zeichen der infami war.</p><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 988</head><lb/>
          <note place="left">woher die infa-<lb/>
mia ru&#x0364;ret?</note>
          <p>Die anru&#x0364;chtigkeit i&#x017F;t eine beraubung des erli-<lb/>
chen namens, und der davon abhangenden rechte<lb/>
(§ 987). Sie ru&#x0364;ret entweder von den ge&#x017F;a&#x0364;zen,<lb/>
auch gewonheiten, in ab&#x017F;icht auf die &#x017F;cha&#x0364;ndlichen<lb/>
taten, betru&#x0364;gereien, trenlo&#x017F;igkeit &#xA75B;c, unmittelbar,<lb/>
one richterlichen &#x017F;pruch, oder mittelbar aus dem<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">rich-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[610/0634] CXXIV h. von den erloſen, anruͤcht. eigenen, auch wohl der aeltern, nidertraͤchtigen handelungen, oder einer veraͤchtlichen lebensart ſich zugezogen haben, Joh. Andr. Frommann de leuis notae macula, Joh. Gottl. Heinecc de leuis notae macula, Halle 1720, 1739, § 28 fgg., in der ſyllog. opuſc. var. 1735, 4t, ſ. 267 — 320. Mit einem anruͤchtigen durfte kein erlicher mann eſſen, noch trinken, Richter P. II, deciſ. 8, n. 20 fg., ſ. 167 fg. Daher laͤſſet ſich das tellerum- wenden, das nicht beſcheid tun, die kanne one de- ckel ꝛc, erklaͤren. Diſen werden die unbefleckete leute heute zu tage entgegen geſezet. Dahin gehoͤ- ren: die bader, trompeter, comoedianten, ſaͤnge- rinnen, opernſpiler, muͤller, leinweber, und die eine hoͤlle haben; mithin gern jur machen, welche verhaſſet waren; die zuͤchtiger, welche einen heim- lichen ſtock-ſchilling geben, ſind darum nicht an- ruͤchtig. Bei den Engellaͤndern verrichten das ſtripſen die tambours, welches eine zuͤchtigung iſt. Das pruͤgeln (fuſtium poenae, ſuſtigatio), iſt an ſich nicht fuͤr unerlich angeſehen worden; vilmehr war ſie bei den Teutſchen ſehr gemein, auch bei den ſoldaten noch uͤblich, als welche mit ſpißruten, oder ſtoͤcken noch gezuͤchtiget werden; allein das ſtaͤupen (flagellatio) mit welchem das herabſchnei- den verknuͤpfet war, iſt fuͤr infam gehalten wor- den (§ 995 des Iten th.). Das hiß tonſura lai- calis, welches ein zeichen der infami war. § 988 Die anruͤchtigkeit iſt eine beraubung des erli- chen namens, und der davon abhangenden rechte (§ 987). Sie ruͤret entweder von den geſaͤzen, auch gewonheiten, in abſicht auf die ſchaͤndlichen taten, betruͤgereien, trenloſigkeit ꝛc, unmittelbar, one richterlichen ſpruch, oder mittelbar aus dem rich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/634
Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 610. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/634>, abgerufen am 29.03.2024.