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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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CXXIV h. von den erlosen, anrücht.
chene treue bei gedingen, und in andern fällen
schuldig erkannt wird; darnebst der richter im ur-
tel die ursache der argelist anzihet; so wird der
treulose mit der rechtlosigkeit beleget. Erwänet
aber der richter die ursache im urtel, oder beschei-
de, nicht; so fället die anrüchtigkeit des rechtes
wohl weg; allein die infamia facti bleibet doch,
Heinr. Bodinus de iure circa infamiam eiusque
inter christianos abusu,
Halle 1709, th. XVIIII,
s. 30 fg. Derjenige, welchem die hand abgehau-
en werden sollte; ob er schon gelt dafür erlegen
durfte, wurde dennoch anrüchtig. Daher ist zu
begreiffen: warum man in der peinlichen halßge-
richtsordnung die abhauung der finger auf den
meineid gesezet hat (§ 995 des Iten th.), Gund-
ling
in p. s. 285, § 7. Derjenige schuldener,
welcher das einlager, one rechtmässige ursachen,
und sonder vorwissen des gläubigers, vor geleiste-
ter bezalung bricht, und verändert, machet sich
seiner ere verlustig, Joachim Potgieser de obsta-
gio,
Marb. 1722, 4t, s. 329 fg. Ehedem hat-
te die rechte hand die kraft eines eides; hernach
ist aber die treue der Teutschen gefallen. Jmmit-
tels werden dijenige beambte, welche eine untreue
an den herrschaftlichen geltern verüben, in vilen
landesgesäzen für erloß erkläret.

§ 990
von der be-
schimpfung
mit den hun-
den, schelt- und
schimpfwörtern
der Teutschen.

Nichts schimpflichers war bei den Teutschen,
als der hund, und ein schäbichter hund. Daher
kömmt das wort: hundsf -- --. Einige meinen:
es käme von fühten her (generare), du bist vom
hunde abgefallen (canina soboles); andere sagen:
es wäre ein kerl, welcher die hunde leiten, füren,
tragen etc müßte. Andere behaubten: dises wort
wäre so vil, als quinsvott; quin ist mulier, ca-

nis,

CXXIV h. von den erloſen, anruͤcht.
chene treue bei gedingen, und in andern faͤllen
ſchuldig erkannt wird; darnebſt der richter im ur-
tel die urſache der argeliſt anzihet; ſo wird der
treuloſe mit der rechtloſigkeit beleget. Erwaͤnet
aber der richter die urſache im urtel, oder beſchei-
de, nicht; ſo faͤllet die anruͤchtigkeit des rechtes
wohl weg; allein die infamia facti bleibet doch,
Heinr. Bodinus de iure circa infamiam eiusque
inter chriſtianos abuſu,
Halle 1709, th. XVIIII,
ſ. 30 fg. Derjenige, welchem die hand abgehau-
en werden ſollte; ob er ſchon gelt dafuͤr erlegen
durfte, wurde dennoch anruͤchtig. Daher iſt zu
begreiffen: warum man in der peinlichen halßge-
richtsordnung die abhauung der finger auf den
meineid geſezet hat (§ 995 des Iten th.), Gund-
ling
in π. ſ. 285, § 7. Derjenige ſchuldener,
welcher das einlager, one rechtmaͤſſige urſachen,
und ſonder vorwiſſen des glaͤubigers, vor geleiſte-
ter bezalung bricht, und veraͤndert, machet ſich
ſeiner ere verluſtig, Joachim Potgieſer de obſta-
gio,
Marb. 1722, 4t, ſ. 329 fg. Ehedem hat-
te die rechte hand die kraft eines eides; hernach
iſt aber die treue der Teutſchen gefallen. Jmmit-
tels werden dijenige beambte, welche eine untreue
an den herrſchaftlichen geltern veruͤben, in vilen
landesgeſaͤzen fuͤr erloß erklaͤret.

§ 990
von der be-
ſchimpfung
mit den hun-
den, ſchelt- und
ſchimpfwoͤꝛtern
der Teutſchen.

Nichts ſchimpflichers war bei den Teutſchen,
als der hund, und ein ſchaͤbichter hund. Daher
koͤmmt das wort: hundsf — —. Einige meinen:
es kaͤme von fuͤhten her (generare), du biſt vom
hunde abgefallen (canina ſoboles); andere ſagen:
es waͤre ein kerl, welcher die hunde leiten, fuͤren,
tragen ꝛc muͤßte. Andere behaubten: diſes wort
waͤre ſo vil, als quinsvott; quin iſt mulier, ca-

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[612/0636] CXXIV h. von den erloſen, anruͤcht. chene treue bei gedingen, und in andern faͤllen ſchuldig erkannt wird; darnebſt der richter im ur- tel die urſache der argeliſt anzihet; ſo wird der treuloſe mit der rechtloſigkeit beleget. Erwaͤnet aber der richter die urſache im urtel, oder beſchei- de, nicht; ſo faͤllet die anruͤchtigkeit des rechtes wohl weg; allein die infamia facti bleibet doch, Heinr. Bodinus de iure circa infamiam eiusque inter chriſtianos abuſu, Halle 1709, th. XVIIII, ſ. 30 fg. Derjenige, welchem die hand abgehau- en werden ſollte; ob er ſchon gelt dafuͤr erlegen durfte, wurde dennoch anruͤchtig. Daher iſt zu begreiffen: warum man in der peinlichen halßge- richtsordnung die abhauung der finger auf den meineid geſezet hat (§ 995 des Iten th.), Gund- ling in π. ſ. 285, § 7. Derjenige ſchuldener, welcher das einlager, one rechtmaͤſſige urſachen, und ſonder vorwiſſen des glaͤubigers, vor geleiſte- ter bezalung bricht, und veraͤndert, machet ſich ſeiner ere verluſtig, Joachim Potgieſer de obſta- gio, Marb. 1722, 4t, ſ. 329 fg. Ehedem hat- te die rechte hand die kraft eines eides; hernach iſt aber die treue der Teutſchen gefallen. Jmmit- tels werden dijenige beambte, welche eine untreue an den herrſchaftlichen geltern veruͤben, in vilen landesgeſaͤzen fuͤr erloß erklaͤret. § 990 Nichts ſchimpflichers war bei den Teutſchen, als der hund, und ein ſchaͤbichter hund. Daher koͤmmt das wort: hundsf — —. Einige meinen: es kaͤme von fuͤhten her (generare), du biſt vom hunde abgefallen (canina ſoboles); andere ſagen: es waͤre ein kerl, welcher die hunde leiten, fuͤren, tragen ꝛc muͤßte. Andere behaubten: diſes wort waͤre ſo vil, als quinsvott; quin iſt mulier, ca- nis,

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/636>, abgerufen am 23.04.2024.