Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

Bild:
<< vorherige Seite

II haubtst. von dem rechte,
gen, stadtrechte, polizei- tax- bäcker- feuer-ordnun-
gen etc. ausweisen.

§ 37
von den gewon-
hetten.

Die Teutsche sahen ungemein auf ire bräuche,
und gewonheiten (§ 4). Dise machen eben-
falls einen teil der rechte aus (§ 1), im falle sie
ire behörige erfodernisse haben, und erweißlich zu-
machen sind, Andr. Gaill lib. II obs. 31. Die
feinde des teutschen rechtes wenden zwar darwi-
der ein: was von den gesäzen unterschiden ist, das
ist kein recht; nun aber wäre die gewonheit von
dem gesäze unterschiden; solglich mache sie kein
recht aus; Allein man kan auf zweierlei weise
hirauf antworten, und zwar 1) wurden der Teut-
schen gesäze ebenfalls gewonheiten genennet (§ 6),
2) wenn schon die gewonheiten keine gesäze sind;
so haben sie doch die wirkungen derselben, wie di-
ses alles schon, nächst andern, wohl eingesehen hat:
der Jnnoc. Cironius, ein catholicke, in obseru.
iur. can.,
der Gundling in pandecten, tit. de
longa consuetudine,
und Estor in anal. Fuldens.
Haben doch die Römer ire gewonheiten gehabt.
Allein ein anderes ist eine römische, und ein ande-
res eine teutsche gewonheit. Auf jene hat man sich
nicht einzulassen, so lange die teutsche gewonhei-
ten vorhanden sind, und die sache entscheiden. Ein
jedes recht erfodert den willen des oberherrns.
Diser wird entweder ausdrücklich (§ 36), oder
stillschweigend zu erkennen gegeben. Jm lezten
falle ersprossen die gewonheiten. Solchemnach
wird die gewonheit betrachtet: als ein recht, wel-
ches, vermittels der stillschweigenden einwilligung
des oberherrns durch die widerholeten, gleichför-
migen, schicklichen auch unverrückten handelungen
der untertanen, binnen einer rechtmässigen zeit ein-

gefüret

II haubtſt. von dem rechte,
gen, ſtadtrechte, polizei- tax- baͤcker- feuer-ordnun-
gen ꝛc. ausweiſen.

§ 37
von den gewon-
hetten.

Die Teutſche ſahen ungemein auf ire braͤuche,
und gewonheiten (§ 4). Diſe machen eben-
falls einen teil der rechte aus (§ 1), im falle ſie
ire behoͤrige erfoderniſſe haben, und erweißlich zu-
machen ſind, Andr. Gaill lib. II obſ. 31. Die
feinde des teutſchen rechtes wenden zwar darwi-
der ein: was von den geſaͤzen unterſchiden iſt, das
iſt kein recht; nun aber waͤre die gewonheit von
dem geſaͤze unterſchiden; ſolglich mache ſie kein
recht aus; Allein man kan auf zweierlei weiſe
hirauf antworten, und zwar 1) wurden der Teut-
ſchen geſaͤze ebenfalls gewonheiten genennet (§ 6),
2) wenn ſchon die gewonheiten keine geſaͤze ſind;
ſo haben ſie doch die wirkungen derſelben, wie di-
ſes alles ſchon, naͤchſt andern, wohl eingeſehen hat:
der Jnnoc. Cironius, ein catholicke, in obſeru.
iur. can.,
der Gundling in pandecten, tit. de
longa conſuetudine,
und Eſtor in anal. Fuldenſ.
Haben doch die Roͤmer ire gewonheiten gehabt.
Allein ein anderes iſt eine roͤmiſche, und ein ande-
res eine teutſche gewonheit. Auf jene hat man ſich
nicht einzulaſſen, ſo lange die teutſche gewonhei-
ten vorhanden ſind, und die ſache entſcheiden. Ein
jedes recht erfodert den willen des oberherrns.
Diſer wird entweder ausdruͤcklich (§ 36), oder
ſtillſchweigend zu erkennen gegeben. Jm lezten
falle erſproſſen die gewonheiten. Solchemnach
wird die gewonheit betrachtet: als ein recht, wel-
ches, vermittels der ſtillſchweigenden einwilligung
des oberherrns durch die widerholeten, gleichfoͤr-
migen, ſchicklichen auch unverruͤckten handelungen
der untertanen, binnen einer rechtmaͤſſigen zeit ein-

gefuͤret
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0078" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> haubt&#x017F;t. von dem rechte,</hi></fw><lb/>
gen, &#x017F;tadtrechte, polizei- tax- ba&#x0364;cker- feuer-ordnun-<lb/>
gen &#xA75B;c. auswei&#x017F;en.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§ 37</head><lb/>
          <note place="left">von den gewon-<lb/>
hetten.</note>
          <p>Die Teut&#x017F;che &#x017F;ahen ungemein auf ire bra&#x0364;uche,<lb/>
und gewonheiten (§ 4). Di&#x017F;e machen eben-<lb/>
falls einen teil der rechte aus (§ 1), im falle &#x017F;ie<lb/>
ire beho&#x0364;rige erfoderni&#x017F;&#x017F;e haben, und erweißlich zu-<lb/>
machen &#x017F;ind, <hi rendition="#fr">Andr. Gaill</hi> <hi rendition="#aq">lib. II ob&#x017F;.</hi> 31. Die<lb/>
feinde des teut&#x017F;chen rechtes wenden zwar darwi-<lb/>
der ein: was von den ge&#x017F;a&#x0364;zen unter&#x017F;chiden i&#x017F;t, das<lb/>
i&#x017F;t kein recht; nun aber wa&#x0364;re die gewonheit von<lb/>
dem ge&#x017F;a&#x0364;ze unter&#x017F;chiden; &#x017F;olglich mache &#x017F;ie kein<lb/>
recht aus; Allein man kan auf zweierlei wei&#x017F;e<lb/>
hirauf antworten, und zwar 1) wurden der Teut-<lb/>
&#x017F;chen ge&#x017F;a&#x0364;ze ebenfalls gewonheiten genennet (§ 6),<lb/>
2) wenn &#x017F;chon die gewonheiten keine ge&#x017F;a&#x0364;ze &#x017F;ind;<lb/>
&#x017F;o haben &#x017F;ie doch die wirkungen der&#x017F;elben, wie di-<lb/>
&#x017F;es alles &#x017F;chon, na&#x0364;ch&#x017F;t andern, wohl einge&#x017F;ehen hat:<lb/>
der <hi rendition="#fr">Jnnoc. Cironius,</hi> ein catholicke, in <hi rendition="#aq">ob&#x017F;eru.<lb/>
iur. can.,</hi> der <hi rendition="#fr">Gundling</hi> in pandecten, tit. <hi rendition="#aq">de<lb/>
longa con&#x017F;uetudine,</hi> und <hi rendition="#fr">E&#x017F;tor</hi> in <hi rendition="#aq">anal. Fulden&#x017F;.</hi><lb/>
Haben doch die Ro&#x0364;mer ire gewonheiten gehabt.<lb/>
Allein ein anderes i&#x017F;t eine ro&#x0364;mi&#x017F;che, und ein ande-<lb/>
res eine teut&#x017F;che gewonheit. Auf jene hat man &#x017F;ich<lb/>
nicht einzula&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o lange die teut&#x017F;che gewonhei-<lb/>
ten vorhanden &#x017F;ind, und die &#x017F;ache ent&#x017F;cheiden. Ein<lb/>
jedes recht erfodert den willen des oberherrns.<lb/>
Di&#x017F;er wird entweder ausdru&#x0364;cklich (§ 36), oder<lb/>
&#x017F;till&#x017F;chweigend zu erkennen gegeben. Jm lezten<lb/>
falle er&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en die gewonheiten. Solchemnach<lb/>
wird die <hi rendition="#fr">gewonheit</hi> betrachtet: als ein recht, wel-<lb/>
ches, vermittels der &#x017F;till&#x017F;chweigenden einwilligung<lb/>
des oberherrns durch die widerholeten, gleichfo&#x0364;r-<lb/>
migen, &#x017F;chicklichen auch unverru&#x0364;ckten handelungen<lb/>
der untertanen, binnen einer rechtma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen zeit ein-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gefu&#x0364;ret</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0078] II haubtſt. von dem rechte, gen, ſtadtrechte, polizei- tax- baͤcker- feuer-ordnun- gen ꝛc. ausweiſen. § 37 Die Teutſche ſahen ungemein auf ire braͤuche, und gewonheiten (§ 4). Diſe machen eben- falls einen teil der rechte aus (§ 1), im falle ſie ire behoͤrige erfoderniſſe haben, und erweißlich zu- machen ſind, Andr. Gaill lib. II obſ. 31. Die feinde des teutſchen rechtes wenden zwar darwi- der ein: was von den geſaͤzen unterſchiden iſt, das iſt kein recht; nun aber waͤre die gewonheit von dem geſaͤze unterſchiden; ſolglich mache ſie kein recht aus; Allein man kan auf zweierlei weiſe hirauf antworten, und zwar 1) wurden der Teut- ſchen geſaͤze ebenfalls gewonheiten genennet (§ 6), 2) wenn ſchon die gewonheiten keine geſaͤze ſind; ſo haben ſie doch die wirkungen derſelben, wie di- ſes alles ſchon, naͤchſt andern, wohl eingeſehen hat: der Jnnoc. Cironius, ein catholicke, in obſeru. iur. can., der Gundling in pandecten, tit. de longa conſuetudine, und Eſtor in anal. Fuldenſ. Haben doch die Roͤmer ire gewonheiten gehabt. Allein ein anderes iſt eine roͤmiſche, und ein ande- res eine teutſche gewonheit. Auf jene hat man ſich nicht einzulaſſen, ſo lange die teutſche gewonhei- ten vorhanden ſind, und die ſache entſcheiden. Ein jedes recht erfodert den willen des oberherrns. Diſer wird entweder ausdruͤcklich (§ 36), oder ſtillſchweigend zu erkennen gegeben. Jm lezten falle erſproſſen die gewonheiten. Solchemnach wird die gewonheit betrachtet: als ein recht, wel- ches, vermittels der ſtillſchweigenden einwilligung des oberherrns durch die widerholeten, gleichfoͤr- migen, ſchicklichen auch unverruͤckten handelungen der untertanen, binnen einer rechtmaͤſſigen zeit ein- gefuͤret

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/78
Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/78>, abgerufen am 28.03.2024.