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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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von den leibeigenen bauern.
zum bauerrechte wonen, d. i. ein glid des dorfes seyn,
im gegensaze des beisizers; bauermeister, bauer-
sprache, d. i., unter andern, der befel des richters
an den fornwonenden bauer, welcher seinem nach-
bar den befel mündlich bekannt machen muß, wo-
von es so dann herum von nachbaren zu nachbaren
gehet. Strodtmann im idiot. Osnabr. s. 307 Halt-
aus
am a. o. unter dem worte: bur- burgerspra-
che.
Der herr mußte die leibeigenen ernären.
Dise waren nun entweder als gesinde auf des
herrn hofe, und gute, auch daselbst zu unterhalten,
oder nicht. Denn da dise leute dem herrn vil zu
unterhalten kosteten; so bauete er inen öfters
schlechte koten, häusergen, hütten etc, unter sei-
nem wonsize, oder daselbst herum, oder gab inen
dergleichen, auch äcker, und wisen ein, schaffete
inen vih an; hiraus entstanden die casaten, köhter-
höfe, kohtsassen, köhter, wovon endlich dör-
fer wurden. Disemnach ist es kein allgemeiner
saz: dem bauer gehöret das haus; sondern, wenn
auch ein bauer ein haus hat; so gehöret es, nach
der regel, dem herrn, z. e. in Mecklenburg, Hol-
stein, Pommern, von Engelbrecht obs. 72 s. 371
fg. 1, in dem grunde Seelbach etc, in der Lausiz,
Boehmen etc, allwo die leibeigenschaft noch hart ist,
Just Henn. Boehmer de iure et statu hom. propr.
a seruis Germ. non Rom. deriuando.
Allso gehö-
ren auch Rülberode dem von Schenk die bauer-
häuser, allwo der bauer gegen 20 gulden das haus,
und den ort verlassen muß. Sonst aber gehöret
in Hessen das haus langsam dem herrn. Eine an-
dere bewandniß hat es mit den höfen. Solchem-
nach ist es richtig: daß Teutschland in den älte-
ren zeiten voller leibeigenen gewesen, Potgieser de
conditione seruorum;
gleichwohl wird nicht in ab-
rede gestellet, daß auch freigeborne sich in den dör-

fern,
III. Teil. U

von den leibeigenen bauern.
zum bauerrechte wonen, d. i. ein glid des dorfes ſeyn,
im gegenſaze des beiſizers; bauermeiſter, bauer-
ſprache, d. i., unter andern, der befel des richters
an den fornwonenden bauer, welcher ſeinem nach-
bar den befel muͤndlich bekannt machen muß, wo-
von es ſo dann herum von nachbaren zu nachbaren
gehet. Strodtmann im idiot. Osnabr. ſ. 307 Halt-
aus
am a. o. unter dem worte: bur- burgerſpra-
che.
Der herr mußte die leibeigenen ernaͤren.
Diſe waren nun entweder als geſinde auf des
herrn hofe, und gute, auch daſelbſt zu unterhalten,
oder nicht. Denn da diſe leute dem herrn vil zu
unterhalten koſteten; ſo bauete er inen oͤfters
ſchlechte koten, haͤuſergen, huͤtten ꝛc, unter ſei-
nem wonſize, oder daſelbſt herum, oder gab inen
dergleichen, auch aͤcker, und wiſen ein, ſchaffete
inen vih an; hiraus entſtanden die caſaten, koͤhter-
hoͤfe, kohtſaſſen, koͤhter, wovon endlich doͤr-
fer wurden. Diſemnach iſt es kein allgemeiner
ſaz: dem bauer gehoͤret das haus; ſondern, wenn
auch ein bauer ein haus hat; ſo gehoͤret es, nach
der regel, dem herrn, z. e. in Mecklenburg, Hol-
ſtein, Pommern, von Engelbrecht obſ. 72 ſ. 371
fg. 1, in dem grunde Seelbach ꝛc, in der Lauſiz,
Boehmen ꝛc, allwo die leibeigenſchaft noch hart iſt,
Juſt Henn. Boehmer de iure et ſtatu hom. propr.
a ſeruis Germ. non Rom. deriuando.
Allſo gehoͤ-
ren auch Ruͤlberode dem von Schenk die bauer-
haͤuſer, allwo der bauer gegen 20 gulden das haus,
und den ort verlaſſen muß. Sonſt aber gehoͤret
in Heſſen das haus langſam dem herrn. Eine an-
dere bewandniß hat es mit den hoͤfen. Solchem-
nach iſt es richtig: daß Teutſchland in den aͤlte-
ren zeiten voller leibeigenen geweſen, Potgieſer de
conditione ſeruorum;
gleichwohl wird nicht in ab-
rede geſtellet, daß auch freigeborne ſich in den doͤr-

fern,
III. Teil. U
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[305/0329] von den leibeigenen bauern. zum bauerrechte wonen, d. i. ein glid des dorfes ſeyn, im gegenſaze des beiſizers; bauermeiſter, bauer- ſprache, d. i., unter andern, der befel des richters an den fornwonenden bauer, welcher ſeinem nach- bar den befel muͤndlich bekannt machen muß, wo- von es ſo dann herum von nachbaren zu nachbaren gehet. Strodtmann im idiot. Osnabr. ſ. 307 Halt- aus am a. o. unter dem worte: bur- burgerſpra- che. Der herr mußte die leibeigenen ernaͤren. Diſe waren nun entweder als geſinde auf des herrn hofe, und gute, auch daſelbſt zu unterhalten, oder nicht. Denn da diſe leute dem herrn vil zu unterhalten koſteten; ſo bauete er inen oͤfters ſchlechte koten, haͤuſergen, huͤtten ꝛc, unter ſei- nem wonſize, oder daſelbſt herum, oder gab inen dergleichen, auch aͤcker, und wiſen ein, ſchaffete inen vih an; hiraus entſtanden die caſaten, koͤhter- hoͤfe, kohtſaſſen, koͤhter, wovon endlich doͤr- fer wurden. Diſemnach iſt es kein allgemeiner ſaz: dem bauer gehoͤret das haus; ſondern, wenn auch ein bauer ein haus hat; ſo gehoͤret es, nach der regel, dem herrn, z. e. in Mecklenburg, Hol- ſtein, Pommern, von Engelbrecht obſ. 72 ſ. 371 fg. 1, in dem grunde Seelbach ꝛc, in der Lauſiz, Boehmen ꝛc, allwo die leibeigenſchaft noch hart iſt, Juſt Henn. Boehmer de iure et ſtatu hom. propr. a ſeruis Germ. non Rom. deriuando. Allſo gehoͤ- ren auch Ruͤlberode dem von Schenk die bauer- haͤuſer, allwo der bauer gegen 20 gulden das haus, und den ort verlaſſen muß. Sonſt aber gehoͤret in Heſſen das haus langſam dem herrn. Eine an- dere bewandniß hat es mit den hoͤfen. Solchem- nach iſt es richtig: daß Teutſchland in den aͤlte- ren zeiten voller leibeigenen geweſen, Potgieſer de conditione ſeruorum; gleichwohl wird nicht in ab- rede geſtellet, daß auch freigeborne ſich in den doͤr- fern, III. Teil. U

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/329>, abgerufen am 29.03.2024.