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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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CXXII h. von den vormunden,
obervormund des minderjärigen Reichsfürstens
unterschiden, als welcher heute zu tage vom kaiser
ebenfalls bestätiget wird. Jn den vorigen zeiten
finden sich auch beispile, da die landstände über
die vormundschaft gebaret, oder sie auch gefüret
haben, z. e. in Hessen, Sachsen etc, Buders
obseruat. s. 156 fgg., Struve am a. o., in der
Neumark Brandenburg, Schwarz in der pom-
merischen lehnhistori s. 296. Dise kömmt nicht
allein in den teutschen bürgerlichen, stats-sondern
auch in lehnrechten für. Sie ist zu betrachten:
1) nach irem ursprunge, 2) nach irem wesen.
Was die obervormundschaft über die vasallen be-
langet; so ist sie aus den lehnrechten entstanden.
Denn sowohl die vom hohen, als nideren adel
standen unter iren herren, und die vom hohen adel
befanden sich gern am hofe des teutschen königes,
wo sie auch erzogen wurden; bevorab, wenn sie
waisen waren. Daher hatten der könig, oder
dessen bedinte, die aufsicht über sie; die einkünfte
von iren gütern bekam allso der könig, oder dessen
bedinte, welche die aufsicht über sie hatten. Was
den nideren adel betraf; so war es allso: wenn
nämlich eine person des nideren adels die lehndin-
ste, bald wegen der minderjärigkeit, bald aus ei-
ner andern ursache, zu leisten nicht vermochte; so
nahm der lehnherr zur vergeltung des felenden
mannes die lehnseinkünfte zu sich. Als aber her-
nach das lehnwesen bei veränderung der dinge ein
anderes ansehen bekam; so entstand der saz: die
dinste können durch stellvertreter (lehnträger) gelei-
stet werden. Disem nach namen die lehnherren
die lehnseinkünfte nicht mehr; sondern lissen sie
den stellvertretern, welche sie verdinen mußten,
und die lehndinste zu leisten, auch den unmündi-
gen, die mutter etc, davon nohtdürftig zu unter-

halten

CXXII h. von den vormunden,
obervormund des minderjaͤrigen Reichsfuͤrſtens
unterſchiden, als welcher heute zu tage vom kaiſer
ebenfalls beſtaͤtiget wird. Jn den vorigen zeiten
finden ſich auch beiſpile, da die landſtaͤnde uͤber
die vormundſchaft gebaret, oder ſie auch gefuͤret
haben, z. e. in Heſſen, Sachſen ꝛc, Buders
obſeruat. ſ. 156 fgg., Struve am a. o., in der
Neumark Brandenburg, Schwarz in der pom-
meriſchen lehnhiſtori ſ. 296. Diſe koͤmmt nicht
allein in den teutſchen buͤrgerlichen, ſtats-ſondern
auch in lehnrechten fuͤr. Sie iſt zu betrachten:
1) nach irem urſprunge, 2) nach irem weſen.
Was die obervormundſchaft uͤber die vaſallen be-
langet; ſo iſt ſie aus den lehnrechten entſtanden.
Denn ſowohl die vom hohen, als nideren adel
ſtanden unter iren herren, und die vom hohen adel
befanden ſich gern am hofe des teutſchen koͤniges,
wo ſie auch erzogen wurden; bevorab, wenn ſie
waiſen waren. Daher hatten der koͤnig, oder
deſſen bedinte, die aufſicht uͤber ſie; die einkuͤnfte
von iren guͤtern bekam allſo der koͤnig, oder deſſen
bedinte, welche die aufſicht uͤber ſie hatten. Was
den nideren adel betraf; ſo war es allſo: wenn
naͤmlich eine perſon des nideren adels die lehndin-
ſte, bald wegen der minderjaͤrigkeit, bald aus ei-
ner andern urſache, zu leiſten nicht vermochte; ſo
nahm der lehnherr zur vergeltung des felenden
mannes die lehnseinkuͤnfte zu ſich. Als aber her-
nach das lehnweſen bei veraͤnderung der dinge ein
anderes anſehen bekam; ſo entſtand der ſaz: die
dinſte koͤnnen durch ſtellvertreter (lehntraͤger) gelei-
ſtet werden. Diſem nach namen die lehnherren
die lehnseinkuͤnfte nicht mehr; ſondern liſſen ſie
den ſtellvertretern, welche ſie verdinen mußten,
und die lehndinſte zu leiſten, auch den unmuͤndi-
gen, die mutter ꝛc, davon nohtduͤrftig zu unter-

halten
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[556/0580] CXXII h. von den vormunden, obervormund des minderjaͤrigen Reichsfuͤrſtens unterſchiden, als welcher heute zu tage vom kaiſer ebenfalls beſtaͤtiget wird. Jn den vorigen zeiten finden ſich auch beiſpile, da die landſtaͤnde uͤber die vormundſchaft gebaret, oder ſie auch gefuͤret haben, z. e. in Heſſen, Sachſen ꝛc, Buders obſeruat. ſ. 156 fgg., Struve am a. o., in der Neumark Brandenburg, Schwarz in der pom- meriſchen lehnhiſtori ſ. 296. Diſe koͤmmt nicht allein in den teutſchen buͤrgerlichen, ſtats-ſondern auch in lehnrechten fuͤr. Sie iſt zu betrachten: 1) nach irem urſprunge, 2) nach irem weſen. Was die obervormundſchaft uͤber die vaſallen be- langet; ſo iſt ſie aus den lehnrechten entſtanden. Denn ſowohl die vom hohen, als nideren adel ſtanden unter iren herren, und die vom hohen adel befanden ſich gern am hofe des teutſchen koͤniges, wo ſie auch erzogen wurden; bevorab, wenn ſie waiſen waren. Daher hatten der koͤnig, oder deſſen bedinte, die aufſicht uͤber ſie; die einkuͤnfte von iren guͤtern bekam allſo der koͤnig, oder deſſen bedinte, welche die aufſicht uͤber ſie hatten. Was den nideren adel betraf; ſo war es allſo: wenn naͤmlich eine perſon des nideren adels die lehndin- ſte, bald wegen der minderjaͤrigkeit, bald aus ei- ner andern urſache, zu leiſten nicht vermochte; ſo nahm der lehnherr zur vergeltung des felenden mannes die lehnseinkuͤnfte zu ſich. Als aber her- nach das lehnweſen bei veraͤnderung der dinge ein anderes anſehen bekam; ſo entſtand der ſaz: die dinſte koͤnnen durch ſtellvertreter (lehntraͤger) gelei- ſtet werden. Diſem nach namen die lehnherren die lehnseinkuͤnfte nicht mehr; ſondern liſſen ſie den ſtellvertretern, welche ſie verdinen mußten, und die lehndinſte zu leiſten, auch den unmuͤndi- gen, die mutter ꝛc, davon nohtduͤrftig zu unter- halten

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/580>, abgerufen am 19.04.2024.