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Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767.

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II buch, L haubtstück,
§ 2008
vom winkel-
rechte.

Der winkel wird entweder im besonderen sinne
für eine ecke, oder einen ort genommen, wo etwas
heimlich geschihet; daher haben wir winkel-ehen,
winkel verlöbnisse, auch winkel-gelübde; oder
überhaubt für den raum zwischen 2 häusern, oder
gebäuden. Er ist bald trocken, bald naß. Tro-
cken heisset er, wenn keine privete (heimliche ge-
mache), noch abzuchten darin sind. Auf des
nachbars dach, oder grund darf von rechtswegen
mein unrat nicht fallen, noch geworfen werden.
Oefters entstehen streite darüber, wem der win-
kel zwischen beyden häusern gehöre? Jm zweifel
hält man den winkel zwischen beiden nachbaren
gemein; der andere könnte denn erweisen: daß
solcher ihm allein zugehöre. Das winkelrecht in
Teutschlande ist dergestalt hergebracht: daß zwi-
schen den gebäuden 2 nachbaren jeder 11/2 schuhe
im anbauen ledig lassen müsse; und wenn einer
diser gewonheit zuwider bauet; so muß er auf des
andern begeren wider abreissen; wie dieses auch
bei verkündigung eines neuen werkes (gebäudes)
statt findet, Freiherr von Cramer obs. 76 s. 244,
Boehmer T. II P. II cons. 898 n. 6. Jn sachen
Nicol Spenglers zu Schweinsberg, wider den
Kraft, und zwischen Gläsern allda, auch Bech-
told, walteten rechtsstreite wegen legung des hol-
zes in den trockenen winkel.

§ 2009
wifern' eine
heimlichkeit er-
laubet ist?

Die teutsche rechte unterscheiden sich merklich
bei den heimlichkeiten, auch unflätereien, von den
römischen rechten. Nach disen kan ein jeder auf
dem seinigen bauen, was er will, auch nahe an
meine wand; wenn es nur auf seinem grunde,
und boden stehet. Dahingegen wird dises nach

den
II buch, L haubtſtuͤck,
§ 2008
vom winkel-
rechte.

Der winkel wird entweder im beſonderen ſinne
fuͤr eine ecke, oder einen ort genommen, wo etwas
heimlich geſchihet; daher haben wir winkel-ehen,
winkel verloͤbniſſe, auch winkel-geluͤbde; oder
uͤberhaubt fuͤr den raum zwiſchen 2 haͤuſern, oder
gebaͤuden. Er iſt bald trocken, bald naß. Tro-
cken heiſſet er, wenn keine privete (heimliche ge-
mache), noch abzuchten darin ſind. Auf des
nachbars dach, oder grund darf von rechtswegen
mein unrat nicht fallen, noch geworfen werden.
Oefters entſtehen ſtreite daruͤber, wem der win-
kel zwiſchen beyden haͤuſern gehoͤre? Jm zweifel
haͤlt man den winkel zwiſchen beiden nachbaren
gemein; der andere koͤnnte denn erweiſen: daß
ſolcher ihm allein zugehoͤre. Das winkelrecht in
Teutſchlande iſt dergeſtalt hergebracht: daß zwi-
ſchen den gebaͤuden 2 nachbaren jeder 1½ ſchuhe
im anbauen ledig laſſen muͤſſe; und wenn einer
diſer gewonheit zuwider bauet; ſo muß er auf des
andern begeren wider abreiſſen; wie dieſes auch
bei verkuͤndigung eines neuen werkes (gebaͤudes)
ſtatt findet, Freiherr von Cramer obſ. 76 ſ. 244,
Boehmer T. II P. II conſ. 898 n. 6. Jn ſachen
Nicol Spenglers zu Schweinsberg, wider den
Kraft, und zwiſchen Glaͤſern allda, auch Bech-
told, walteten rechtsſtreite wegen legung des hol-
zes in den trockenen winkel.

§ 2009
wifern’ eine
heimlichkeit er-
laubet iſt?

Die teutſche rechte unterſcheiden ſich merklich
bei den heimlichkeiten, auch unflaͤtereien, von den
roͤmiſchen rechten. Nach diſen kan ein jeder auf
dem ſeinigen bauen, was er will, auch nahe an
meine wand; wenn es nur auf ſeinem grunde,
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[872/0896] II buch, L haubtſtuͤck, § 2008 Der winkel wird entweder im beſonderen ſinne fuͤr eine ecke, oder einen ort genommen, wo etwas heimlich geſchihet; daher haben wir winkel-ehen, winkel verloͤbniſſe, auch winkel-geluͤbde; oder uͤberhaubt fuͤr den raum zwiſchen 2 haͤuſern, oder gebaͤuden. Er iſt bald trocken, bald naß. Tro- cken heiſſet er, wenn keine privete (heimliche ge- mache), noch abzuchten darin ſind. Auf des nachbars dach, oder grund darf von rechtswegen mein unrat nicht fallen, noch geworfen werden. Oefters entſtehen ſtreite daruͤber, wem der win- kel zwiſchen beyden haͤuſern gehoͤre? Jm zweifel haͤlt man den winkel zwiſchen beiden nachbaren gemein; der andere koͤnnte denn erweiſen: daß ſolcher ihm allein zugehoͤre. Das winkelrecht in Teutſchlande iſt dergeſtalt hergebracht: daß zwi- ſchen den gebaͤuden 2 nachbaren jeder 1½ ſchuhe im anbauen ledig laſſen muͤſſe; und wenn einer diſer gewonheit zuwider bauet; ſo muß er auf des andern begeren wider abreiſſen; wie dieſes auch bei verkuͤndigung eines neuen werkes (gebaͤudes) ſtatt findet, Freiherr von Cramer obſ. 76 ſ. 244, Boehmer T. II P. II conſ. 898 n. 6. Jn ſachen Nicol Spenglers zu Schweinsberg, wider den Kraft, und zwiſchen Glaͤſern allda, auch Bech- told, walteten rechtsſtreite wegen legung des hol- zes in den trockenen winkel. § 2009 Die teutſche rechte unterſcheiden ſich merklich bei den heimlichkeiten, auch unflaͤtereien, von den roͤmiſchen rechten. Nach diſen kan ein jeder auf dem ſeinigen bauen, was er will, auch nahe an meine wand; wenn es nur auf ſeinem grunde, und boden ſtehet. Dahingegen wird diſes nach den

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Zitationshilfe: Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/896>, abgerufen am 18.04.2024.