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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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sich befinden werde, will ich noch verschiedene Relationes daraus allhier mit
einfliessen lassen. Jedoch werde ich mich weder allemal an die Worte der Teut-
schen Ubersetzung, noch stets an den Sinn des Bocalini binden sondern alles
nach meinem eigenen Gutachten, und meinen besondern Absichten einrichten,
so daß es mehr eine Imitation als die selbst-eigene Arbeit des Boccalini zu nennen
seyn wird.

Eine sehr curieuse, die Politicos angehende Relation aus
dem Parnasso.

DEmnach die sämtlichen Herren, in den Parnassum aufgenommenen Politici,
von vielen Monaten her, mit denen dasigen Herren Cammer-Räthen deli-
beri
ret und berathschlaget, wie in dem Parnasso ein öffentliches Kauff-Haus
vor ihre Nation aufgerichtet werden möchte? ist endlich die vergangene Woche
solches beschlossen und vor gut befunden worden. Alsdann haben die Herren
Politici, auf einem grossen Marckt, alle diejenigen Waaren, deren das menschli-
che Geschlecht am meisten vonnöthen, zu öffentlicher Schau- und Besichti-
gung, gantz herrlich und prächtig, auslegen und zeigen lassen.

1) Findet man in diesem politischen Kauff-Haus eine grosse Quantitaet
von der kurtzen Wolle so von dem neu-gepresseten Tuch abgeschoren wird. Die-
se Wolle achtet zwar der gemeine Mann nicht; aber von denen verständigen
Hofleuten wird sie theuer bezahlet, dieweil sie in Erfahrung gebracht, daß solche
Wolle von dem allerfeinesten und besten Tuch der wahren Weißheit herkomme,
welches die klugen und verständigen Menschen von der allerzartesten Wolle der
Gedult gemachet haben. Sie dienet vornemlich die Sattel der Dienstbarkeit
damit auszufüllen, damit sie sich desto besser auf den Rücken derer armen und
mühseligen Hofschrantzen schicken, wohl aufliegen, und sie nicht etwa schwel-
len und drucken möchten, welches dann denenjenigen schändlicher Weise be-
gegnet, die, ob sie gleich aller Mühe und Arbeit Spinnen-feind seynd, sich
nichts destoweniger, des Hof-Lebens unterfangen, der gäntzlichen Hoffnung
und Zuversicht allda gute Tage zu haben, und in ihrer selbst-eigenen Dienstbar-
keit über andere zu herrschen.
2) Befindet sich in diesem politischen Kauff-Haus eine grosse Anzahl
über-
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ſich befinden werde, will ich noch verſchiedene Relationes daraus allhier mit
einflieſſen laſſen. Jedoch werde ich mich weder allemal an die Worte der Teut-
ſchen Uberſetzung, noch ſtets an den Sinn des Bocalini binden ſondern alles
nach meinem eigenen Gutachten, und meinen beſondern Abſichten einrichten,
ſo daß es mehr eine Imitation als die ſelbſt-eigene Arbeit des Boccalini zu nennen
ſeyn wird.

Eine ſehr curieuſe, die Politicos angehende Relation aus
dem Parnaſſo.

DEmnach die ſaͤmtlichen Herren, in den Parnaſſum aufgenommenen Politici,
von vielen Monaten her, mit denen daſigen Herren Cammer-Raͤthen deli-
beri
ret und berathſchlaget, wie in dem Parnaſſo ein oͤffentliches Kauff-Haus
vor ihre Nation aufgerichtet werden moͤchte? iſt endlich die vergangene Woche
ſolches beſchloſſen und vor gut befunden worden. Alsdann haben die Herren
Politici, auf einem groſſen Marckt, alle diejenigen Waaren, deren das menſchli-
che Geſchlecht am meiſten vonnoͤthen, zu oͤffentlicher Schau- und Beſichti-
gung, gantz herrlich und praͤchtig, auslegen und zeigen laſſen.

1) Findet man in dieſem politiſchen Kauff-Haus eine groſſe Quantitæt
von der kurtzen Wolle ſo von dem neu-gepreſſeten Tuch abgeſchoren wird. Die-
ſe Wolle achtet zwar der gemeine Mann nicht; aber von denen verſtaͤndigen
Hofleuten wird ſie theuer bezahlet, dieweil ſie in Erfahrung gebracht, daß ſolche
Wolle von dem allerfeineſten und beſten Tuch der wahren Weißheit herkomme,
welches die klugen und verſtaͤndigen Menſchen von der allerzarteſten Wolle der
Gedult gemachet haben. Sie dienet vornemlich die Sattel der Dienſtbarkeit
damit auszufuͤllen, damit ſie ſich deſto beſſer auf den Ruͤcken derer armen und
muͤhſeligen Hofſchrantzen ſchicken, wohl aufliegen, und ſie nicht etwa ſchwel-
len und drucken moͤchten, welches dann denenjenigen ſchaͤndlicher Weiſe be-
gegnet, die, ob ſie gleich aller Muͤhe und Arbeit Spinnen-feind ſeynd, ſich
nichts deſtoweniger, des Hof-Lebens unterfangen, der gaͤntzlichen Hoffnung
und Zuverſicht allda gute Tage zu haben, und in ihrer ſelbſt-eigenen Dienſtbar-
keit uͤber andere zu herrſchen.
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[91/0135] ſich befinden werde, will ich noch verſchiedene Relationes daraus allhier mit einflieſſen laſſen. Jedoch werde ich mich weder allemal an die Worte der Teut- ſchen Uberſetzung, noch ſtets an den Sinn des Bocalini binden ſondern alles nach meinem eigenen Gutachten, und meinen beſondern Abſichten einrichten, ſo daß es mehr eine Imitation als die ſelbſt-eigene Arbeit des Boccalini zu nennen ſeyn wird. Eine ſehr curieuſe, die Politicos angehende Relation aus dem Parnaſſo. DEmnach die ſaͤmtlichen Herren, in den Parnaſſum aufgenommenen Politici, von vielen Monaten her, mit denen daſigen Herren Cammer-Raͤthen deli- beriret und berathſchlaget, wie in dem Parnaſſo ein oͤffentliches Kauff-Haus vor ihre Nation aufgerichtet werden moͤchte? iſt endlich die vergangene Woche ſolches beſchloſſen und vor gut befunden worden. Alsdann haben die Herren Politici, auf einem groſſen Marckt, alle diejenigen Waaren, deren das menſchli- che Geſchlecht am meiſten vonnoͤthen, zu oͤffentlicher Schau- und Beſichti- gung, gantz herrlich und praͤchtig, auslegen und zeigen laſſen. 1) Findet man in dieſem politiſchen Kauff-Haus eine groſſe Quantitæt von der kurtzen Wolle ſo von dem neu-gepreſſeten Tuch abgeſchoren wird. Die- ſe Wolle achtet zwar der gemeine Mann nicht; aber von denen verſtaͤndigen Hofleuten wird ſie theuer bezahlet, dieweil ſie in Erfahrung gebracht, daß ſolche Wolle von dem allerfeineſten und beſten Tuch der wahren Weißheit herkomme, welches die klugen und verſtaͤndigen Menſchen von der allerzarteſten Wolle der Gedult gemachet haben. Sie dienet vornemlich die Sattel der Dienſtbarkeit damit auszufuͤllen, damit ſie ſich deſto beſſer auf den Ruͤcken derer armen und muͤhſeligen Hofſchrantzen ſchicken, wohl aufliegen, und ſie nicht etwa ſchwel- len und drucken moͤchten, welches dann denenjenigen ſchaͤndlicher Weiſe be- gegnet, die, ob ſie gleich aller Muͤhe und Arbeit Spinnen-feind ſeynd, ſich nichts deſtoweniger, des Hof-Lebens unterfangen, der gaͤntzlichen Hoffnung und Zuverſicht allda gute Tage zu haben, und in ihrer ſelbſt-eigenen Dienſtbar- keit uͤber andere zu herrſchen. 2) Befindet ſich in dieſem politiſchen Kauff-Haus eine groſſe Anzahl uͤber- M 2

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/135>, abgerufen am 28.03.2024.