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[Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802

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Fünfter Brief.


Jetzt erst beantworte ich Dir Deine Frage: Kann
man die Freimaurerei nicht als Selbstzweck auf-
stellen? ob Du sie gleich schon zurückgenommen
hast; blos weil es mir zu einigen Nebenbestim-
mungen Anlaß giebt.

Du bist, wie Du auch gestehst, auf diese Idee
durch Vergleichung der Frei-Maurerei mit der
Religion gefallen. Was ist der Zweck der Kirche,
kann man fragen. -- Die Beförderung der Re-
ligion. Was ist der Zweck der Religion? Ohne
Zweifel sie selbst, denn sie ist blos das Resultat,
die Forderung des harmonischen Geistes und Her-
zens, das Produkt unsrer Besonnenheit, die höchste
Blüthe unsrer Vernunft, der Würde unsrer Na-
tur. Wozu soll sie noch gut seyn oder als Mittel
dienen, was beendzwecken? So ist der Orden
der Freimaurer da, um die Freimaurerei zu
erhalten, zu cultiviren; sie selbst ist nicht zu et-
was gut, sie ist an und für sich selbst gut, nicht
Mittel zu irgend einem Zwecke. Was soll sie
noch weiter beabsichtigen? Was sie wirkt und wir-
ken kann, was sie in ihm hervorgebracht hat und
in andern hervorbringen soll, das muß der wahre
Maurer kennen; und dies ist -- Frei-Maurerei.

Sonach wäre es überhaupt vergeblich nach ei-
nem Zwecke derselben zu fragen, diese Frage zu
beantworten und den Begriff eines solchen Zweckes
(wie wir gethan haben) aufzustellen; sie wäre

Fuͤnfter Brief.


Jetzt erſt beantworte ich Dir Deine Frage: Kann
man die Freimaurerei nicht als Selbſtzweck auf-
ſtellen? ob Du ſie gleich ſchon zuruͤckgenommen
haſt; blos weil es mir zu einigen Nebenbeſtim-
mungen Anlaß giebt.

Du biſt, wie Du auch geſtehſt, auf dieſe Idee
durch Vergleichung der Frei-Maurerei mit der
Religion gefallen. Was iſt der Zweck der Kirche,
kann man fragen. — Die Befoͤrderung der Re-
ligion. Was iſt der Zweck der Religion? Ohne
Zweifel ſie ſelbſt, denn ſie iſt blos das Reſultat,
die Forderung des harmoniſchen Geiſtes und Her-
zens, das Produkt unſrer Beſonnenheit, die hoͤchſte
Bluͤthe unſrer Vernunft, der Wuͤrde unſrer Na-
tur. Wozu ſoll ſie noch gut ſeyn oder als Mittel
dienen, was beendzwecken? So iſt der Orden
der Freimaurer da, um die Freimaurerei zu
erhalten, zu cultiviren; ſie ſelbſt iſt nicht zu et-
was gut, ſie iſt an und fuͤr ſich ſelbſt gut, nicht
Mittel zu irgend einem Zwecke. Was ſoll ſie
noch weiter beabſichtigen? Was ſie wirkt und wir-
ken kann, was ſie in ihm hervorgebracht hat und
in andern hervorbringen ſoll, das muß der wahre
Maurer kennen; und dies iſt — Frei-Maurerei.

Sonach waͤre es uͤberhaupt vergeblich nach ei-
nem Zwecke derſelben zu fragen, dieſe Frage zu
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[39/0057] Fuͤnfter Brief. Jetzt erſt beantworte ich Dir Deine Frage: Kann man die Freimaurerei nicht als Selbſtzweck auf- ſtellen? ob Du ſie gleich ſchon zuruͤckgenommen haſt; blos weil es mir zu einigen Nebenbeſtim- mungen Anlaß giebt. Du biſt, wie Du auch geſtehſt, auf dieſe Idee durch Vergleichung der Frei-Maurerei mit der Religion gefallen. Was iſt der Zweck der Kirche, kann man fragen. — Die Befoͤrderung der Re- ligion. Was iſt der Zweck der Religion? Ohne Zweifel ſie ſelbſt, denn ſie iſt blos das Reſultat, die Forderung des harmoniſchen Geiſtes und Her- zens, das Produkt unſrer Beſonnenheit, die hoͤchſte Bluͤthe unſrer Vernunft, der Wuͤrde unſrer Na- tur. Wozu ſoll ſie noch gut ſeyn oder als Mittel dienen, was beendzwecken? So iſt der Orden der Freimaurer da, um die Freimaurerei zu erhalten, zu cultiviren; ſie ſelbſt iſt nicht zu et- was gut, ſie iſt an und fuͤr ſich ſelbſt gut, nicht Mittel zu irgend einem Zwecke. Was ſoll ſie noch weiter beabſichtigen? Was ſie wirkt und wir- ken kann, was ſie in ihm hervorgebracht hat und in andern hervorbringen ſoll, das muß der wahre Maurer kennen; und dies iſt — Frei-Maurerei. Sonach waͤre es uͤberhaupt vergeblich nach ei- nem Zwecke derſelben zu fragen, dieſe Frage zu beantworten und den Begriff eines ſolchen Zweckes (wie wir gethan haben) aufzuſtellen; ſie waͤre

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Zitationshilfe: [Fessler, Ignaz Aurelius]: Eleusinien des neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. Berlin, 1802, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fessler_eleusinien01_1802/57>, abgerufen am 18.04.2024.