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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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die Spinozische Substanz oder eine ähnliche Idee als sein höch-
stes Wesen feiern, voller Antipathie gegen einen persönlichen,
d. i. subjectiven Gott. Jacobi war darum ein classischer, weil
(in dieser Beziehung wenigstens) consequenter, mit sich einiger
Philosoph. Wie sein Gott, so war seine Philosophie -- per-
sönlich, subjectiv. Der persönliche Gott kann nicht anders
wissenschaftlich begründet werden, als wie ihn Jacobi und seine
Schüler begründeten. Die Persönlichkeit bewährt sich nur auf
selbst persönliche Weise.

Sicherlich läßt sich, ja soll sich die Persönlichkeit auf na-
türlichem Wege begründen; aber nur dann, wann ich aufhöre,
im Dunkeln des Mysticismus zu munkeln, wenn ich heraus-
trete an den hellen lichten Tag der wirklichen Natur, und den
Begriff des persönlichen Gotres mit dem Begriff der Persön-
lichkeit überhaupt
vertausche. Aber in den Begriff des per-
sönlichen Gottes, dessen positiver Begriff eben die befreite,
abgeschiedene, von der einschränkenden Kraft der Na-
tur erlöste Persönlichkeit
ist, eben diese Natur wieder ein-
zuschwärzen, das ist eben so verkehrt, als wenn ich in den
Nektar der Götter Braunschweiger Mumme mischen wollte,
um dem ätherischen Trank eine solide Grundlage zu geben.
Allerdings lassen sich nicht aus dem himmlischen Safte, der
die Götter nährt, die Bestandtheile des animalischen Blutes
ableiten. Allein die Blume der Sublimation entsteht nur durch
Verflüchtigung der Materie; wie kannst Du also in der subli-
mirten Substanz eben die Stoffe vermissen, von welchen Du
sie geschieden? Allerdings läßt sich das unpersönliche Wesen
der Natur nicht aus dem Begriffe der Persönlichkeit erklären.
Erklären heißt Begründen; aber wo die Persönlichkeit eine
Wahrheit oder vielmehr die absolute Wahrheit ist, da hat die

die Spinoziſche Subſtanz oder eine ähnliche Idee als ſein höch-
ſtes Weſen feiern, voller Antipathie gegen einen perſönlichen,
d. i. ſubjectiven Gott. Jacobi war darum ein claſſiſcher, weil
(in dieſer Beziehung wenigſtens) conſequenter, mit ſich einiger
Philoſoph. Wie ſein Gott, ſo war ſeine Philoſophie — per-
ſönlich, ſubjectiv. Der perſönliche Gott kann nicht anders
wiſſenſchaftlich begründet werden, als wie ihn Jacobi und ſeine
Schüler begründeten. Die Perſönlichkeit bewährt ſich nur auf
ſelbſt perſönliche Weiſe.

Sicherlich läßt ſich, ja ſoll ſich die Perſönlichkeit auf na-
türlichem Wege begründen; aber nur dann, wann ich aufhöre,
im Dunkeln des Myſticismus zu munkeln, wenn ich heraus-
trete an den hellen lichten Tag der wirklichen Natur, und den
Begriff des perſönlichen Gotres mit dem Begriff der Perſön-
lichkeit überhaupt
vertauſche. Aber in den Begriff des per-
ſönlichen Gottes, deſſen poſitiver Begriff eben die befreite,
abgeſchiedene, von der einſchränkenden Kraft der Na-
tur erlöſte Perſönlichkeit
iſt, eben dieſe Natur wieder ein-
zuſchwärzen, das iſt eben ſo verkehrt, als wenn ich in den
Nektar der Götter Braunſchweiger Mumme miſchen wollte,
um dem ätheriſchen Trank eine ſolide Grundlage zu geben.
Allerdings laſſen ſich nicht aus dem himmliſchen Safte, der
die Götter nährt, die Beſtandtheile des animaliſchen Blutes
ableiten. Allein die Blume der Sublimation entſteht nur durch
Verflüchtigung der Materie; wie kannſt Du alſo in der ſubli-
mirten Subſtanz eben die Stoffe vermiſſen, von welchen Du
ſie geſchieden? Allerdings läßt ſich das unperſönliche Weſen
der Natur nicht aus dem Begriffe der Perſönlichkeit erklären.
Erklären heißt Begründen; aber wo die Perſönlichkeit eine
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[125/0143] die Spinoziſche Subſtanz oder eine ähnliche Idee als ſein höch- ſtes Weſen feiern, voller Antipathie gegen einen perſönlichen, d. i. ſubjectiven Gott. Jacobi war darum ein claſſiſcher, weil (in dieſer Beziehung wenigſtens) conſequenter, mit ſich einiger Philoſoph. Wie ſein Gott, ſo war ſeine Philoſophie — per- ſönlich, ſubjectiv. Der perſönliche Gott kann nicht anders wiſſenſchaftlich begründet werden, als wie ihn Jacobi und ſeine Schüler begründeten. Die Perſönlichkeit bewährt ſich nur auf ſelbſt perſönliche Weiſe. Sicherlich läßt ſich, ja ſoll ſich die Perſönlichkeit auf na- türlichem Wege begründen; aber nur dann, wann ich aufhöre, im Dunkeln des Myſticismus zu munkeln, wenn ich heraus- trete an den hellen lichten Tag der wirklichen Natur, und den Begriff des perſönlichen Gotres mit dem Begriff der Perſön- lichkeit überhaupt vertauſche. Aber in den Begriff des per- ſönlichen Gottes, deſſen poſitiver Begriff eben die befreite, abgeſchiedene, von der einſchränkenden Kraft der Na- tur erlöſte Perſönlichkeit iſt, eben dieſe Natur wieder ein- zuſchwärzen, das iſt eben ſo verkehrt, als wenn ich in den Nektar der Götter Braunſchweiger Mumme miſchen wollte, um dem ätheriſchen Trank eine ſolide Grundlage zu geben. Allerdings laſſen ſich nicht aus dem himmliſchen Safte, der die Götter nährt, die Beſtandtheile des animaliſchen Blutes ableiten. Allein die Blume der Sublimation entſteht nur durch Verflüchtigung der Materie; wie kannſt Du alſo in der ſubli- mirten Subſtanz eben die Stoffe vermiſſen, von welchen Du ſie geſchieden? Allerdings läßt ſich das unperſönliche Weſen der Natur nicht aus dem Begriffe der Perſönlichkeit erklären. Erklären heißt Begründen; aber wo die Perſönlichkeit eine Wahrheit oder vielmehr die abſolute Wahrheit iſt, da hat die

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/143>, abgerufen am 28.03.2024.