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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abschnitt.
Die culpose ist so wie die dolose Verletzung
nur strafbar, weil sie durch ein Strafgesetz be-
droht worden ist. Da nun das Strafgesetz zur
Beobachtung des gehörigen Fleisses, als Straf-
gesetz denselben Zweck der Abschreckung
haben muss, wie das Strafgesetz gegen den
Dolus, so sind (vermöge des §. 92.) die Be-
dingungen der Imputativität überhaupt (§. 93.)
sowohl Bedingungen der Bestrafung des Dolus,
als der Culpa.

Vergleiche Titel I. Abschn. V. §. 63.

§. 95.

Da eine Rechtsverletzung nicht blos dann
strafbar ist, wenn sich die Person mit dem
Bewustseyn der Strafbarkeit zu derselben selbst
bestimmt hat; sondern auch dann, wenn sie
sich, ohne die Rechtsverletzung zum Zweck zu
haben, zu andern Handlungen bestimmt hat,
aus denen die Verletzung nach Naturursachen
erfolgt (§§. 62--64); so ist diejenige strafbar,
die zwar in einem Zustand der Nichtzurech-
nungsfähigkeit das Verbrechen begeht, sich
aber durch eine zurechnungsfähige Uebertre-
tung des Gesetzes gegen die Fahrlässigkeit in
den Zustand der Nichtzurechnungsfähigkeit
versetzt hat. Mithin fällt bey einem Verbrechen
nur dann alle Strafbarkeit hinweg, wenn die
Person weder die Rechtsverletzung selbst unter den
Bedingungen der Imputativität gewollt, noch auch,
unter denselben Bedingungen der Imputativität,
sich zu andern Handlungen oder Unterlassungen
bestimmt hat, durch die sic in den Zustand der
Nichtzurechnungsfähigkeit versetzt worden ist
.


§. 96.

I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
Die culpoſe iſt ſo wie die doloſe Verletzung
nur ſtrafbar, weil ſie durch ein Strafgeſetz be-
droht worden iſt. Da nun das Strafgeſetz zur
Beobachtung des gehörigen Fleiſses, als Straf-
geſetz denſelben Zweck der Abſchreckung
haben muſs, wie das Strafgeſetz gegen den
Dolus, ſo ſind (vermöge des §. 92.) die Be-
dingungen der Imputativität überhaupt (§. 93.)
ſowohl Bedingungen der Beſtrafung des Dolus,
als der Culpa.

Vergleiche Titel I. Abſchn. V. §. 63.

§. 95.

Da eine Rechtsverletzung nicht blos dann
ſtrafbar iſt, wenn ſich die Perſon mit dem
Bewuſtſeyn der Strafbarkeit zu derſelben ſelbſt
beſtimmt hat; ſondern auch dann, wenn ſie
ſich, ohne die Rechtsverletzung zum Zweck zu
haben, zu andern Handlungen beſtimmt hat,
aus denen die Verletzung nach Natururſachen
erfolgt (§§. 62—64); ſo iſt diejenige ſtrafbar,
die zwar in einem Zuſtand der Nichtzurech-
nungsfähigkeit das Verbrechen begeht, ſich
aber durch eine zurechnungsfähige Uebertre-
tung des Geſetzes gegen die Fahrläſſigkeit in
den Zuſtand der Nichtzurechnungsfähigkeit
verſetzt hat. Mithin fällt bey einem Verbrechen
nur dann alle Strafbarkeit hinweg, wenn die
Perſon weder die Rechtsverletzung ſelbſt unter den
Bedingungen der Imputativität gewollt, noch auch,
unter denſelben Bedingungen der Imputativität,
ſich zu andern Handlungen oder Unterlaſſungen
beſtimmt hat, durch die ſic in den Zuſtand der
Nichtzurechnungsfähigkeit verſetzt worden iſt
.


§. 96.
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[74/0102] I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. Die culpoſe iſt ſo wie die doloſe Verletzung nur ſtrafbar, weil ſie durch ein Strafgeſetz be- droht worden iſt. Da nun das Strafgeſetz zur Beobachtung des gehörigen Fleiſses, als Straf- geſetz denſelben Zweck der Abſchreckung haben muſs, wie das Strafgeſetz gegen den Dolus, ſo ſind (vermöge des §. 92.) die Be- dingungen der Imputativität überhaupt (§. 93.) ſowohl Bedingungen der Beſtrafung des Dolus, als der Culpa. Vergleiche Titel I. Abſchn. V. §. 63. §. 95. Da eine Rechtsverletzung nicht blos dann ſtrafbar iſt, wenn ſich die Perſon mit dem Bewuſtſeyn der Strafbarkeit zu derſelben ſelbſt beſtimmt hat; ſondern auch dann, wenn ſie ſich, ohne die Rechtsverletzung zum Zweck zu haben, zu andern Handlungen beſtimmt hat, aus denen die Verletzung nach Natururſachen erfolgt (§§. 62—64); ſo iſt diejenige ſtrafbar, die zwar in einem Zuſtand der Nichtzurech- nungsfähigkeit das Verbrechen begeht, ſich aber durch eine zurechnungsfähige Uebertre- tung des Geſetzes gegen die Fahrläſſigkeit in den Zuſtand der Nichtzurechnungsfähigkeit verſetzt hat. Mithin fällt bey einem Verbrechen nur dann alle Strafbarkeit hinweg, wenn die Perſon weder die Rechtsverletzung ſelbſt unter den Bedingungen der Imputativität gewollt, noch auch, unter denſelben Bedingungen der Imputativität, ſich zu andern Handlungen oder Unterlaſſungen beſtimmt hat, durch die ſic in den Zuſtand der Nichtzurechnungsfähigkeit verſetzt worden iſt. §. 96.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/102>, abgerufen am 28.03.2024.