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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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Relative Strafb. Milderungsgründe.
kann daher die Grösse der Strafbarkeit einer
von dem Gesetz bedrohten concreten Ueber-
tretung nicht nach allgemeinen Principien,
sondern lediglich durch das Gesetz bestimmt
werden Es kann also nur eine solche Strafe
zuerkannt werden, welche
aus dem bestimm-
ten positiven Gesetze
selbst als nothwen-
dig erkannt wird.

§. 100.

Da ein Gesetz das, was es erklärt, mit Noth-
wendigkeit bestimmt, da das Urtheil des Rich-
ters nicht über dem Urtheil des Gesetzes ist und
die Anwendung eines Gesetzes nicht erst von
der Beurtheilung der Zweckmässigkeit oder
Rechtmässigkeit desselben in concreto abhän-
gen kann, (§. 82.); so zeigt sich die Nothwen-
digkeit: dass die gesetzlich bestimmte Strafe an-
gewendet werde, sobald die in dem Gesetz vor-
ausgesetzten Merkmale des Verbrechens an einer
concreten Handlung existiren -- und kein höhe-
rer rechtlicher Grund zur Anwendung kommt,
welcher die Nothwendigkeit einer Ausnahme be-
gründet.
Denn das Gesetz hat das bestimmte
Uebel, an die bestimmten gesetzlichen Merk-
male der Handlung als nothwendige Folge ge-
knüpft.

§. 101.

Wenn Gründe da sind, bey einem unter
dem bestimmten Strafgesetz enthaltenen Fall
von der gesetzlichen Strafe abzuweichen, so
existirt eine Strafänderung. Diese ist Bestim-
mung einer der Qualität
(der Grösse) nach von
dem gesetzlichen Strafübel verschiedenen Strafe

für

Relative Strafb. Milderungsgründe.
kann daher die Gröſse der Strafbarkeit einer
von dem Geſetz bedrohten concreten Ueber-
tretung nicht nach allgemeinen Principien,
ſondern lediglich durch das Geſetz beſtimmt
werden Es kann alſo nur eine ſolche Strafe
zuerkannt werden, welche
aus dem beſtimm-
ten poſitiven Geſetze
ſelbſt als nothwen-
dig erkannt wird.

§. 100.

Da ein Geſetz das, was es erklärt, mit Noth-
wendigkeit beſtimmt, da das Urtheil des Rich-
ters nicht über dem Urtheil des Geſetzes iſt und
die Anwendung eines Geſetzes nicht erſt von
der Beurtheilung der Zweckmäſsigkeit oder
Rechtmäſsigkeit deſſelben in concreto abhän-
gen kann, (§. 82.); ſo zeigt ſich die Nothwen-
digkeit: daſs die geſetzlich beſtimmte Strafe an-
gewendet werde, ſobald die in dem Geſetz vor-
ausgeſetzten Merkmale des Verbrechens an einer
concreten Handlung exiſtiren — und kein höhe-
rer rechtlicher Grund zur Anwendung kommt,
welcher die Nothwendigkeit einer Ausnahme be-
gründet.
Denn das Geſetz hat das beſtimmte
Uebel, an die beſtimmten geſetzlichen Merk-
male der Handlung als nothwendige Folge ge-
knüpft.

§. 101.

Wenn Gründe da ſind, bey einem unter
dem beſtimmten Strafgeſetz enthaltenen Fall
von der geſetzlichen Strafe abzuweichen, ſo
exiſtirt eine Strafänderung. Dieſe iſt Beſtim-
mung einer der Qualität
(der Gröſse) nach von
dem geſetzlichen Strafübel verſchiedenen Strafe

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[79/0107] Relative Strafb. Milderungsgründe. kann daher die Gröſse der Strafbarkeit einer von dem Geſetz bedrohten concreten Ueber- tretung nicht nach allgemeinen Principien, ſondern lediglich durch das Geſetz beſtimmt werden Es kann alſo nur eine ſolche Strafe zuerkannt werden, welche aus dem beſtimm- ten poſitiven Geſetze ſelbſt als nothwen- dig erkannt wird. §. 100. Da ein Geſetz das, was es erklärt, mit Noth- wendigkeit beſtimmt, da das Urtheil des Rich- ters nicht über dem Urtheil des Geſetzes iſt und die Anwendung eines Geſetzes nicht erſt von der Beurtheilung der Zweckmäſsigkeit oder Rechtmäſsigkeit deſſelben in concreto abhän- gen kann, (§. 82.); ſo zeigt ſich die Nothwen- digkeit: daſs die geſetzlich beſtimmte Strafe an- gewendet werde, ſobald die in dem Geſetz vor- ausgeſetzten Merkmale des Verbrechens an einer concreten Handlung exiſtiren — und kein höhe- rer rechtlicher Grund zur Anwendung kommt, welcher die Nothwendigkeit einer Ausnahme be- gründet. Denn das Geſetz hat das beſtimmte Uebel, an die beſtimmten geſetzlichen Merk- male der Handlung als nothwendige Folge ge- knüpft. §. 101. Wenn Gründe da ſind, bey einem unter dem beſtimmten Strafgeſetz enthaltenen Fall von der geſetzlichen Strafe abzuweichen, ſo exiſtirt eine Strafänderung. Dieſe iſt Beſtim- mung einer der Qualität (der Gröſse) nach von dem geſetzlichen Strafübel verſchiedenen Strafe für

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/107>, abgerufen am 25.04.2024.