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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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Relative Strafb. Milderungsgründe.
ihren allgemeinen Merkmalen), dieser beur-
theilt eine bestimmte concrete Handlung (nach
ihren individuellen Merkmalen). Der Richter
steht also hier auf dem Standpunkte des Gesetz-
gebers selbst und bestimmt der individuellen
Handlung diejenigen Strafe, welche ihr der Ge-
setzgeber, aus den Principien der Strafgesetzge-
bung bestimmt haben müste, wenn er sie einzeln
mit einer bestimmten Strafe bedrohen wollte
.

§. 114.

Die Darstellung der Principien der Straf-
barkeit selbst zerfällt in den absoluten und ange-
wandten Theil
. Jener stellt die höchsten Grün-
de der Strafbarkeit selbst auf, dieser wendet
sie auf besondere Voraussetzungen an.

I. Der absolute Theil der Gründe der
relativen Strafbarkeit
.
§. 115.

Der Rechtsgrund des Daseyns aller bürger-
lichen Strafe ist die Gefahr für den rechtlichen
Zustand im Staat. Die Strafe muss daher der
Gefährlichkeit der Handlung angemessen und
weder grösser noch geringer seyn, als noth-
wendig ist, um die durch die Handlung be-
gründete Gefahr abzuwenden. Je grösser also
die Gefährlichkeit der Handlung für den recht-
lichen Zustand ist, desto grösser ist die Straf-
barkeit
*).


§. 116.
*) Dem möglichen Misverständnis, als wenn unsere
Theorie hier in die Präventionstheorie überginge,
ist begegnet in der Revision Thl. II. S. 440 ff.
Der §. 113. angegebene Gesichtspunkt darf niemals
übersehen werden.

Relative Strafb. Milderungsgründe.
ihren allgemeinen Merkmalen), dieſer beur-
theilt eine beſtimmte concrete Handlung (nach
ihren individuellen Merkmalen). Der Richter
ſteht alſo hier auf dem Standpunkte des Geſetz-
gebers ſelbſt und beſtimmt der individuellen
Handlung diejenigen Strafe, welche ihr der Ge-
ſetzgeber, aus den Principien der Strafgeſetzge-
bung beſtimmt haben müſte, wenn er ſie einzeln
mit einer beſtimmten Strafe bedrohen wollte
.

§. 114.

Die Darſtellung der Principien der Straf-
barkeit ſelbſt zerfällt in den abſoluten und ange-
wandten Theil
. Jener ſtellt die höchſten Grün-
de der Strafbarkeit ſelbſt auf, dieſer wendet
ſie auf beſondere Vorauſſetzungen an.

I. Der abſolute Theil der Gründe der
relativen Strafbarkeit
.
§. 115.

Der Rechtsgrund des Daſeyns aller bürger-
lichen Strafe iſt die Gefahr für den rechtlichen
Zuſtand im Staat. Die Strafe muſs daher der
Gefährlichkeit der Handlung angemeſſen und
weder gröſser noch geringer ſeyn, als noth-
wendig iſt, um die durch die Handlung be-
gründete Gefahr abzuwenden. Je gröſser alſo
die Gefährlichkeit der Handlung für den recht-
lichen Zuſtand iſt, deſto gröſser iſt die Straf-
barkeit
*).


§. 116.
*) Dem möglichen Misverſtändnis, als wenn unſere
Theorie hier in die Präventionstheorie überginge,
iſt begegnet in der Reviſion Thl. II. S. 440 ff.
Der §. 113. angegebene Geſichtspunkt darf niemals
überſehen werden.
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[95/0123] Relative Strafb. Milderungsgründe. ihren allgemeinen Merkmalen), dieſer beur- theilt eine beſtimmte concrete Handlung (nach ihren individuellen Merkmalen). Der Richter ſteht alſo hier auf dem Standpunkte des Geſetz- gebers ſelbſt und beſtimmt der individuellen Handlung diejenigen Strafe, welche ihr der Ge- ſetzgeber, aus den Principien der Strafgeſetzge- bung beſtimmt haben müſte, wenn er ſie einzeln mit einer beſtimmten Strafe bedrohen wollte. §. 114. Die Darſtellung der Principien der Straf- barkeit ſelbſt zerfällt in den abſoluten und ange- wandten Theil. Jener ſtellt die höchſten Grün- de der Strafbarkeit ſelbſt auf, dieſer wendet ſie auf beſondere Vorauſſetzungen an. I. Der abſolute Theil der Gründe der relativen Strafbarkeit. §. 115. Der Rechtsgrund des Daſeyns aller bürger- lichen Strafe iſt die Gefahr für den rechtlichen Zuſtand im Staat. Die Strafe muſs daher der Gefährlichkeit der Handlung angemeſſen und weder gröſser noch geringer ſeyn, als noth- wendig iſt, um die durch die Handlung be- gründete Gefahr abzuwenden. Je gröſser alſo die Gefährlichkeit der Handlung für den recht- lichen Zuſtand iſt, deſto gröſser iſt die Straf- barkeit *). §. 116. *) Dem möglichen Misverſtändnis, als wenn unſere Theorie hier in die Präventionstheorie überginge, iſt begegnet in der Reviſion Thl. II. S. 440 ff. Der §. 113. angegebene Geſichtspunkt darf niemals überſehen werden.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/123>, abgerufen am 23.04.2024.