Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abschnitt.
stab (§. 119.) durch folgende Ordnung bestimmt
I. Ursprüngliche Rechte. 1) Eine Handlung, die
auf Verletzung des Rechts auf Daseyn gerich-
tet ist, hat den höchsten Grad der Strafbarkeit.
Denn dieses Recht ist unersetzlich und die Be-
dingung aller andern Rechte. 2) Durch Ver-
letzung der Integrität werden Bedingungen
zur Wirksamkeit für einen bestimmten Theil
der Freyheitssphäre auf immer, oder doch auf
eine gewisse Zeit lang, aufgehoben und diese
Verletzung ist mit der Gefahr des Verlusts des
Daseyns selbst verbunden, auch ist sie an sich un-
ersetzlich *); sie hat daher den zweyten Grad
der Strafbarkeit.

§. 123.

3) Blosse Störung der Thätigkeitsäusserung
eines Subjects ist zwar an sich ebenfalls uner-
setzlich, beschränkt aber die Freyheit blos
vorübergehend in Rücksicht bestimmter ein-
zelner Handlungen, daher hat sie den dritten
Grad der Strafbarkeit. 4) Ehrenverletzung ist,
weil sie ein unschätzbares Object hat, uner-
sezlich, beschränkt aber unmittelbar die Frey-
heit selbst nicht. Weil aber Ehrenverletzung
leicht zur Verletzung aller übrigen Rechte
führt, so steht sie im vierten Grad und geht der
Verletzung erworbener Rechte vor. II. Er-
worbene Rechte
sind im niedrigsten Grade straf-
bar, ihre Verletzung enthält keine unersetz-
liche Rechtsverletzung und die Freyheit wird

blos
*) Für keine persönliche Verletzung nemlich, ist ein
eigentliches Aequivalent denkbar.

I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
ſtab (§. 119.) durch folgende Ordnung beſtimmt
I. Urſprüngliche Rechte. 1) Eine Handlung, die
auf Verletzung des Rechts auf Daſeyn gerich-
tet iſt, hat den höchſten Grad der Strafbarkeit.
Denn dieſes Recht iſt unerſetzlich und die Be-
dingung aller andern Rechte. 2) Durch Ver-
letzung der Integrität werden Bedingungen
zur Wirkſamkeit für einen beſtimmten Theil
der Freyheitsſphäre auf immer, oder doch auf
eine gewiſſe Zeit lang, aufgehoben und dieſe
Verletzung iſt mit der Gefahr des Verluſts des
Daſeyns ſelbſt verbunden, auch iſt ſie an ſich un-
erſetzlich *); ſie hat daher den zweyten Grad
der Strafbarkeit.

§. 123.

3) Bloſse Störung der Thätigkeitsäuſſerung
eines Subjects iſt zwar an ſich ebenfalls uner-
ſetzlich, beſchränkt aber die Freyheit blos
vorübergehend in Rückſicht beſtimmter ein-
zelner Handlungen, daher hat ſie den dritten
Grad der Strafbarkeit. 4) Ehrenverletzung iſt,
weil ſie ein unſchätzbares Object hat, uner-
ſezlich, beſchränkt aber unmittelbar die Frey-
heit ſelbſt nicht. Weil aber Ehrenverletzung
leicht zur Verletzung aller übrigen Rechte
führt, ſo ſteht ſie im vierten Grad und geht der
Verletzung erworbener Rechte vor. II. Er-
worbene Rechte
ſind im niedrigſten Grade ſtraf-
bar, ihre Verletzung enthält keine unerſetz-
liche Rechtsverletzung und die Freyheit wird

blos
*) Für keine perſönliche Verletzung nemlich, iſt ein
eigentliches Aequivalent denkbar.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <div n="10">
                          <div n="11">
                            <p><pb facs="#f0128" n="100"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
&#x017F;tab (§. 119.) durch folgende Ordnung be&#x017F;timmt<lb/>
I. <hi rendition="#i">Ur&#x017F;prüngliche Rechte</hi>. 1) Eine Handlung, die<lb/>
auf Verletzung des Rechts auf <hi rendition="#i">Da&#x017F;eyn</hi> gerich-<lb/>
tet i&#x017F;t, hat den <hi rendition="#i">höch&#x017F;ten</hi> Grad der Strafbarkeit.<lb/>
Denn die&#x017F;es Recht i&#x017F;t uner&#x017F;etzlich und die Be-<lb/>
dingung aller andern Rechte. 2) Durch Ver-<lb/>
letzung der Integrität werden Bedingungen<lb/>
zur Wirk&#x017F;amkeit für einen be&#x017F;timmten Theil<lb/>
der Freyheits&#x017F;phäre auf immer, oder doch auf<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Zeit lang, aufgehoben und die&#x017F;e<lb/>
Verletzung i&#x017F;t mit der Gefahr des Verlu&#x017F;ts des<lb/>
Da&#x017F;eyns &#x017F;elb&#x017F;t verbunden, auch i&#x017F;t &#x017F;ie an &#x017F;ich un-<lb/>
er&#x017F;etzlich <note place="foot" n="*)">Für keine per&#x017F;önliche Verletzung nemlich, i&#x017F;t ein<lb/>
eigentliches <hi rendition="#i">Aequivalent</hi> denkbar.</note>; &#x017F;ie hat daher den <hi rendition="#i">zweyten</hi> Grad<lb/>
der Strafbarkeit.</p>
                          </div><lb/>
                          <div n="11">
                            <head>§. 123.</head><lb/>
                            <p>3) Blo&#x017F;se Störung der Thätigkeitsäu&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
eines Subjects i&#x017F;t zwar an &#x017F;ich ebenfalls uner-<lb/>
&#x017F;etzlich, be&#x017F;chränkt aber die Freyheit blos<lb/>
vorübergehend in Rück&#x017F;icht be&#x017F;timmter ein-<lb/>
zelner Handlungen, daher hat &#x017F;ie den <hi rendition="#i">dritten</hi><lb/>
Grad der Strafbarkeit. 4) <hi rendition="#i">Ehrenverletzung</hi> i&#x017F;t,<lb/>
weil &#x017F;ie ein un&#x017F;chätzbares Object hat, uner-<lb/>
&#x017F;ezlich, be&#x017F;chränkt aber unmittelbar die Frey-<lb/>
heit &#x017F;elb&#x017F;t nicht. Weil aber Ehrenverletzung<lb/>
leicht zur Verletzung aller übrigen Rechte<lb/><hi rendition="#i">führt</hi>, &#x017F;o &#x017F;teht &#x017F;ie im <hi rendition="#i">vierten</hi> Grad und geht der<lb/>
Verletzung erworbener Rechte vor. II. <hi rendition="#i">Er-<lb/>
worbene Rechte</hi> &#x017F;ind im niedrig&#x017F;ten Grade &#x017F;traf-<lb/>
bar, ihre Verletzung enthält keine uner&#x017F;etz-<lb/>
liche Rechtsverletzung und die Freyheit wird<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">blos</fw><lb/></p>
                          </div>
                        </div>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0128] I. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. ſtab (§. 119.) durch folgende Ordnung beſtimmt I. Urſprüngliche Rechte. 1) Eine Handlung, die auf Verletzung des Rechts auf Daſeyn gerich- tet iſt, hat den höchſten Grad der Strafbarkeit. Denn dieſes Recht iſt unerſetzlich und die Be- dingung aller andern Rechte. 2) Durch Ver- letzung der Integrität werden Bedingungen zur Wirkſamkeit für einen beſtimmten Theil der Freyheitsſphäre auf immer, oder doch auf eine gewiſſe Zeit lang, aufgehoben und dieſe Verletzung iſt mit der Gefahr des Verluſts des Daſeyns ſelbſt verbunden, auch iſt ſie an ſich un- erſetzlich *); ſie hat daher den zweyten Grad der Strafbarkeit. §. 123. 3) Bloſse Störung der Thätigkeitsäuſſerung eines Subjects iſt zwar an ſich ebenfalls uner- ſetzlich, beſchränkt aber die Freyheit blos vorübergehend in Rückſicht beſtimmter ein- zelner Handlungen, daher hat ſie den dritten Grad der Strafbarkeit. 4) Ehrenverletzung iſt, weil ſie ein unſchätzbares Object hat, uner- ſezlich, beſchränkt aber unmittelbar die Frey- heit ſelbſt nicht. Weil aber Ehrenverletzung leicht zur Verletzung aller übrigen Rechte führt, ſo ſteht ſie im vierten Grad und geht der Verletzung erworbener Rechte vor. II. Er- worbene Rechte ſind im niedrigſten Grade ſtraf- bar, ihre Verletzung enthält keine unerſetz- liche Rechtsverletzung und die Freyheit wird blos *) Für keine perſönliche Verletzung nemlich, iſt ein eigentliches Aequivalent denkbar.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/128
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/128>, abgerufen am 29.03.2024.