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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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Verbrechen der Tödung überhaupt.
so ist die That nach den Grundsätzen blosser
Körperverletzungen, und der versuchten Tö-
dung zu bestrafen *).

§. 243.

Für den nothwendigen Causalzusammen-
hang der Verletzung mit dem erfolgten Tode,
braucht keine mathematische, selbst die Mög-
lichkeit
des Gegentheils ausschliessende, Ge-
wissheit vothanden zu seyn. Eine Verletzung
ist für absoluttödlich im juridischen Sinne zu
halten, sobald nur keine bestimmten Ursachen
sich zeigen, welche entweder die zufällige
Tödlichkeit wirklich beweisen, oder doch einen
gegründeten Zweifel an der absoluten Tödlich-
keit zulassen. Im letztern Fall würde zwar
der Begriff der Tödung nicht ausgeschlossen,
aber doch, wegen einer Ungewissheit des
Thatbestandes, keine ordentliche Strafe anzu-
wenden seyn.



§. 244.
fin. Bey doloser Tödung ist dies nicht nothwen-
dig, es sind dann alle Requisite vorhanden. --
Der rechtswidrige Effect, eine Handlung der Per-
son, die nothwendige Ursache desselben ist, und eine
auf diesen Effec gerichtete Absicht. Dass der Ver-
brecher die Mittelursachen kenne, durch welche
seine Handlung die gesetzwidrige Wirkung bervor-
bringt, fodert weder Gesetz noch Natur der Sache.
Aber bey Bestimmung der Strafe culposer Tödungen
hängt viel davon ab. Die Culpa kann unter der
bestimmten Voraussetzung durch diese Kenntniss culpa
lata
seyn, während sie ohne dieselbe Art culpa levis
seyn würde.
*) Ist der Verbrecher selbst absichtliche Ursa he je-
ner hinzutre enden Umstände, dann ist er vollkom-
men des Verbrechens schuldig.

Verbrechen der Tödung überhaupt.
ſo iſt die That nach den Grundſätzen bloſser
Körperverletzungen, und der verſuchten Tö-
dung zu beſtrafen *).

§. 243.

Für den nothwendigen Cauſalzuſammen-
hang der Verletzung mit dem erfolgten Tode,
braucht keine mathematiſche, ſelbſt die Mög-
lichkeit
des Gegentheils ausſchlieſsende, Ge-
wiſsheit vothanden zu ſeyn. Eine Verletzung
iſt für abſoluttödlich im juridiſchen Sinne zu
halten, ſobald nur keine beſtimmten Urſachen
ſich zeigen, welche entweder die zufällige
Tödlichkeit wirklich beweiſen, oder doch einen
gegründeten Zweifel an der abſoluten Tödlich-
keit zulaſſen. Im letztern Fall würde zwar
der Begriff der Tödung nicht ausgeſchloſsen,
aber doch, wegen einer Ungewiſsheit des
Thatbeſtandes, keine ordentliche Strafe anzu-
wenden ſeyn.



§. 244.
fin. Bey doloſer Tödung iſt dies nicht nothwen-
dig, es ſind dann alle Requiſite vorhanden. —
Der rechtswidrige Effect, eine Handlung der Per-
ſon, die nothwendige Urſache deſſelben iſt, und eine
auf dieſen Effec gerichtete Abſicht. Daſs der Ver-
brecher die Mittelurſachen kenne, durch welche
ſeine Handlung die geſetzwidrige Wirkung bervor-
bringt, fodert weder Geſetz noch Natur der Sache.
Aber bey Beſtimmung der Strafe culpoſer Tödungen
hängt viel davon ab. Die Culpa kann unter der
beſtimmten Vorausſetzung durch dieſe Kenntniſs culpa
lata
ſeyn, während ſie ohne dieſelbe Art culpa levis
ſeyn würde.
*) Iſt der Verbrecher ſelbſt abſichtliche Urſa he je-
ner hinzutre enden Umſtände, dann iſt er vollkom-
men des Verbrechens ſchuldig.
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[191/0219] Verbrechen der Tödung überhaupt. ſo iſt die That nach den Grundſätzen bloſser Körperverletzungen, und der verſuchten Tö- dung zu beſtrafen *). §. 243. Für den nothwendigen Cauſalzuſammen- hang der Verletzung mit dem erfolgten Tode, braucht keine mathematiſche, ſelbſt die Mög- lichkeit des Gegentheils ausſchlieſsende, Ge- wiſsheit vothanden zu ſeyn. Eine Verletzung iſt für abſoluttödlich im juridiſchen Sinne zu halten, ſobald nur keine beſtimmten Urſachen ſich zeigen, welche entweder die zufällige Tödlichkeit wirklich beweiſen, oder doch einen gegründeten Zweifel an der abſoluten Tödlich- keit zulaſſen. Im letztern Fall würde zwar der Begriff der Tödung nicht ausgeſchloſsen, aber doch, wegen einer Ungewiſsheit des Thatbeſtandes, keine ordentliche Strafe anzu- wenden ſeyn. §. 244. *) *) Iſt der Verbrecher ſelbſt abſichtliche Urſa he je- ner hinzutre enden Umſtände, dann iſt er vollkom- men des Verbrechens ſchuldig. *) fin. Bey doloſer Tödung iſt dies nicht nothwen- dig, es ſind dann alle Requiſite vorhanden. — Der rechtswidrige Effect, eine Handlung der Per- ſon, die nothwendige Urſache deſſelben iſt, und eine auf dieſen Effec gerichtete Abſicht. Daſs der Ver- brecher die Mittelurſachen kenne, durch welche ſeine Handlung die geſetzwidrige Wirkung bervor- bringt, fodert weder Geſetz noch Natur der Sache. Aber bey Beſtimmung der Strafe culpoſer Tödungen hängt viel davon ab. Die Culpa kann unter der beſtimmten Vorausſetzung durch dieſe Kenntniſs culpa lata ſeyn, während ſie ohne dieſelbe Art culpa levis ſeyn würde.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/219>, abgerufen am 24.04.2024.