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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abschnitt.
§. 289.

Da bey uns kein Sklavenstand ist, so än-
dert sich auch der Begriff des Verbrechens.
Es kann das Plagium bey uns blos an Freyen
begangen werden und besteht darin, wenn man
einen Menschen rechtswidrig in seinen
(physischen)
Besitz bringt und es sich dadurch möglich macht,
ihn als Sache nach fremden Zwecken zu behan-
deln. Man occupirt den Körper desselben als
eine Sache und macht sich durch diesen Besitz
die volle Disposition über denselben möglich.
Indem man den Körper occupirt, occupirt man
die Person selbst.

§. 290.

Dieses Verbrechen kann sowohl begangen
werden 1) an Personen, die unter niemands
Gewalt stehen, als auch 2) an solchen, die der
rechtmässigen Gewalt eines andern unterwor-
fen sind. Keine bestimmte Absicht als noth-
wendiges Merkmal des Verbrechens wird ge-
setzlich erfodert. Nur darf nicht Befriedigung
des Geschlechtstriebs die Absicht seyn. Uebri-
gens kann die Besitzergreifung des Menschen
geschehen sowohl 1) um ihn in den Zustand
der absoluten Rechtlosigkeit (der Sklaverey)
zu versetzen *), als auch 2) zu andern Zwecken,
selbst wenn sie an sich nicht gesetzwidrig sind.
Sobald der Verbrecher den Menschen seiner
Gewalt unterworfen hat, so ist das Verbrechen
consumirt.


§. 290.
*) Man denke an die Seelenverkauferey nach America.
II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt.
§. 289.

Da bey uns kein Sklavenſtand iſt, ſo än-
dert ſich auch der Begriff des Verbrechens.
Es kann das Plagium bey uns blos an Freyen
begangen werden und beſteht darin, wenn man
einen Menſchen rechtswidrig in ſeinen
(phyſiſchen)
Beſitz bringt und es ſich dadurch möglich macht,
ihn als Sache nach fremden Zwecken zu behan-
deln. Man occupirt den Körper deſſelben als
eine Sache und macht ſich durch dieſen Beſitz
die volle Dispoſition über denſelben möglich.
Indem man den Körper occupirt, occupirt man
die Perſon ſelbſt.

§. 290.

Dieſes Verbrechen kann ſowohl begangen
werden 1) an Perſonen, die unter niemands
Gewalt ſtehen, als auch 2) an ſolchen, die der
rechtmäſsigen Gewalt eines andern unterwor-
fen ſind. Keine beſtimmte Abſicht als noth-
wendiges Merkmal des Verbrechens wird ge-
ſetzlich erfodert. Nur darf nicht Befriedigung
des Geſchlechtstriebs die Abſicht ſeyn. Uebri-
gens kann die Beſitzergreifung des Menſchen
geſchehen ſowohl 1) um ihn in den Zuſtand
der abſoluten Rechtloſigkeit (der Sklaverey)
zu verſetzen *), als auch 2) zu andern Zwecken,
ſelbſt wenn ſie an ſich nicht geſetzwidrig ſind.
Sobald der Verbrecher den Menſchen ſeiner
Gewalt unterworfen hat, ſo iſt das Verbrechen
conſumirt.


§. 290.
*) Man denke an die Seelenverkauferey nach America.
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[224/0252] II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt. §. 289. Da bey uns kein Sklavenſtand iſt, ſo än- dert ſich auch der Begriff des Verbrechens. Es kann das Plagium bey uns blos an Freyen begangen werden und beſteht darin, wenn man einen Menſchen rechtswidrig in ſeinen (phyſiſchen) Beſitz bringt und es ſich dadurch möglich macht, ihn als Sache nach fremden Zwecken zu behan- deln. Man occupirt den Körper deſſelben als eine Sache und macht ſich durch dieſen Beſitz die volle Dispoſition über denſelben möglich. Indem man den Körper occupirt, occupirt man die Perſon ſelbſt. §. 290. Dieſes Verbrechen kann ſowohl begangen werden 1) an Perſonen, die unter niemands Gewalt ſtehen, als auch 2) an ſolchen, die der rechtmäſsigen Gewalt eines andern unterwor- fen ſind. Keine beſtimmte Abſicht als noth- wendiges Merkmal des Verbrechens wird ge- ſetzlich erfodert. Nur darf nicht Befriedigung des Geſchlechtstriebs die Abſicht ſeyn. Uebri- gens kann die Beſitzergreifung des Menſchen geſchehen ſowohl 1) um ihn in den Zuſtand der abſoluten Rechtloſigkeit (der Sklaverey) zu verſetzen *), als auch 2) zu andern Zwecken, ſelbſt wenn ſie an ſich nicht geſetzwidrig ſind. Sobald der Verbrecher den Menſchen ſeiner Gewalt unterworfen hat, ſo iſt das Verbrechen conſumirt. §. 290. *) Man denke an die Seelenverkauferey nach America.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/252>, abgerufen am 19.04.2024.