Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abschnitt.
§. 355.

I. Der Gegenstand der Entwendung ist
eine fremde Sache. An einer gemeinschaftli-
chen Sache, in Ansehung des fremden An-
theils ist ebenfalls Entwendung möglich *).
Die fremde Sache selbst kann seyn 1) eine un-
körperliche
Sache und zwar insbesondere ein
Recht. Entziehe ich a) dem Andern das Besitz-
recht
an meiner eignen Sache, so begehe ich
eine Besitz - Entwendung (furtum possessionis)
wenn sich nur das Recht zum Besitz auf ein

ding-
usus possessionis, quod lege naturali prohibitum est, admit-
tere.
L. 52. §. 19. D. de furtis. Wenn das, was
die Gesetze von furtum sagen, hier auf Entwendung
überhaupt gezogen wird; so ist dies der Theorie
wegen nothwendig, und au h den Gesetzen nicht
zuwider. Unter furtum versteht man jede Ent-
wendung mit Ausschluss des Raubes; dieser ist aber
gle chwohl eine Art der Entwendung und muss also
ausser seinen besondern Merkmahlen, auch alle Gat-
tungsmerkmale der Entwendung überhaupt haben.
Die Gesetze selbst begreifen unter dem Diebstahl
den Raub und nennen den Räuber blos furem im-
probiorem.
L 14. §. 12 D. quod met. caus. Es ist
also gar nicht gese zwidrig, zum Behuf einer all-
gemeinen (die Theorie aller einzelnen Arten erleich-
ternden) Theorie der Entwendung überhaupt, sich
auf Gesetze von dem furtum zu berufen.
*) L. 45. D. de furtis. Die meisten Rechtslehrer, und
unter diesen auch Franciscus de Amaya Obs.
jur.
L. 2. c. 9. nehmen aus diesem Gesetz und aus
den Stellen über das furtum possessionis an, dass den
Römern auch ein furtum in rem propriam nicht un-
bekannt gewesen sey: dies widerlegt sich aus der
Ansicht, die in diesem §. gegeben ist. Die Worte
Tri-
II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 355.

I. Der Gegenſtand der Entwendung iſt
eine fremde Sache. An einer gemeinſchaftli-
chen Sache, in Anſehung des fremden An-
theils iſt ebenfalls Entwendung möglich *).
Die fremde Sache ſelbſt kann ſeyn 1) eine un-
körperliche
Sache und zwar insbeſondere ein
Recht. Entziehe ich a) dem Andern das Beſitz-
recht
an meiner eignen Sache, ſo begehe ich
eine Beſitz ‒ Entwendung (furtum poſſeſſionis)
wenn ſich nur das Recht zum Beſitz auf ein

ding-
uſus poſſeſſionis, quod lege naturali prohibitum eſt, admit-
tere.
L. 52. §. 19. D. de furtis. Wenn das, was
die Geſetze von furtum ſagen, hier auf Entwendung
überhaupt gezogen wird; ſo iſt dies der Theorie
wegen nothwendig, und au h den Geſetzen nicht
zuwider. Unter furtum verſteht man jede Ent-
wendung mit Ausſchluſs des Raubes; dieſer iſt aber
gle chwohl eine Art der Entwendung und muſs alſo
auſſer ſeinen beſondern Merkmahlen, auch alle Gat-
tungsmerkmale der Entwendung überhaupt haben.
Die Geſetze ſelbſt begreifen unter dem Diebſtahl
den Raub und nennen den Räuber blos furem im-
probiorem.
L 14. §. 12 D. quod met. cauſ. Es iſt
alſo gar nicht geſe zwidrig, zum Behuf einer all-
gemeinen (die Theorie aller einzelnen Arten erleich-
ternden) Theorie der Entwendung überhaupt, ſich
auf Geſetze von dem furtum zu berufen.
*) L. 45. D. de furtis. Die meiſten Rechtslehrer, und
unter dieſen auch Franciscus de Amaya Obſ.
jur.
L. 2. c. 9. nehmen aus dieſem Geſetz und aus
den Stellen über das furtum poſſeſſionis an, daſs den
Römern auch ein furtum in rem propriam nicht un-
bekannt geweſen ſey: dies widerlegt ſich aus der
Anſicht, die in dieſem §. gegeben iſt. Die Worte
Tri-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <pb facs="#f0302" n="274"/>
                      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Ab&#x017F;chnitt.</hi> </fw><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 355.</head><lb/>
                        <p>I. Der <hi rendition="#i">Gegen&#x017F;tand</hi> der Entwendung i&#x017F;t<lb/>
eine <hi rendition="#i">fremde</hi> Sache. An einer gemein&#x017F;chaftli-<lb/>
chen Sache, in An&#x017F;ehung des fremden An-<lb/>
theils i&#x017F;t ebenfalls Entwendung möglich <note xml:id="note-0302a" next="#note-0303" place="foot" n="*)">L. 45. D. <hi rendition="#i">de furtis.</hi> Die mei&#x017F;ten Rechtslehrer, und<lb/>
unter die&#x017F;en auch <hi rendition="#g">Franciscus</hi> <hi rendition="#i">de</hi> <hi rendition="#g">Amaya</hi> <hi rendition="#i">Ob&#x017F;.<lb/>
jur.</hi> L. 2. c. 9. nehmen aus die&#x017F;em Ge&#x017F;etz und aus<lb/>
den Stellen über das <hi rendition="#i">furtum po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ionis</hi> an, da&#x017F;s den<lb/>
Römern auch ein <hi rendition="#i">furtum in rem propriam</hi> nicht un-<lb/>
bekannt gewe&#x017F;en &#x017F;ey: dies widerlegt &#x017F;ich aus der<lb/>
An&#x017F;icht, die in die&#x017F;em §. gegeben i&#x017F;t. Die Worte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">Tri-</hi></fw></note>.<lb/>
Die fremde Sache &#x017F;elb&#x017F;t kann &#x017F;eyn 1) eine <hi rendition="#i">un-<lb/>
körperliche</hi> Sache und zwar insbe&#x017F;ondere ein<lb/><hi rendition="#i">Recht</hi>. Entziehe ich a) dem Andern das <hi rendition="#i">Be&#x017F;itz-<lb/>
recht</hi> an meiner eignen Sache, &#x017F;o begehe ich<lb/>
eine <hi rendition="#i">Be&#x017F;itz &#x2012; Entwendung (furtum po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ionis)</hi><lb/>
wenn &#x017F;ich nur das Recht zum Be&#x017F;itz auf ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#i">ding-</hi></fw><lb/><note xml:id="note-0302" prev="#note-0301" place="foot" n="*)"><hi rendition="#i">u&#x017F;us po&#x017F;&#x017F;e&#x017F;&#x017F;ionis, quod lege naturali prohibitum e&#x017F;t, admit-<lb/>
tere.</hi> L. 52. §. 19. <hi rendition="#i">D. de furtis.</hi> Wenn das, was<lb/>
die Ge&#x017F;etze von <hi rendition="#i">furtum</hi> &#x017F;agen, hier auf Entwendung<lb/>
überhaupt gezogen wird; &#x017F;o i&#x017F;t dies der Theorie<lb/>
wegen nothwendig, und au h den Ge&#x017F;etzen nicht<lb/>
zuwider. Unter <hi rendition="#i">furtum</hi> ver&#x017F;teht man jede Ent-<lb/>
wendung mit Aus&#x017F;chlu&#x017F;s des Raubes; die&#x017F;er i&#x017F;t aber<lb/>
gle chwohl eine Art der Entwendung und mu&#x017F;s al&#x017F;o<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;einen be&#x017F;ondern Merkmahlen, auch alle Gat-<lb/>
tungsmerkmale der Entwendung überhaupt haben.<lb/>
Die Ge&#x017F;etze &#x017F;elb&#x017F;t begreifen unter dem Dieb&#x017F;tahl<lb/>
den Raub und nennen den Räuber blos <hi rendition="#i">furem im-<lb/>
probiorem.</hi> L 14. §. 12 D. <hi rendition="#i">quod met. cau&#x017F;.</hi> Es i&#x017F;t<lb/>
al&#x017F;o gar nicht ge&#x017F;e zwidrig, zum Behuf einer all-<lb/>
gemeinen (die Theorie aller einzelnen Arten erleich-<lb/>
ternden) Theorie der Entwendung überhaupt, &#x017F;ich<lb/>
auf Ge&#x017F;etze von dem <hi rendition="#i">furtum</hi> zu berufen.</note><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0302] II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. §. 355. I. Der Gegenſtand der Entwendung iſt eine fremde Sache. An einer gemeinſchaftli- chen Sache, in Anſehung des fremden An- theils iſt ebenfalls Entwendung möglich *). Die fremde Sache ſelbſt kann ſeyn 1) eine un- körperliche Sache und zwar insbeſondere ein Recht. Entziehe ich a) dem Andern das Beſitz- recht an meiner eignen Sache, ſo begehe ich eine Beſitz ‒ Entwendung (furtum poſſeſſionis) wenn ſich nur das Recht zum Beſitz auf ein ding- *) *) L. 45. D. de furtis. Die meiſten Rechtslehrer, und unter dieſen auch Franciscus de Amaya Obſ. jur. L. 2. c. 9. nehmen aus dieſem Geſetz und aus den Stellen über das furtum poſſeſſionis an, daſs den Römern auch ein furtum in rem propriam nicht un- bekannt geweſen ſey: dies widerlegt ſich aus der Anſicht, die in dieſem §. gegeben iſt. Die Worte Tri- *) uſus poſſeſſionis, quod lege naturali prohibitum eſt, admit- tere. L. 52. §. 19. D. de furtis. Wenn das, was die Geſetze von furtum ſagen, hier auf Entwendung überhaupt gezogen wird; ſo iſt dies der Theorie wegen nothwendig, und au h den Geſetzen nicht zuwider. Unter furtum verſteht man jede Ent- wendung mit Ausſchluſs des Raubes; dieſer iſt aber gle chwohl eine Art der Entwendung und muſs alſo auſſer ſeinen beſondern Merkmahlen, auch alle Gat- tungsmerkmale der Entwendung überhaupt haben. Die Geſetze ſelbſt begreifen unter dem Diebſtahl den Raub und nennen den Räuber blos furem im- probiorem. L 14. §. 12 D. quod met. cauſ. Es iſt alſo gar nicht geſe zwidrig, zum Behuf einer all- gemeinen (die Theorie aller einzelnen Arten erleich- ternden) Theorie der Entwendung überhaupt, ſich auf Geſetze von dem furtum zu berufen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/302
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/302>, abgerufen am 19.04.2024.