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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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II. Buch. I. Theil. I. Titel. 1. Abschnitt.
er aufhören würde, als Staat überhaupt, oder als
dieser bestimmte Staat zu existiren, ein ursprüng-
liches und nothwendiges Recht. Wer es ver-
letzt, ist Feind des Staats; ein Unterthan, welcher
es verletzt, ist der gröste Verbrecher und wird
Hochverräther (perduellis) genannt *). Hoch-
verrath
(perduellio ist die von einem Staats-
unterthan unternommene oder dolos vollendete
Aufhebung der dem Daseyn des Staats, dem
er unterworfen ist, nothwendigen Einrichtungen
und Eigenschaften
**). Der Hochverräther ist
weit gefährlicher und beleidigt mehr, als der
äussere Feind des Staats. Durch seine Beleidi-
gung, welche auf Unsicherheit aller Rechte
aller Bürger hinwirkt und durch welche er Alle
beleidigt, bricht er den Grundvertrag zwischen
ihm und dem Staat und strebt eine Gesellschaft
zu zernichten, ohne die kein rechtlicher Zu-

stand
*) Mündlich von dem crimen Majestatis des Röm. Rechts,
welches den Hochverrath und die Majestätsverletzung
als Arten unter sich begreift. Vergl. §. 3. J. de
publ. jud.
**) L. 11. D. ad L. Jul. Majest. "perduellionis reus est,
bostili animo adversus rempublicam velprincipem animatus"

in Vergleichung mit L. 21. u. 24. D. de captivis et
postliminio.
-- cf. Feuerbach Hochverrath S. 20
ff. Dass der Verfasser den ehemals angegebenen Be-
griff von Hochverrath verändert und vor einigen
Misdeutungen gesichert hat, wird der Aufmerksame
wahrnehmen. Im Wesentlichen ist er mit dem vori-
gen derselbe, aber, wie es scheint, klärer und un-
abhängiger von Theorien des allgemeinen Staats-
rechts. So weicht der Vf. auch in der Darstellung
der einzelnen Arten des Hochverraths von sich
selbst ab.

II. Buch. I. Theil. I. Titel. 1. Abſchnitt.
er aufhören würde, als Staat überhaupt, oder als
dieſer beſtimmte Staat zu exiſtiren, ein urſprüng-
liches und nothwendiges Recht. Wer es ver-
letzt, iſt Feind des Staats; ein Unterthan, welcher
es verletzt, iſt der gröſte Verbrecher und wird
Hochverräther (perduellis) genannt *). Hoch-
verrath
(perduellio iſt die von einem Staats-
unterthan unternommene oder dolos vollendete
Aufhebung der dem Daſeyn des Staats, dem
er unterworfen iſt, nothwendigen Einrichtungen
und Eigenſchaften
**). Der Hochverräther iſt
weit gefährlicher und beleidigt mehr, als der
äuſſere Feind des Staats. Durch ſeine Beleidi-
gung, welche auf Unſicherheit aller Rechte
aller Bürger hinwirkt und durch welche er Alle
beleidigt, bricht er den Grundvertrag zwiſchen
ihm und dem Staat und ſtrebt eine Geſellſchaft
zu zernichten, ohne die kein rechtlicher Zu-

ſtand
*) Mündlich von dem crimen Majeſtatis des Röm. Rechts,
welches den Hochverrath und die Majeſtätsverletzung
als Arten unter ſich begreift. Vergl. §. 3. J. de
publ. jud.
**) L. 11. D. ad L. Jul. Majeſt. „perduellionis reus eſt,
boſtili animo adverſus rempublicam velprincipem animatus“

in Vergleichung mit L. 21. u. 24. D. de captivis et
poſtliminio.
— cf. Feuerbach Hochverrath S. 20
ff. Daſs der Verfaſſer den ehemals angegebenen Be-
griff von Hochverrath verändert und vor einigen
Misdeutungen geſichert hat, wird der Aufmerkſame
wahrnehmen. Im Weſentlichen iſt er mit dem vori-
gen derſelbe, aber, wie es ſcheint, klärer und un-
abhängiger von Theorien des allgemeinen Staats-
rechts. So weicht der Vf. auch in der Darſtellung
der einzelnen Arten des Hochverraths von ſich
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[148/0176] II. Buch. I. Theil. I. Titel. 1. Abſchnitt. er aufhören würde, als Staat überhaupt, oder als dieſer beſtimmte Staat zu exiſtiren, ein urſprüng- liches und nothwendiges Recht. Wer es ver- letzt, iſt Feind des Staats; ein Unterthan, welcher es verletzt, iſt der gröſte Verbrecher und wird Hochverräther (perduellis) genannt *). Hoch- verrath (perduellio iſt die von einem Staats- unterthan unternommene oder dolos vollendete Aufhebung der dem Daſeyn des Staats, dem er unterworfen iſt, nothwendigen Einrichtungen und Eigenſchaften **). Der Hochverräther iſt weit gefährlicher und beleidigt mehr, als der äuſſere Feind des Staats. Durch ſeine Beleidi- gung, welche auf Unſicherheit aller Rechte aller Bürger hinwirkt und durch welche er Alle beleidigt, bricht er den Grundvertrag zwiſchen ihm und dem Staat und ſtrebt eine Geſellſchaft zu zernichten, ohne die kein rechtlicher Zu- ſtand *) Mündlich von dem crimen Majeſtatis des Röm. Rechts, welches den Hochverrath und die Majeſtätsverletzung als Arten unter ſich begreift. Vergl. §. 3. J. de publ. jud. **) L. 11. D. ad L. Jul. Majeſt. „perduellionis reus eſt, boſtili animo adverſus rempublicam velprincipem animatus“ in Vergleichung mit L. 21. u. 24. D. de captivis et poſtliminio. — cf. Feuerbach Hochverrath S. 20 ff. Daſs der Verfaſſer den ehemals angegebenen Be- griff von Hochverrath verändert und vor einigen Misdeutungen geſichert hat, wird der Aufmerkſame wahrnehmen. Im Weſentlichen iſt er mit dem vori- gen derſelbe, aber, wie es ſcheint, klärer und un- abhängiger von Theorien des allgemeinen Staats- rechts. So weicht der Vf. auch in der Darſtellung der einzelnen Arten des Hochverraths von ſich ſelbſt ab.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/176>, abgerufen am 24.04.2024.