Da bey uns kein Sklavenstand ist, so än- dert sich auch der Begriff des Verbrechens. Es kann das Plagium bey uns blos an Freyen begangen werden und besteht darin, wenn man einen Menschen rechtswidrig in seinen (physischen) Besitz bringt und es sich dadurch möglich macht, ihn als Sache nach fremden Zwecken zu behan- deln. Man occupirt den Körper desselben als eine Sache und macht sich durch diesen Besitz die volle Disposition über denselben möglich. Indem man den Körper occupirt, occupirt man die Person selbst.
§. 290.
Dieses Verbrechen kann sowohl begangen werden 1) an Personen, die unter niemands Gewalt stehen, als auch 2) an solchen, die der rechtmässigen Gewalt eines andern unterwor- fen sind. Keine bestimmte Absicht als noth- wendiges Merkmal des Verbrechens wird ge- setzlich erfodert. Nur darf nicht Befriedigung des Geschlechtstriebs die Absicht seyn. Uebri- gens kann die Besitzergreifung des Menschen geschehen sowohl 1) um ihn in den Zustand der absoluten Rechtlosigkeit (der Sklaverey) zu versetzen *), als auch 2) zu andern Zwecken, selbst wenn sie an sich nicht gesetzwidrig sind. Sobald der Verbrecher den Menschen seiner Gewalt unterworfen hat, so ist das Verbrechen consumirt.
§. 290.
*) Man denke an die Seelenverkauferey nach America.
II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt.
§. 289.
Da bey uns kein Sklavenſtand iſt, ſo än- dert ſich auch der Begriff des Verbrechens. Es kann das Plagium bey uns blos an Freyen begangen werden und beſteht darin, wenn man einen Menſchen rechtswidrig in ſeinen (phyſiſchen) Beſitz bringt und es ſich dadurch möglich macht, ihn als Sache nach fremden Zwecken zu behan- deln. Man occupirt den Körper deſſelben als eine Sache und macht ſich durch dieſen Beſitz die volle Dispoſition über denſelben möglich. Indem man den Körper occupirt, occupirt man die Perſon ſelbſt.
§. 290.
Dieſes Verbrechen kann ſowohl begangen werden 1) an Perſonen, die unter niemands Gewalt ſtehen, als auch 2) an ſolchen, die der rechtmäſsigen Gewalt eines andern unterwor- fen ſind. Keine beſtimmte Abſicht als noth- wendiges Merkmal des Verbrechens wird ge- ſetzlich erfodert. Nur darf nicht Befriedigung des Geſchlechtstriebs die Abſicht ſeyn. Uebri- gens kann die Beſitzergreifung des Menſchen geſchehen ſowohl 1) um ihn in den Zuſtand der abſoluten Rechtloſigkeit (der Sklaverey) zu verſetzen *), als auch 2) zu andern Zwecken, ſelbſt wenn ſie an ſich nicht geſetzwidrig ſind. Sobald der Verbrecher den Menſchen ſeiner Gewalt unterworfen hat, ſo iſt das Verbrechen conſumirt.
§. 290.
*) Man denke an die Seelenverkauferey nach America.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><pbfacs="#f0252"n="224"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#i">II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt.</hi></fw><lb/><divn="8"><head>§. 289.</head><lb/><p>Da bey uns kein Sklavenſtand iſt, ſo än-<lb/>
dert ſich auch der Begriff des Verbrechens.<lb/>
Es kann das <hirendition="#g">Plagium</hi> bey uns blos an Freyen<lb/>
begangen werden und beſteht darin, <hirendition="#i">wenn man<lb/>
einen Menſchen rechtswidrig in ſeinen</hi> (phyſiſchen)<lb/><hirendition="#i">Beſitz bringt</hi> und es ſich dadurch möglich macht,<lb/>
ihn als Sache nach fremden Zwecken zu behan-<lb/>
deln. Man occupirt den Körper deſſelben als<lb/>
eine Sache und macht ſich durch dieſen Beſitz<lb/>
die volle Dispoſition über denſelben möglich.<lb/>
Indem man den Körper occupirt, occupirt man<lb/>
die Perſon ſelbſt.</p></div><lb/><divn="8"><head>§. 290.</head><lb/><p>Dieſes Verbrechen kann ſowohl begangen<lb/>
werden 1) an Perſonen, die unter niemands<lb/>
Gewalt ſtehen, als auch 2) an ſolchen, die der<lb/>
rechtmäſsigen Gewalt eines andern unterwor-<lb/>
fen ſind. Keine beſtimmte Abſicht als noth-<lb/>
wendiges Merkmal des Verbrechens wird ge-<lb/>ſetzlich erfodert. Nur darf nicht Befriedigung<lb/>
des Geſchlechtstriebs die Abſicht ſeyn. Uebri-<lb/>
gens kann die Beſitzergreifung des Menſchen<lb/>
geſchehen ſowohl 1) um ihn in den Zuſtand<lb/>
der abſoluten Rechtloſigkeit (der Sklaverey)<lb/>
zu verſetzen <noteplace="foot"n="*)">Man denke an die Seelenverkauferey nach America.</note>, als auch 2) zu andern Zwecken,<lb/>ſelbſt wenn ſie an ſich nicht geſetzwidrig ſind.<lb/>
Sobald der Verbrecher den Menſchen ſeiner<lb/>
Gewalt unterworfen hat, ſo iſt das Verbrechen<lb/>
conſumirt.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 290.</fw><lb/></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[224/0252]
II. Buch. I. Theil. II. Titel I. Abſchnitt.
§. 289.
Da bey uns kein Sklavenſtand iſt, ſo än-
dert ſich auch der Begriff des Verbrechens.
Es kann das Plagium bey uns blos an Freyen
begangen werden und beſteht darin, wenn man
einen Menſchen rechtswidrig in ſeinen (phyſiſchen)
Beſitz bringt und es ſich dadurch möglich macht,
ihn als Sache nach fremden Zwecken zu behan-
deln. Man occupirt den Körper deſſelben als
eine Sache und macht ſich durch dieſen Beſitz
die volle Dispoſition über denſelben möglich.
Indem man den Körper occupirt, occupirt man
die Perſon ſelbſt.
§. 290.
Dieſes Verbrechen kann ſowohl begangen
werden 1) an Perſonen, die unter niemands
Gewalt ſtehen, als auch 2) an ſolchen, die der
rechtmäſsigen Gewalt eines andern unterwor-
fen ſind. Keine beſtimmte Abſicht als noth-
wendiges Merkmal des Verbrechens wird ge-
ſetzlich erfodert. Nur darf nicht Befriedigung
des Geſchlechtstriebs die Abſicht ſeyn. Uebri-
gens kann die Beſitzergreifung des Menſchen
geſchehen ſowohl 1) um ihn in den Zuſtand
der abſoluten Rechtloſigkeit (der Sklaverey)
zu verſetzen *), als auch 2) zu andern Zwecken,
ſelbſt wenn ſie an ſich nicht geſetzwidrig ſind.
Sobald der Verbrecher den Menſchen ſeiner
Gewalt unterworfen hat, ſo iſt das Verbrechen
conſumirt.
§. 290.
*) Man denke an die Seelenverkauferey nach America.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/252>, abgerufen am 19.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.