Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abschnitt.
§. 303.

II. Es muss der Gebrauch der Geschlechts-
theile dieser Person blos in der Gewalt des
Nothzüchtigers gegründet seyn
, so dass diese
Gewalt allein, nicht ihr eigner durch Ge-
schlechtslust bestimmter Wille, Ursache ihrer
Hingebung war. Man erkennt dieses aus der
Art und der Dauer des Widerstandes, der dem
Stuprator geleistet worden ist *).

§. 304.

Die Gewalt, durch welche die Person ge-
nöthigt wird, kann seyn 1) physische Gewalt
(vis absoluta) wenn der Verbrecher durch seine
Körperkraft die Körperkräfte derselben über-
windet **) 2) durch psychologische Gewalt (vis
compulsiva
) wenn er ihr Begehren durch Vor-
stellung von Uebeln zur Hingebung bestimmt.
Diese Uebel müssen aber a) mit der Gefahr augen-
blicklicher Vollziehung verbunden seyn ***),
b) sie müssen mit dem Uebel der Verletzung
jungfräulicher Ehre entweder in gleichem Ver-
hältnisse stehen, oder sie müssen dasselbe über-
wiegen. Die Drohung darf also wohl kein
geringeres Uebel, als schwere körperliche Ver-
letzung oder Verlust des Lebens enthalten.

Mündlich von den Kennzeichen der Beurtheilung ei-
ner angeblich vorgefallenen Nothzucht in concreto
cf. Boehmer ad Art. 119. C. C. §. 7.


§. 305.
*) cf. Boehmer ad Art. 119. C. C. §. 3.
**) In wieferne ist auf solche Art ein stup. viol. möglich?
***) cf. Boehmerc. I. -- Der Grund ist derselbe, wie
beym Raub. Ist das Uebel entfernt, so kann man
nicht
II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
§. 303.

II. Es muſs der Gebrauch der Geſchlechts-
theile dieſer Perſon blos in der Gewalt des
Nothzüchtigers gegründet ſeyn
, ſo daſs dieſe
Gewalt allein, nicht ihr eigner durch Ge-
ſchlechtsluſt beſtimmter Wille, Urſache ihrer
Hingebung war. Man erkennt dieſes aus der
Art und der Dauer des Widerſtandes, der dem
Stuprator geleiſtet worden iſt *).

§. 304.

Die Gewalt, durch welche die Perſon ge-
nöthigt wird, kann ſeyn 1) phyſiſche Gewalt
(vis abſoluta) wenn der Verbrecher durch ſeine
Körperkraft die Körperkräfte derſelben über-
windet **) 2) durch pſychologiſche Gewalt (vis
compulſiva
) wenn er ihr Begehren durch Vor-
ſtellung von Uebeln zur Hingebung beſtimmt.
Dieſe Uebel müſſen aber a) mit der Gefahr augen-
blicklicher Vollziehung verbunden ſeyn ***),
b) ſie müſſen mit dem Uebel der Verletzung
jungfräulicher Ehre entweder in gleichem Ver-
hältniſſe ſtehen, oder ſie müſſen daſſelbe über-
wiegen. Die Drohung darf alſo wohl kein
geringeres Uebel, als ſchwere körperliche Ver-
letzung oder Verluſt des Lebens enthalten.

Mündlich von den Kennzeichen der Beurtheilung ei-
ner angeblich vorgefallenen Nothzucht in concreto
cf. Boehmer ad Art. 119. C. C. §. 7.


§. 305.
*) cf. Boehmer ad Art. 119. C. C. §. 3.
**) In wieferne iſt auf ſolche Art ein ſtup. viol. möglich?
***) cf. Boehmerc. I. — Der Grund iſt derſelbe, wie
beym Raub. Iſt das Uebel entfernt, ſo kann man
nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0264" n="236"/>
                    <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Ab&#x017F;chnitt.</hi> </fw><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 303.</head><lb/>
                      <p>II. Es mu&#x017F;s der Gebrauch der Ge&#x017F;chlechts-<lb/>
theile die&#x017F;er Per&#x017F;on blos in der <hi rendition="#i">Gewalt des<lb/>
Nothzüchtigers gegründet &#x017F;eyn</hi>, &#x017F;o da&#x017F;s die&#x017F;e<lb/>
Gewalt allein, nicht ihr eigner durch Ge-<lb/>
&#x017F;chlechtslu&#x017F;t be&#x017F;timmter Wille, Ur&#x017F;ache ihrer<lb/>
Hingebung war. Man erkennt die&#x017F;es aus der<lb/>
Art und der Dauer des Wider&#x017F;tandes, der dem<lb/>
Stuprator gelei&#x017F;tet worden i&#x017F;t <note place="foot" n="*)">cf. <hi rendition="#g">Boehmer</hi> ad Art. 119. C. C. §. 3.</note>.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 304.</head><lb/>
                      <p>Die Gewalt, durch welche die Per&#x017F;on ge-<lb/>
nöthigt wird, kann &#x017F;eyn 1) <hi rendition="#i">phy&#x017F;i&#x017F;che Gewalt</hi><lb/>
(<hi rendition="#i">vis ab&#x017F;oluta</hi>) wenn der Verbrecher durch &#x017F;eine<lb/>
Körperkraft die Körperkräfte der&#x017F;elben über-<lb/>
windet <note place="foot" n="**)">In wieferne i&#x017F;t auf &#x017F;olche Art ein <hi rendition="#i">&#x017F;tup. viol</hi>. möglich?</note> 2) durch <hi rendition="#i">p&#x017F;ychologi&#x017F;che Gewalt</hi> (<hi rendition="#i">vis<lb/>
compul&#x017F;iva</hi>) wenn er ihr Begehren durch Vor-<lb/>
&#x017F;tellung von Uebeln zur Hingebung be&#x017F;timmt.<lb/>
Die&#x017F;e Uebel mü&#x017F;&#x017F;en aber a) mit der Gefahr augen-<lb/>
blicklicher Vollziehung verbunden &#x017F;eyn <note xml:id="note-0264" next="#note-0265" place="foot" n="***)">cf. <hi rendition="#g">Boehmerc</hi>. I. &#x2014; Der Grund i&#x017F;t der&#x017F;elbe, wie<lb/>
beym Raub. I&#x017F;t das Uebel <hi rendition="#i">entfernt</hi>, &#x017F;o kann man<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw></note>,<lb/>
b) &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;en mit dem Uebel der Verletzung<lb/>
jungfräulicher Ehre entweder in gleichem Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tehen, oder &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;en da&#x017F;&#x017F;elbe über-<lb/>
wiegen. Die Drohung darf al&#x017F;o wohl kein<lb/>
geringeres Uebel, als &#x017F;chwere körperliche Ver-<lb/>
letzung oder Verlu&#x017F;t des Lebens enthalten.</p><lb/>
                      <p> <hi rendition="#et">Mündlich von den Kennzeichen der Beurtheilung ei-<lb/>
ner angeblich vorgefallenen Nothzucht in concreto<lb/>
cf. <hi rendition="#g">Boehmer</hi> ad Art. 119. C. C. §. 7.</hi> </p>
                    </div><lb/>
                    <fw place="bottom" type="catch">§. 305.</fw><lb/>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0264] II. Buch. I. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. §. 303. II. Es muſs der Gebrauch der Geſchlechts- theile dieſer Perſon blos in der Gewalt des Nothzüchtigers gegründet ſeyn, ſo daſs dieſe Gewalt allein, nicht ihr eigner durch Ge- ſchlechtsluſt beſtimmter Wille, Urſache ihrer Hingebung war. Man erkennt dieſes aus der Art und der Dauer des Widerſtandes, der dem Stuprator geleiſtet worden iſt *). §. 304. Die Gewalt, durch welche die Perſon ge- nöthigt wird, kann ſeyn 1) phyſiſche Gewalt (vis abſoluta) wenn der Verbrecher durch ſeine Körperkraft die Körperkräfte derſelben über- windet **) 2) durch pſychologiſche Gewalt (vis compulſiva) wenn er ihr Begehren durch Vor- ſtellung von Uebeln zur Hingebung beſtimmt. Dieſe Uebel müſſen aber a) mit der Gefahr augen- blicklicher Vollziehung verbunden ſeyn ***), b) ſie müſſen mit dem Uebel der Verletzung jungfräulicher Ehre entweder in gleichem Ver- hältniſſe ſtehen, oder ſie müſſen daſſelbe über- wiegen. Die Drohung darf alſo wohl kein geringeres Uebel, als ſchwere körperliche Ver- letzung oder Verluſt des Lebens enthalten. Mündlich von den Kennzeichen der Beurtheilung ei- ner angeblich vorgefallenen Nothzucht in concreto cf. Boehmer ad Art. 119. C. C. §. 7. §. 305. *) cf. Boehmer ad Art. 119. C. C. §. 3. **) In wieferne iſt auf ſolche Art ein ſtup. viol. möglich? ***) cf. Boehmerc. I. — Der Grund iſt derſelbe, wie beym Raub. Iſt das Uebel entfernt, ſo kann man nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/264
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/264>, abgerufen am 29.03.2024.