Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Von d. Gründ. d. Vermuth. oder von Indicien.
§. 588.

Die Stärke oder Schwäche der Indicien
hängt ab: A) von dem Verhältniss derselben
zu den entgegenstehenden Gegenindicien. Es
gilt demnach die Regel: je mehr Gründe dem
Indicium entgegenstehen, desto mehr wird es ge-
schwächt; je weniger ihm entgegenstehen, desto
grösser ist die Vermuthung
*). Diese Grund-
regel bestimmt sowohl die Beurtheilung ein-
zelner Indicien als auch die Beurtheilung
concurrirender Indicien.

§. 589.

Die Gegenindicien können doppelter Art
seyn: 1) directe Gründe der Vermuthung des
Gegentheils von demjenigen, was aus den
Anzeigungen geschlossen worden ist -- Con-
tradictorische Gegenindicien.
Diese bestehen in
erwiesenen oder wahrscheinlichen Thatsachen,
welche auf das Gegentheil schliessen lassen **).
2) Indirecte Gründe, d. i. solche, welche
die Möglichkeit des entgegengesetzten Schlusses
begründen, es also unmöglich machen, aus-
schliessend
und nothwendig von der gegebenen

That-
*) Die P. G. O. Art. 28. giebt selbst diese, in der
Natur der Sache legende, aber noch nirgends
für die Theorie benutzte Regel an.
**) Wenn z. E. der durch Indicien gravirte, als be-
sonders rechtlicher Mensch bekannt ist, wenn gar
kein Grund denkbar ist, aus welchem er das
Verbrechen hätte begehen können, wenn wohl
gar das Verbrechen seinem bekannten sinnlichen
Interesse widerspricht, wenn etwa der Ermordete
der Wohlthäter des Gravirten war, und dieser
durch den Tod in ihm alle Unterstützung verliert.
G g
Von d. Gründ. d. Vermuth. oder von Indicien.
§. 588.

Die Stärke oder Schwäche der Indicien
hängt ab: A) von dem Verhältniſs derſelben
zu den entgegenſtehenden Gegenindicien. Es
gilt demnach die Regel: je mehr Gründe dem
Indicium entgegenſtehen, deſto mehr wird es ge-
ſchwächt; je weniger ihm entgegenſtehen, deſto
gröſser iſt die Vermuthung
*). Dieſe Grund-
regel beſtimmt ſowohl die Beurtheilung ein-
zelner Indicien als auch die Beurtheilung
concurrirender Indicien.

§. 589.

Die Gegenindicien können doppelter Art
ſeyn: 1) directe Gründe der Vermuthung des
Gegentheils von demjenigen, was aus den
Anzeigungen geſchloſſen worden iſt — Con-
tradictoriſche Gegenindicien.
Dieſe beſtehen in
erwieſenen oder wahrſcheinlichen Thatſachen,
welche auf das Gegentheil ſchlieſsen laſſen **).
2) Indirecte Gründe, d. i. ſolche, welche
die Möglichkeit des entgegengeſetzten Schluſſes
begründen, es alſo unmöglich machen, aus-
ſchlieſsend
und nothwendig von der gegebenen

That-
*) Die P. G. O. Art. 28. giebt ſelbſt dieſe, in der
Natur der Sache legende, aber noch nirgends
für die Theorie benutzte Regel an.
**) Wenn z. E. der durch Indicien gravirte, als be-
ſonders rechtlicher Menſch bekannt iſt, wenn gar
kein Grund denkbar iſt, aus welchem er das
Verbrechen hätte begehen können, wenn wohl
gar das Verbrechen ſeinem bekannten ſinnlichen
Intereſſe widerſpricht, wenn etwa der Ermordete
der Wohlthäter des Gravirten war, und dieſer
durch den Tod in ihm alle Unterſtützung verliert.
G g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0495" n="467"/>
                    <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">Von d. Gründ. d. Vermuth. oder von Indicien.</hi> </fw><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 588.</head><lb/>
                      <p>Die Stärke oder Schwäche der Indicien<lb/>
hängt ab: A) von dem Verhältni&#x017F;s der&#x017F;elben<lb/>
zu den entgegen&#x017F;tehenden <hi rendition="#i">Gegenindicien.</hi> Es<lb/>
gilt demnach die Regel: <hi rendition="#i">je mehr Gründe dem<lb/>
Indicium entgegen&#x017F;tehen, de&#x017F;to mehr wird es ge-<lb/>
&#x017F;chwächt; je weniger ihm entgegen&#x017F;tehen, de&#x017F;to<lb/>
grö&#x017F;ser i&#x017F;t die Vermuthung</hi> <note place="foot" n="*)">Die P. G. O. Art. 28. giebt &#x017F;elb&#x017F;t die&#x017F;e, in der<lb/>
Natur der Sache legende, aber noch nirgends<lb/>
für die Theorie benutzte Regel an.</note>. Die&#x017F;e Grund-<lb/>
regel be&#x017F;timmt &#x017F;owohl die Beurtheilung ein-<lb/>
zelner Indicien als auch die Beurtheilung<lb/>
concurrirender Indicien.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 589.</head><lb/>
                      <p>Die Gegenindicien können doppelter Art<lb/>
&#x017F;eyn: 1) <hi rendition="#i">directe Gründe</hi> der Vermuthung des<lb/>
Gegentheils von demjenigen, was aus den<lb/>
Anzeigungen ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en worden i&#x017F;t &#x2014; <hi rendition="#i">Con-<lb/>
tradictori&#x017F;che Gegenindicien.</hi> Die&#x017F;e be&#x017F;tehen in<lb/><hi rendition="#i">erwie&#x017F;enen</hi> oder <hi rendition="#i">wahr&#x017F;cheinlichen</hi> That&#x017F;achen,<lb/>
welche auf das Gegentheil &#x017F;chlie&#x017F;sen la&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="**)">Wenn z. E. der durch Indicien gravirte, als be-<lb/>
&#x017F;onders rechtlicher Men&#x017F;ch bekannt i&#x017F;t, wenn gar<lb/>
kein Grund denkbar i&#x017F;t, aus welchem er das<lb/>
Verbrechen hätte begehen können, wenn wohl<lb/>
gar das Verbrechen &#x017F;einem bekannten &#x017F;innlichen<lb/>
Intere&#x017F;&#x017F;e wider&#x017F;pricht, wenn etwa der Ermordete<lb/>
der Wohlthäter des Gravirten war, und die&#x017F;er<lb/>
durch den Tod in ihm alle Unter&#x017F;tützung verliert.</note>.<lb/>
2) <hi rendition="#i">Indirecte</hi> Gründe, d. i. &#x017F;olche, welche<lb/>
die <hi rendition="#i">Möglichkeit</hi> des entgegenge&#x017F;etzten Schlu&#x017F;&#x017F;es<lb/>
begründen, es al&#x017F;o unmöglich machen, <hi rendition="#i">aus-<lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;send</hi> und <hi rendition="#i">nothwendig</hi> von der gegebenen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G g</fw><fw place="bottom" type="catch">That-</fw><lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0495] Von d. Gründ. d. Vermuth. oder von Indicien. §. 588. Die Stärke oder Schwäche der Indicien hängt ab: A) von dem Verhältniſs derſelben zu den entgegenſtehenden Gegenindicien. Es gilt demnach die Regel: je mehr Gründe dem Indicium entgegenſtehen, deſto mehr wird es ge- ſchwächt; je weniger ihm entgegenſtehen, deſto gröſser iſt die Vermuthung *). Dieſe Grund- regel beſtimmt ſowohl die Beurtheilung ein- zelner Indicien als auch die Beurtheilung concurrirender Indicien. §. 589. Die Gegenindicien können doppelter Art ſeyn: 1) directe Gründe der Vermuthung des Gegentheils von demjenigen, was aus den Anzeigungen geſchloſſen worden iſt — Con- tradictoriſche Gegenindicien. Dieſe beſtehen in erwieſenen oder wahrſcheinlichen Thatſachen, welche auf das Gegentheil ſchlieſsen laſſen **). 2) Indirecte Gründe, d. i. ſolche, welche die Möglichkeit des entgegengeſetzten Schluſſes begründen, es alſo unmöglich machen, aus- ſchlieſsend und nothwendig von der gegebenen That- *) Die P. G. O. Art. 28. giebt ſelbſt dieſe, in der Natur der Sache legende, aber noch nirgends für die Theorie benutzte Regel an. **) Wenn z. E. der durch Indicien gravirte, als be- ſonders rechtlicher Menſch bekannt iſt, wenn gar kein Grund denkbar iſt, aus welchem er das Verbrechen hätte begehen können, wenn wohl gar das Verbrechen ſeinem bekannten ſinnlichen Intereſſe widerſpricht, wenn etwa der Ermordete der Wohlthäter des Gravirten war, und dieſer durch den Tod in ihm alle Unterſtützung verliert. G g

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/495
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/495>, abgerufen am 29.03.2024.