Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

V. d. Gründ. d. Vermuth. oder von d. Indicien.
Thatsachen erklären lässt, allein mehr Gründe
vorhanden sind zum Schluss auf das Verbre-
chen oder die bestimmte Person, als Urhebe-
rin desselben *).

§. 591.

II. Ein Indicium bewirkt nur entfernten Ver-
dacht, wenn die in demselben enthaltenen
Gründe den Gegengründen gleich sind
, wenn
also dem Indicium ein gleiches contradictori-
sches Gegenindicium entgegensteht **), oder
nicht mehr Gründe da sind, um aus der gege-
benen Thatsache auf das Verbrechen, als auf
das Gegentheil zu schliessen ***).


§. 592.
*) Nach begangenem Mord entfernt sich eine Person
aus dem Gerichtssprengel. Dies kann ausser dem
Bewustseyn der That, auch in andern Ursachen
gegründet seyn. Allein man setze hierzu 1) sie
entfernt sich zur Nachtzeit, 2) auf ungewöhnliche
Art, indem sie etwa über Dächer flieht, 3) zu
einer Zeit, wo das Verbrechen noch nicht ruchtbar
geworden war. Hier werden die entgegenstehen-
den Erklärungsgründe der Entfernung durch
3 Gründe diluirt und wir haben ein Indicium,
das sich ebenfalls zu den entgegenstehenden ver-
hält, wie 3 zu 1.
**) Eine Person war an dem Ort und zur Zeit der
That gegenwärtig; allein nach Ihrem bekannten
rechtlichen Charakter lässt sichein solches Verbrechen
gar nicht erwarten. Eins ist gegen Eins.
***) Man weiss z. E. weiter nichts, als eine Person
hat sich nach der That entfernt: dies kann aber
sowohl geschehen seyn wegen Geschäften, als auch
wegen der Furcht vor einer Criminaluntersuchung
bey aller Unschuld. Man hat nicht mehr Grund
auf

V. d. Gründ. d. Vermuth. oder von d. Indicien.
Thatſachen erklären läſst, allein mehr Gründe
vorhanden ſind zum Schluſs auf das Verbre-
chen oder die beſtimmte Perſon, als Urhebe-
rin deſſelben *).

§. 591.

II. Ein Indicium bewirkt nur entfernten Ver-
dacht, wenn die in demſelben enthaltenen
Gründe den Gegengründen gleich ſind
, wenn
alſo dem Indicium ein gleiches contradictori-
ſches Gegenindicium entgegenſteht **), oder
nicht mehr Gründe da ſind, um aus der gege-
benen Thatſache auf das Verbrechen, als auf
das Gegentheil zu ſchlieſsen ***).


§. 592.
*) Nach begangenem Mord entfernt ſich eine Perſon
aus dem Gerichtsſprengel. Dies kann auſſer dem
Bewuſtſeyn der That, auch in andern Urſachen
gegründet ſeyn. Allein man ſetze hierzu 1) ſie
entfernt ſich zur Nachtzeit, 2) auf ungewöhnliche
Art, indem ſie etwa über Dächer flieht, 3) zu
einer Zeit, wo das Verbrechen noch nicht ruchtbar
geworden war. Hier werden die entgegenſtehen-
den Erklärungsgründe der Entfernung durch
3 Gründe diluirt und wir haben ein Indicium,
das ſich ebenfalls zu den entgegenſtehenden ver-
hält, wie 3 zu 1.
**) Eine Perſon war an dem Ort und zur Zeit der
That gegenwärtig; allein nach Ihrem bekannten
rechtlichen Charakter läſst ſichein ſolches Verbrechen
gar nicht erwarten. Eins iſt gegen Eins.
***) Man weiſs z. E. weiter nichts, als eine Perſon
hat ſich nach der That entfernt: dies kann aber
ſowohl geſchehen ſeyn wegen Geſchäften, als auch
wegen der Furcht vor einer Criminalunterſuchung
bey aller Unſchuld. Man hat nicht mehr Grund
auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0497" n="469"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">V. d. Gründ. d. Vermuth. oder von d. Indicien.</hi></fw><lb/>
That&#x017F;achen erklären lä&#x017F;st, allein <hi rendition="#i">mehr Gründe</hi><lb/>
vorhanden &#x017F;ind zum Schlu&#x017F;s auf das Verbre-<lb/>
chen oder die be&#x017F;timmte Per&#x017F;on, als Urhebe-<lb/>
rin de&#x017F;&#x017F;elben <note place="foot" n="*)">Nach begangenem Mord entfernt &#x017F;ich eine Per&#x017F;on<lb/>
aus dem Gerichts&#x017F;prengel. Dies kann au&#x017F;&#x017F;er dem<lb/>
Bewu&#x017F;t&#x017F;eyn der That, auch in andern Ur&#x017F;achen<lb/>
gegründet &#x017F;eyn. Allein man &#x017F;etze hierzu 1) &#x017F;ie<lb/>
entfernt &#x017F;ich zur Nachtzeit, 2) auf ungewöhnliche<lb/>
Art, indem &#x017F;ie etwa über Dächer flieht, 3) zu<lb/>
einer Zeit, wo das Verbrechen noch nicht ruchtbar<lb/>
geworden war. Hier werden die entgegen&#x017F;tehen-<lb/>
den Erklärungsgründe der Entfernung durch<lb/>
3 Gründe diluirt und wir haben ein Indicium,<lb/>
das &#x017F;ich ebenfalls zu den entgegen&#x017F;tehenden ver-<lb/>
hält, wie 3 zu 1.</note>.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 591.</head><lb/>
                      <p>II. <hi rendition="#i">Ein Indicium bewirkt nur entfernten Ver-<lb/>
dacht, wenn die in dem&#x017F;elben enthaltenen<lb/>
Gründe den Gegengründen gleich &#x017F;ind</hi>, wenn<lb/>
al&#x017F;o dem Indicium ein gleiches contradictori-<lb/>
&#x017F;ches Gegenindicium entgegen&#x017F;teht <note place="foot" n="**)">Eine Per&#x017F;on war an dem Ort und zur Zeit der<lb/>
That gegenwärtig; allein nach Ihrem bekannten<lb/>
rechtlichen Charakter lä&#x017F;st &#x017F;ichein &#x017F;olches Verbrechen<lb/>
gar nicht erwarten. Eins i&#x017F;t gegen Eins.</note>, oder<lb/>
nicht mehr Gründe da &#x017F;ind, um aus der gege-<lb/>
benen That&#x017F;ache auf das Verbrechen, als auf<lb/>
das Gegentheil zu &#x017F;chlie&#x017F;sen <note xml:id="note-0497" next="#note-0498" place="foot" n="***)">Man wei&#x017F;s z. E. weiter nichts, als eine Per&#x017F;on<lb/>
hat &#x017F;ich nach der That entfernt: dies kann aber<lb/>
&#x017F;owohl ge&#x017F;chehen &#x017F;eyn wegen Ge&#x017F;chäften, als auch<lb/>
wegen der Furcht vor einer Criminalunter&#x017F;uchung<lb/>
bey aller Un&#x017F;chuld. Man hat nicht mehr Grund<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auf</fw></note>.</p>
                    </div><lb/>
                    <fw place="bottom" type="catch">§. 592.</fw><lb/>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[469/0497] V. d. Gründ. d. Vermuth. oder von d. Indicien. Thatſachen erklären läſst, allein mehr Gründe vorhanden ſind zum Schluſs auf das Verbre- chen oder die beſtimmte Perſon, als Urhebe- rin deſſelben *). §. 591. II. Ein Indicium bewirkt nur entfernten Ver- dacht, wenn die in demſelben enthaltenen Gründe den Gegengründen gleich ſind, wenn alſo dem Indicium ein gleiches contradictori- ſches Gegenindicium entgegenſteht **), oder nicht mehr Gründe da ſind, um aus der gege- benen Thatſache auf das Verbrechen, als auf das Gegentheil zu ſchlieſsen ***). §. 592. *) Nach begangenem Mord entfernt ſich eine Perſon aus dem Gerichtsſprengel. Dies kann auſſer dem Bewuſtſeyn der That, auch in andern Urſachen gegründet ſeyn. Allein man ſetze hierzu 1) ſie entfernt ſich zur Nachtzeit, 2) auf ungewöhnliche Art, indem ſie etwa über Dächer flieht, 3) zu einer Zeit, wo das Verbrechen noch nicht ruchtbar geworden war. Hier werden die entgegenſtehen- den Erklärungsgründe der Entfernung durch 3 Gründe diluirt und wir haben ein Indicium, das ſich ebenfalls zu den entgegenſtehenden ver- hält, wie 3 zu 1. **) Eine Perſon war an dem Ort und zur Zeit der That gegenwärtig; allein nach Ihrem bekannten rechtlichen Charakter läſst ſichein ſolches Verbrechen gar nicht erwarten. Eins iſt gegen Eins. ***) Man weiſs z. E. weiter nichts, als eine Perſon hat ſich nach der That entfernt: dies kann aber ſowohl geſchehen ſeyn wegen Geſchäften, als auch wegen der Furcht vor einer Criminalunterſuchung bey aller Unſchuld. Man hat nicht mehr Grund auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/497
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/497>, abgerufen am 29.03.2024.