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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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Von dem inquisitorischen Process.
§. 647.

Ehe ein Mensch als wirklicher Verbrecher
behandelt werden kann, wird er als Verdäch-
tiger
behandelt, weil der Verdammung noth-
wendig die Untersuchung gegen eine be-
stimmte (also verdächtige Person vorangehen
muss. Ehe aber ein Mensch als verdächtig
behandelt werden kann, müssen Gründe des
Verdachts und Gründe für die Existenz des
Verbrechens überhaupt vorhanden seyn: das
letzte, weil sonst aller Grund zum Criminal-
process hinwegfällt, das erste, weil sonst das
richterliche Verfahren eine Läsion enthalten
würde. Der Inquisitionsprocess wird daher
durch die Generalinquisition eröffnet,
worin der Richter die Gründe für die Existenz des
Verbrechens überhaupt und des Verdachts gegen
ein bestimmtes Subject der That aufsucht
. Sie
bereitet die Specialinquisition vor, in
welcher der Richter gegen den als verdächtig be-
handelten einen vollen Beweis der Schuld oder der
Unschuld zu begründen sucht
*).

I. Generaluntersuchung.
§. 648.

Zur Generaluntersuchung muss der Rich-
ter erst veranlasst werden. Diese Veranlas-

sung
*) Ein Hauptgrund der Verwirrung in diesen Be-
griffen liegt darin, dass man so oft das articulirte
Verhör mit der Specialinquisition überhaupt ver-
wechselt hat. Man vergleiche übrigens: Nettel-
bladt
Von dem inquiſitoriſchen Proceſs.
§. 647.

Ehe ein Menſch als wirklicher Verbrecher
behandelt werden kann, wird er als Verdäch-
tiger
behandelt, weil der Verdammung noth-
wendig die Unterſuchung gegen eine be-
ſtimmte (alſo verdächtige Perſon vorangehen
muſs. Ehe aber ein Menſch als verdächtig
behandelt werden kann, müſſen Gründe des
Verdachts und Gründe für die Exiſtenz des
Verbrechens überhaupt vorhanden ſeyn: das
letzte, weil ſonſt aller Grund zum Criminal-
proceſs hinwegfällt, das erſte, weil ſonſt das
richterliche Verfahren eine Läſion enthalten
würde. Der Inquiſitionsproceſs wird daher
durch die Generalinquiſition eröffnet,
worin der Richter die Gründe für die Exiſtenz des
Verbrechens überhaupt und des Verdachts gegen
ein beſtimmtes Subject der That aufſucht
. Sie
bereitet die Specialinquiſition vor, in
welcher der Richter gegen den als verdächtig be-
handelten einen vollen Beweis der Schuld oder der
Unſchuld zu begründen ſucht
*).

I. Generalunterſuchung.
§. 648.

Zur Generalunterſuchung muſs der Rich-
ter erſt veranlaſst werden. Dieſe Veranlaſ-

ſung
*) Ein Hauptgrund der Verwirrung in dieſen Be-
griffen liegt darin, daſs man ſo oft das articulirte
Verhör mit der Specialinquiſition überhaupt ver-
wechſelt hat. Man vergleiche übrigens: Nettel-
bladt
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[503/0531] Von dem inquiſitoriſchen Proceſs. §. 647. Ehe ein Menſch als wirklicher Verbrecher behandelt werden kann, wird er als Verdäch- tiger behandelt, weil der Verdammung noth- wendig die Unterſuchung gegen eine be- ſtimmte (alſo verdächtige Perſon vorangehen muſs. Ehe aber ein Menſch als verdächtig behandelt werden kann, müſſen Gründe des Verdachts und Gründe für die Exiſtenz des Verbrechens überhaupt vorhanden ſeyn: das letzte, weil ſonſt aller Grund zum Criminal- proceſs hinwegfällt, das erſte, weil ſonſt das richterliche Verfahren eine Läſion enthalten würde. Der Inquiſitionsproceſs wird daher durch die Generalinquiſition eröffnet, worin der Richter die Gründe für die Exiſtenz des Verbrechens überhaupt und des Verdachts gegen ein beſtimmtes Subject der That aufſucht. Sie bereitet die Specialinquiſition vor, in welcher der Richter gegen den als verdächtig be- handelten einen vollen Beweis der Schuld oder der Unſchuld zu begründen ſucht *). I. Generalunterſuchung. §. 648. Zur Generalunterſuchung muſs der Rich- ter erſt veranlaſst werden. Dieſe Veranlaſ- ſung *) Ein Hauptgrund der Verwirrung in dieſen Be- griffen liegt darin, daſs man ſo oft das articulirte Verhör mit der Specialinquiſition überhaupt ver- wechſelt hat. Man vergleiche übrigens: Nettel- bladt

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/531>, abgerufen am 29.03.2024.