Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Buch. II. Theil. I. Titel. VI. Abschnitt.
Verbrecher muss daher in seine bürgerlichen
Rechte wieder eingesetzt werden. Keine Zunft
hat ein Recht, ihm die Wiederaufnahme zu
versagen und wer ihm das Verbrechen vor-
wirft, um ihn dadurch zu beschimpfen, be-
geht eine Ehrenverletzung. Die privatrecht-
lichen
Folgen werden aber durch keinen dieser
Gründe getilgt. Diese sind nur den Grund-
sätzen von den Veränderungen der Rechte im
Privatrechte unterworfen.

§. 78.

Der physische Grund der Tilgung des Ver-
brechens ist der Tod des Verbrechers. Aber
nicht unbedingt. I. Stirbt der Verbrecher vor
angefangener Untersuchung oder vor ge-
sprochener Sentenz; so kann nach seinem Tod
weder die Untersuchung eröffnet, noch fort-
gesetzt werden; ausgenommen ist besonders das
Verbrechen des Hochverraths *). II. Stirbt er
nach gesprochener verdammender Sentenz, so
haftet die Strafe, wenn sie Geldstrafe ist, auf
seinem Vermögen und geht mit diesem auf die
Erben über. Bey besonders schweren Capi-
talverbrechen nimmt auch die Observanz eine
Bestrafung im Tode an.




Sieben-
*) L. 11. D. ad L. Jul. Maj. Is, qui in reatu decedit,
integri status decedit. Extingnitur enim crimen
mortalitate: nisi forte quis Majestatis reus fuit. Nam
hoc crimen, nisi a successoribus purgetur, hereditas
fisco vindicatur.

I. Buch. II. Theil. I. Titel. VI. Abſchnitt.
Verbrecher muſs daher in ſeine bürgerlichen
Rechte wieder eingeſetzt werden. Keine Zunft
hat ein Recht, ihm die Wiederaufnahme zu
verſagen und wer ihm das Verbrechen vor-
wirft, um ihn dadurch zu beſchimpfen, be-
geht eine Ehrenverletzung. Die privatrecht-
lichen
Folgen werden aber durch keinen dieſer
Gründe getilgt. Dieſe ſind nur den Grund-
ſätzen von den Veränderungen der Rechte im
Privatrechte unterworfen.

§. 78.

Der phyſiſche Grund der Tilgung des Ver-
brechens iſt der Tod des Verbrechers. Aber
nicht unbedingt. I. Stirbt der Verbrecher vor
angefangener Unterſuchung oder vor ge-
ſprochener Sentenz; ſo kann nach ſeinem Tod
weder die Unterſuchung eröffnet, noch fort-
geſetzt werden; ausgenommen iſt beſonders das
Verbrechen des Hochverraths *). II. Stirbt er
nach geſprochener verdammender Sentenz, ſo
haftet die Strafe, wenn ſie Geldſtrafe iſt, auf
ſeinem Vermögen und geht mit dieſem auf die
Erben über. Bey beſonders ſchweren Capi-
talverbrechen nimmt auch die Obſervanz eine
Beſtrafung im Tode an.




Sieben-
*) L. 11. D. ad L. Jul. Maj. Is, qui in reatu decedit,
integri ſtatus decedit. Extingnitur enim crimen
mortalitate: niſi forte quis Majeſtatis reus fuit. Nam
hoc crimen, niſi a ſucceſſoribus purgetur, hereditas
fisco vindicatur.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0088" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">I. Buch. II. Theil. I. Titel. VI. Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
Verbrecher mu&#x017F;s daher in &#x017F;eine bürgerlichen<lb/>
Rechte wieder einge&#x017F;etzt werden. Keine Zunft<lb/>
hat ein Recht, ihm die Wiederaufnahme zu<lb/>
ver&#x017F;agen und wer ihm das Verbrechen vor-<lb/>
wirft, um ihn dadurch zu be&#x017F;chimpfen, be-<lb/>
geht eine Ehrenverletzung. Die <hi rendition="#i">privatrecht-<lb/>
lichen</hi> Folgen werden aber durch keinen die&#x017F;er<lb/>
Gründe getilgt. Die&#x017F;e &#x017F;ind nur den Grund-<lb/>
&#x017F;ätzen von den Veränderungen der Rechte im<lb/>
Privatrechte unterworfen.</p>
                </div><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 78.</head><lb/>
                  <p>Der <hi rendition="#i">phy&#x017F;i&#x017F;che</hi> Grund der Tilgung des Ver-<lb/>
brechens i&#x017F;t der <hi rendition="#i">Tod</hi> des Verbrechers. Aber<lb/>
nicht unbedingt. I. Stirbt der Verbrecher vor<lb/>
angefangener Unter&#x017F;uchung oder vor ge-<lb/>
&#x017F;prochener Sentenz; &#x017F;o kann nach &#x017F;einem Tod<lb/>
weder die Unter&#x017F;uchung eröffnet, noch fort-<lb/>
ge&#x017F;etzt werden; ausgenommen i&#x017F;t be&#x017F;onders das<lb/>
Verbrechen des Hochverraths <note place="foot" n="*)">L. 11. D. <hi rendition="#i">ad L. Jul. Maj</hi>. Is, qui <hi rendition="#i">in reatu</hi> decedit,<lb/>
integri &#x017F;tatus decedit. Extingnitur enim crimen<lb/>
mortalitate: ni&#x017F;i forte quis Maje&#x017F;tatis reus fuit. Nam<lb/>
hoc crimen, ni&#x017F;i a &#x017F;ucce&#x017F;&#x017F;oribus purgetur, hereditas<lb/>
fisco vindicatur.</note>. II. Stirbt er<lb/>
nach ge&#x017F;prochener verdammender Sentenz, &#x017F;o<lb/>
haftet die Strafe, wenn &#x017F;ie Geld&#x017F;trafe i&#x017F;t, auf<lb/>
&#x017F;einem Vermögen und geht mit die&#x017F;em auf die<lb/>
Erben über. Bey be&#x017F;onders &#x017F;chweren Capi-<lb/>
talverbrechen nimmt auch die Ob&#x017F;ervanz eine<lb/>
Be&#x017F;trafung im Tode an.</p>
                </div>
              </div><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#g">Sieben-</hi> </fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0088] I. Buch. II. Theil. I. Titel. VI. Abſchnitt. Verbrecher muſs daher in ſeine bürgerlichen Rechte wieder eingeſetzt werden. Keine Zunft hat ein Recht, ihm die Wiederaufnahme zu verſagen und wer ihm das Verbrechen vor- wirft, um ihn dadurch zu beſchimpfen, be- geht eine Ehrenverletzung. Die privatrecht- lichen Folgen werden aber durch keinen dieſer Gründe getilgt. Dieſe ſind nur den Grund- ſätzen von den Veränderungen der Rechte im Privatrechte unterworfen. §. 78. Der phyſiſche Grund der Tilgung des Ver- brechens iſt der Tod des Verbrechers. Aber nicht unbedingt. I. Stirbt der Verbrecher vor angefangener Unterſuchung oder vor ge- ſprochener Sentenz; ſo kann nach ſeinem Tod weder die Unterſuchung eröffnet, noch fort- geſetzt werden; ausgenommen iſt beſonders das Verbrechen des Hochverraths *). II. Stirbt er nach geſprochener verdammender Sentenz, ſo haftet die Strafe, wenn ſie Geldſtrafe iſt, auf ſeinem Vermögen und geht mit dieſem auf die Erben über. Bey beſonders ſchweren Capi- talverbrechen nimmt auch die Obſervanz eine Beſtrafung im Tode an. Sieben- *) L. 11. D. ad L. Jul. Maj. Is, qui in reatu decedit, integri ſtatus decedit. Extingnitur enim crimen mortalitate: niſi forte quis Majeſtatis reus fuit. Nam hoc crimen, niſi a ſucceſſoribus purgetur, hereditas fisco vindicatur.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/88
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/88>, abgerufen am 29.03.2024.