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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

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I. Buch. II. Theil. II. Titel. I. Abschnitt.
stimmten Strafgesetz unterworfene Uebertre-
tung die Grösse der Strafe nur aus und nach
dem bestimmten Gesetze selbst determinirt
werden.

§. 86.

II. Die Natur des unbestimmten Strafge-
setzes verstattet der richterlichen Gewalt einen
grössern Spielraum. Das Gesetz bestimmt hier
nicht selbst vollständig das Strafübel; gleich-
wohl kann der Gesetzgeber nicht wollen, dass
der Richter nach blinder Willkühr strafe Da
nun aber in dem einzelnen Gesetze selbst kein
Princip für die Bestimmung der Grösse der
Strafe enthalten ist; so muss der Richter selbst
nach einem, ausserhalb des speciellen Gesetzes
liegenden Princip die Grösse der Strafen be-
stimmen. -- Bey dem relativunbestimmten
Strafgesetz darf er nur zwischen den verschie-
denen von dem Gesetz angedrohten Strafen
nach jenen Principien wählen: bey dem ab-
solutunbestimmten
Strafgesetz darf er auf jede
Strafe erkennen*), sobald sie nur jenen allgemei-
nen Principien der Strafbarkeit angemessen ist.


Zwey-
*) Selbst auf die Todesstrafe: L. 13. D. de poenis.
"hodie licet ei, qui extra ordinem cognoscit
, quam
vult sententiam ferre
. L. 7. §. 3. ad L. Iul.
rep. "Hodie ex Lege repetundarum
extra ordinem
puniuntur
. et plerumque vel exilio puniuntur, vel
etiam durius, prout admiserint
. Quid
enim, si ob hominem necandum
pecuniam acceperint? --
Capite plecti debent, vel certe in insulam de-
portari
. Diesen Gesetzen steht eben so wenig die L.
11. D. de poenis, als die P. G. O. Art. 104. entgegen,
of. Boehmer ad Art. 105. §. 2. C. C. C.

I. Buch. II. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt.
ſtimmten Strafgeſetz unterworfene Uebertre-
tung die Gröſse der Strafe nur aus und nach
dem beſtimmten Geſetze ſelbſt determinirt
werden.

§. 86.

II. Die Natur des unbeſtimmten Strafge-
ſetzes verſtattet der richterlichen Gewalt einen
gröſsern Spielraum. Das Geſetz beſtimmt hier
nicht ſelbſt vollſtändig das Strafübel; gleich-
wohl kann der Geſetzgeber nicht wollen, daſs
der Richter nach blinder Willkühr ſtrafe Da
nun aber in dem einzelnen Geſetze ſelbſt kein
Princip für die Beſtimmung der Gröſse der
Strafe enthalten iſt; ſo muſs der Richter ſelbſt
nach einem, auſſerhalb des ſpeciellen Geſetzes
liegenden Princip die Gröſse der Strafen be-
ſtimmen. — Bey dem relativunbeſtimmten
Strafgeſetz darf er nur zwiſchen den verſchie-
denen von dem Geſetz angedrohten Strafen
nach jenen Principien wählen: bey dem ab-
ſolutunbeſtimmten
Strafgeſetz darf er auf jede
Strafe erkennen*), ſobald ſie nur jenen allgemei-
nen Principien der Strafbarkeit angemeſſen iſt.


Zwey-
*) Selbſt auf die Todesſtrafe: L. 13. D. de poenis.
„hodie licet ei, qui extra ordinem cognoſcit
, quam
vult ſententiam ferre
. L. 7. §. 3. ad L. Iul.
rep. „Hodie ex Lege repetundarum
extra ordinem
puniuntur
. et plerumque vel exilio puniuntur, vel
etiam durius, prout admiſerint
. Quid
enim, ſi ob hominem necandum
pecuniam acceperint? —
Capite plecti debent, vel certe in inſulam de-
portari
. Dieſen Geſetzen ſteht eben ſo wenig die L.
11. D. de poenis, als die P. G. O. Art. 104. entgegen,
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[66/0094] I. Buch. II. Theil. II. Titel. I. Abſchnitt. ſtimmten Strafgeſetz unterworfene Uebertre- tung die Gröſse der Strafe nur aus und nach dem beſtimmten Geſetze ſelbſt determinirt werden. §. 86. II. Die Natur des unbeſtimmten Strafge- ſetzes verſtattet der richterlichen Gewalt einen gröſsern Spielraum. Das Geſetz beſtimmt hier nicht ſelbſt vollſtändig das Strafübel; gleich- wohl kann der Geſetzgeber nicht wollen, daſs der Richter nach blinder Willkühr ſtrafe Da nun aber in dem einzelnen Geſetze ſelbſt kein Princip für die Beſtimmung der Gröſse der Strafe enthalten iſt; ſo muſs der Richter ſelbſt nach einem, auſſerhalb des ſpeciellen Geſetzes liegenden Princip die Gröſse der Strafen be- ſtimmen. — Bey dem relativunbeſtimmten Strafgeſetz darf er nur zwiſchen den verſchie- denen von dem Geſetz angedrohten Strafen nach jenen Principien wählen: bey dem ab- ſolutunbeſtimmten Strafgeſetz darf er auf jede Strafe erkennen *), ſobald ſie nur jenen allgemei- nen Principien der Strafbarkeit angemeſſen iſt. Zwey- *) Selbſt auf die Todesſtrafe: L. 13. D. de poenis. „hodie licet ei, qui extra ordinem cognoſcit, quam vult ſententiam ferre. L. 7. §. 3. ad L. Iul. rep. „Hodie ex Lege repetundarum extra ordinem puniuntur. et plerumque vel exilio puniuntur, vel etiam durius, prout admiſerint. Quid enim, ſi ob hominem necandum pecuniam acceperint? — Capite plecti debent, vel certe in inſulam de- portari. Dieſen Geſetzen ſteht eben ſo wenig die L. 11. D. de poenis, als die P. G. O. Art. 104. entgegen, of. Boehmer ad Art. 105. §. 2. C. C. C.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/94>, abgerufen am 19.04.2024.