stesbildung ein ins Leben; beim Gegentheile geht geistige Bildung, und Leben jedes seinen Gang für sich fort. 2) Aus demselben Grunde ist es einem Volke der ersten Art mit aller Gei¬ stesbildung rechter eigentlicher Ernst, und es will, daß dieselbe ins Leben eingreife; dage¬ gen einem von der letztern Art diese vielmehr ein genialisches Spiel ist, mit dem sie nichts weiter wollen. Die leztern haben Geist; die erstern haben zum Geiste auch noch Gemüth. 3) Was aus dem zweiten folgt; die erstern haben redlichen Fleiß und Ernst in allen Din¬ gen, und sind mühsam, dagegen die leztern sich im Geleite ihrer glücklichen Natur gehen lassen. 4) Was aus allem zusammen folgt: In einer Nation von der ersten Art ist das große Volk bildsam, und die Bildner einer solchen erproben ihre Entdeckungen an dem Volke, und wollen auf dieses einfließen; da¬ gegen in einer Nation von der zweiten Art die gebildeten Stände vom Volke sich scheiden, und des leztern nicht weiter, denn als eines blinden Werkzeugs ihrer Pläne achten. Die weitere Erörterung dieser angegebnen Merk¬ male behalte ich der folgenden Stunde vor.
ſtesbildung ein ins Leben; beim Gegentheile geht geiſtige Bildung, und Leben jedes ſeinen Gang fuͤr ſich fort. 2) Aus demſelben Grunde iſt es einem Volke der erſten Art mit aller Gei¬ ſtesbildung rechter eigentlicher Ernſt, und es will, daß dieſelbe ins Leben eingreife; dage¬ gen einem von der letztern Art dieſe vielmehr ein genialiſches Spiel iſt, mit dem ſie nichts weiter wollen. Die leztern haben Geiſt; die erſtern haben zum Geiſte auch noch Gemuͤth. 3) Was aus dem zweiten folgt; die erſtern haben redlichen Fleiß und Ernſt in allen Din¬ gen, und ſind muͤhſam, dagegen die leztern ſich im Geleite ihrer gluͤcklichen Natur gehen laſſen. 4) Was aus allem zuſammen folgt: In einer Nation von der erſten Art iſt das große Volk bildſam, und die Bildner einer ſolchen erproben ihre Entdeckungen an dem Volke, und wollen auf dieſes einfließen; da¬ gegen in einer Nation von der zweiten Art die gebildeten Staͤnde vom Volke ſich ſcheiden, und des leztern nicht weiter, denn als eines blinden Werkzeugs ihrer Plaͤne achten. Die weitere Eroͤrterung dieſer angegebnen Merk¬ male behalte ich der folgenden Stunde vor.
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ſtesbildung ein ins Leben; beim Gegentheile
geht geiſtige Bildung, und Leben jedes ſeinen
Gang fuͤr ſich fort. 2) Aus demſelben Grunde
iſt es einem Volke der erſten Art mit aller Gei¬
ſtesbildung rechter eigentlicher Ernſt, und es
will, daß dieſelbe ins Leben eingreife; dage¬
gen einem von der letztern Art dieſe vielmehr
ein genialiſches Spiel iſt, mit dem ſie nichts
weiter wollen. Die leztern haben Geiſt; die
erſtern haben zum Geiſte auch noch Gemuͤth.
3) Was aus dem zweiten folgt; die erſtern
haben redlichen Fleiß und Ernſt in allen Din¬
gen, und ſind muͤhſam, dagegen die leztern
ſich im Geleite ihrer gluͤcklichen Natur gehen
laſſen. 4) Was aus allem zuſammen folgt:
In einer Nation von der erſten Art iſt das
große Volk bildſam, und die Bildner einer
ſolchen erproben ihre Entdeckungen an dem
Volke, und wollen auf dieſes einfließen; da¬
gegen in einer Nation von der zweiten Art
die gebildeten Staͤnde vom Volke ſich ſcheiden,
und des leztern nicht weiter, denn als eines
blinden Werkzeugs ihrer Plaͤne achten. Die
weitere Eroͤrterung dieſer angegebnen Merk¬
male behalte ich der folgenden Stunde vor.
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/150>, abgerufen am 19.04.2024.
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