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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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dieser beiden niemals in Widerstreit gerathen
konnten. Die höhere Vaterlandsliebe für das
gemeinsame Volk der deutschen Nation mußte
und sollte ja ohnedies die oberste Leitung in
jedem besondern deutschen Staate führen;
keiner von ihnen durfte ja diese höhere Angele¬
genheit aus den Augen verlieren, ohne alles
edle und tüchtige von sich abwendig zu machen,
und so seinen eignen Untergang zu beschleuni¬
gen: je mehr daher jemand von jener höheren
Angelegenheit ergriffen, und belebt war, ein
desto besserer Bürger war er auch für den be¬
sondern deutschen Staat, in den sein unmittel¬
barer Wirkungskreis fiel. Deutsche Staaten
konnten mit deutschen Staaten in Streit gera¬
then, über besondere hergebrachte Gerechtsame.
Wer die Fortdauer des hergebrachten Zustandes
wollte, und jeder verständige ohne Zweifel
mußte um der ferneren Folgen willen diese wol¬
len, der mußte wünschen, daß die gerechte Sache
siege, in wessen Händen sie auch seyn möchte.
Höchstens hätte ein besonderer deutscher Staat
darauf ausgehen können, die ganze deutsche
Nation unter seiner Regierung zu vereinigen,

dieſer beiden niemals in Widerſtreit gerathen
konnten. Die hoͤhere Vaterlandsliebe fuͤr das
gemeinſame Volk der deutſchen Nation mußte
und ſollte ja ohnedies die oberſte Leitung in
jedem beſondern deutſchen Staate fuͤhren;
keiner von ihnen durfte ja dieſe hoͤhere Angele¬
genheit aus den Augen verlieren, ohne alles
edle und tuͤchtige von ſich abwendig zu machen,
und ſo ſeinen eignen Untergang zu beſchleuni¬
gen: je mehr daher jemand von jener hoͤheren
Angelegenheit ergriffen, und belebt war, ein
deſto beſſerer Buͤrger war er auch fuͤr den be¬
ſondern deutſchen Staat, in den ſein unmittel¬
barer Wirkungskreis fiel. Deutſche Staaten
konnten mit deutſchen Staaten in Streit gera¬
then, uͤber beſondere hergebrachte Gerechtſame.
Wer die Fortdauer des hergebrachten Zuſtandes
wollte, und jeder verſtaͤndige ohne Zweifel
mußte um der ferneren Folgen willen dieſe wol¬
len, der mußte wuͤnſchen, daß die gerechte Sache
ſiege, in weſſen Haͤnden ſie auch ſeyn moͤchte.
Hoͤchſtens haͤtte ein beſonderer deutſcher Staat
darauf ausgehen koͤnnen, die ganze deutſche
Nation unter ſeiner Regierung zu vereinigen,

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[282/0288] dieſer beiden niemals in Widerſtreit gerathen konnten. Die hoͤhere Vaterlandsliebe fuͤr das gemeinſame Volk der deutſchen Nation mußte und ſollte ja ohnedies die oberſte Leitung in jedem beſondern deutſchen Staate fuͤhren; keiner von ihnen durfte ja dieſe hoͤhere Angele¬ genheit aus den Augen verlieren, ohne alles edle und tuͤchtige von ſich abwendig zu machen, und ſo ſeinen eignen Untergang zu beſchleuni¬ gen: je mehr daher jemand von jener hoͤheren Angelegenheit ergriffen, und belebt war, ein deſto beſſerer Buͤrger war er auch fuͤr den be¬ ſondern deutſchen Staat, in den ſein unmittel¬ barer Wirkungskreis fiel. Deutſche Staaten konnten mit deutſchen Staaten in Streit gera¬ then, uͤber beſondere hergebrachte Gerechtſame. Wer die Fortdauer des hergebrachten Zuſtandes wollte, und jeder verſtaͤndige ohne Zweifel mußte um der ferneren Folgen willen dieſe wol¬ len, der mußte wuͤnſchen, daß die gerechte Sache ſiege, in weſſen Haͤnden ſie auch ſeyn moͤchte. Hoͤchſtens haͤtte ein beſonderer deutſcher Staat darauf ausgehen koͤnnen, die ganze deutſche Nation unter ſeiner Regierung zu vereinigen,

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/288>, abgerufen am 29.03.2024.