Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

"Eitelkeit! -- dachte Selim -- Eitelkeit
bey meiner unendlichen Liebe!

"Erinnere dich der Wolke! -- erwiederte
Melinette --

Aber der Prinz sah nach Zoraiden und
nach dem blühenden Strauche. -- Er hatte
geschaffen! -- Er liebte! -- Giebt es noch
etwas beseeligenderes für den Menschen?
kann man da auf Ermahnungen hören? --

Zwar könnte man glauben, das Schaffen
habe dem Prinzen nicht viel Anstrengung
gekostet; allein er befand sich wirklich da-
bey in einem ganz besondern Zustande.

Wünschte Zoraide etwas, dann flammte
sein Auge, sein Herz klopfte schneller, ein
verdoppeltes Leben schien seinen ganzen
Körper zu durchströmen, dunkle verworrne
Bilder umschwebten dann seine Seele.
Angstvoll suchte er sie zu erhaschen. Ver-
gebens! sie waren dahin! -- Aber nun wie-

B 2

»Eitelkeit! — dachte Selim — Eitelkeit
bey meiner unendlichen Liebe!

»Erinnere dich der Wolke! — erwiederte
Melinette —

Aber der Prinz ſah nach Zoraïden und
nach dem bluͤhenden Strauche. — Er hatte
geſchaffen! — Er liebte! — Giebt es noch
etwas beſeeligenderes fuͤr den Menſchen?
kann man da auf Ermahnungen hoͤren? —

Zwar koͤnnte man glauben, das Schaffen
habe dem Prinzen nicht viel Anſtrengung
gekoſtet; allein er befand ſich wirklich da-
bey in einem ganz beſondern Zuſtande.

Wuͤnſchte Zoraïde etwas, dann flammte
ſein Auge, ſein Herz klopfte ſchneller, ein
verdoppeltes Leben ſchien ſeinen ganzen
Koͤrper zu durchſtroͤmen, dunkle verworrne
Bilder umſchwebten dann ſeine Seele.
Angſtvoll ſuchte er ſie zu erhaſchen. Ver-
gebens! ſie waren dahin! — Aber nun wie-

B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0023" n="19"/>
        <p>»Eitelkeit! &#x2014; dachte Selim &#x2014; Eitelkeit<lb/>
bey meiner unendlichen Liebe!</p><lb/>
        <p>»Erinnere dich der Wolke! &#x2014; erwiederte<lb/>
Melinette &#x2014;</p><lb/>
        <p>Aber der Prinz &#x017F;ah nach Zoraïden und<lb/>
nach dem blu&#x0364;henden Strauche. &#x2014; Er hatte<lb/>
ge&#x017F;chaffen! &#x2014; Er liebte! &#x2014; Giebt es noch<lb/>
etwas be&#x017F;eeligenderes fu&#x0364;r den Men&#x017F;chen?<lb/>
kann man da auf Ermahnungen ho&#x0364;ren? &#x2014;</p><lb/>
        <p>Zwar ko&#x0364;nnte man glauben, das Schaffen<lb/>
habe dem Prinzen nicht viel An&#x017F;trengung<lb/>
geko&#x017F;tet; allein er befand &#x017F;ich wirklich da-<lb/>
bey in einem ganz be&#x017F;ondern Zu&#x017F;tande.</p><lb/>
        <p>Wu&#x0364;n&#x017F;chte Zoraïde etwas, dann flammte<lb/>
&#x017F;ein Auge, &#x017F;ein Herz klopfte &#x017F;chneller, ein<lb/>
verdoppeltes Leben &#x017F;chien &#x017F;einen ganzen<lb/>
Ko&#x0364;rper zu durch&#x017F;tro&#x0364;men, dunkle verworrne<lb/>
Bilder um&#x017F;chwebten dann &#x017F;eine Seele.<lb/>
Ang&#x017F;tvoll &#x017F;uchte er &#x017F;ie zu erha&#x017F;chen. Ver-<lb/>
gebens! &#x017F;ie waren dahin! &#x2014; Aber nun wie-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0023] »Eitelkeit! — dachte Selim — Eitelkeit bey meiner unendlichen Liebe! »Erinnere dich der Wolke! — erwiederte Melinette — Aber der Prinz ſah nach Zoraïden und nach dem bluͤhenden Strauche. — Er hatte geſchaffen! — Er liebte! — Giebt es noch etwas beſeeligenderes fuͤr den Menſchen? kann man da auf Ermahnungen hoͤren? — Zwar koͤnnte man glauben, das Schaffen habe dem Prinzen nicht viel Anſtrengung gekoſtet; allein er befand ſich wirklich da- bey in einem ganz beſondern Zuſtande. Wuͤnſchte Zoraïde etwas, dann flammte ſein Auge, ſein Herz klopfte ſchneller, ein verdoppeltes Leben ſchien ſeinen ganzen Koͤrper zu durchſtroͤmen, dunkle verworrne Bilder umſchwebten dann ſeine Seele. Angſtvoll ſuchte er ſie zu erhaſchen. Ver- gebens! ſie waren dahin! — Aber nun wie- B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/23
Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/23>, abgerufen am 29.03.2024.