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Fischer, Hermann: Die Werkzeugmaschinen. Bd. 1: Die Metallbearbeitungs-Maschinen. [Textband]. Berlin, 1900.

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I. Theil. Die spanabnehmenden Werkzeugmaschinen.
Lehre L steil ansteigt, so werden die Reibungswiderstände zwischen Führungs-
stift D und Lehre L einerseits und die in der Führung des Querschlittens C
anderseits bald so gross, dass ein Klemmen eintritt, wenigstens aber die
den Bettschlitten B nach rechts verschiebende Kraft unverhältnissmässig
gross sein muss, gegenüber den Kräften, welche den Schlitten nach vorn
ziehen.

Man kann diese Schwierigkeit durch solche Anordnung der Lehre
umgehen, dass deren steile Theile von dem Führungsstift abwärts gerichtet
durchschritten werden, oder mildern durch Verwendung einer Führungsrolle
statt des Führungsstiftes D, oder auch dadurch, dass man den Querschlitten
mittels der Hand durch die Schlittenschraube mit der Lehre in Fühlung
hält. Dieses letztere Verfahren kommt z. B. bei der Suchanek'schen Räder-
drehbank1) vor. Eine wesentlich hübschere Lösung habe ich zuerst an
einer Fräsmaschine der Maschinenfabrik Deutschland in Dortmund gesehen2):
sie besteht darin, dass man den Weg des Führungsstiftes längs der Lehre
erheblich grösser macht, als den Weg des Werkzeugs gegenüber dem Stichel.
Beispielsweise sei die vom Werkzeug zu beschreibende Gestalt durch die
Linie A B, Fig. 169 gegeben. Indem man nun, während das Werkzeug
mit dem Führungsstift sich nach rechts bewegt, die Lehre nicht ruhen lässt,

[Abbildung] Fig. 169.
sondern beispielsweise doppelt so rasch nach links verschiebt, erreicht man
die Linie A1 B1 als gegensätzlichen Weg zwischen Stift und Lehre, also
eine bei weitem weniger steile, entsprechend leichter zu ersteigende Lehre.
Bouhey hat für eine Fräsmaschine nach dem vorliegenden Verfahren der
Lehre die fünffache Länge des betreffenden Werkstücks gegeben.3) Sehr
hübsch ist diese Verlängerung der Lehre bei einer von der Maschinen-
fabrik Deutschland gebauten Räderdrehbank4) so durchgeführt, dass die
Lehre auf einer stetig sich drehenden Welle sitzt.

Zuweilen ist wegen der Kleinheit der Formen die unmittelbare Ueber-
tragung der Lehren-Abmessungen auf das Werkstück nicht möglich. Man
greift alsdann, um grössere Lehren zu bekommen, zu dem bei Kopirmaschinen
gebräuchlichen Verfahren, welches auf dem Satze beruht: bei ähnlichen
Dreiecken stehen die Längen gleichliegender Seiten in gleichem Verhältniss
zu einander. Dieser Satz wird in folgender Weise benutzt: Wenn eine
gerade Linie an einem Ende so festgehalten wird, dass sie um den Be-
festigungspunkt schwingen kann, und mit ihrem anderen Ende am Rande

1) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1888, S. 1153, mit Abb. Dingl., polyt. Journ.
1889, Bd. 272, S. 241, mit Abb.
2) Vergl. Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1887, S. 1142.
3) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1887, S. 1141, mit Abb.
4) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1892, S. 1374, mit Abb.

I. Theil. Die spanabnehmenden Werkzeugmaschinen.
Lehre L steil ansteigt, so werden die Reibungswiderstände zwischen Führungs-
stift D und Lehre L einerseits und die in der Führung des Querschlittens C
anderseits bald so gross, dass ein Klemmen eintritt, wenigstens aber die
den Bettschlitten B nach rechts verschiebende Kraft unverhältnissmässig
gross sein muss, gegenüber den Kräften, welche den Schlitten nach vorn
ziehen.

Man kann diese Schwierigkeit durch solche Anordnung der Lehre
umgehen, dass deren steile Theile von dem Führungsstift abwärts gerichtet
durchschritten werden, oder mildern durch Verwendung einer Führungsrolle
statt des Führungsstiftes D, oder auch dadurch, dass man den Querschlitten
mittels der Hand durch die Schlittenschraube mit der Lehre in Fühlung
hält. Dieses letztere Verfahren kommt z. B. bei der Suchanek’schen Räder-
drehbank1) vor. Eine wesentlich hübschere Lösung habe ich zuerst an
einer Fräsmaschine der Maschinenfabrik Deutschland in Dortmund gesehen2):
sie besteht darin, dass man den Weg des Führungsstiftes längs der Lehre
erheblich grösser macht, als den Weg des Werkzeugs gegenüber dem Stichel.
Beispielsweise sei die vom Werkzeug zu beschreibende Gestalt durch die
Linie A B, Fig. 169 gegeben. Indem man nun, während das Werkzeug
mit dem Führungsstift sich nach rechts bewegt, die Lehre nicht ruhen lässt,

[Abbildung] Fig. 169.
sondern beispielsweise doppelt so rasch nach links verschiebt, erreicht man
die Linie A1 B1 als gegensätzlichen Weg zwischen Stift und Lehre, also
eine bei weitem weniger steile, entsprechend leichter zu ersteigende Lehre.
Bouhey hat für eine Fräsmaschine nach dem vorliegenden Verfahren der
Lehre die fünffache Länge des betreffenden Werkstücks gegeben.3) Sehr
hübsch ist diese Verlängerung der Lehre bei einer von der Maschinen-
fabrik Deutschland gebauten Räderdrehbank4) so durchgeführt, dass die
Lehre auf einer stetig sich drehenden Welle sitzt.

Zuweilen ist wegen der Kleinheit der Formen die unmittelbare Ueber-
tragung der Lehren-Abmessungen auf das Werkstück nicht möglich. Man
greift alsdann, um grössere Lehren zu bekommen, zu dem bei Kopirmaschinen
gebräuchlichen Verfahren, welches auf dem Satze beruht: bei ähnlichen
Dreiecken stehen die Längen gleichliegender Seiten in gleichem Verhältniss
zu einander. Dieser Satz wird in folgender Weise benutzt: Wenn eine
gerade Linie an einem Ende so festgehalten wird, dass sie um den Be-
festigungspunkt schwingen kann, und mit ihrem anderen Ende am Rande

1) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1888, S. 1153, mit Abb. Dingl., polyt. Journ.
1889, Bd. 272, S. 241, mit Abb.
2) Vergl. Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1887, S. 1142.
3) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1887, S. 1141, mit Abb.
4) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1892, S. 1374, mit Abb.
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[91/0105] I. Theil. Die spanabnehmenden Werkzeugmaschinen. Lehre L steil ansteigt, so werden die Reibungswiderstände zwischen Führungs- stift D und Lehre L einerseits und die in der Führung des Querschlittens C anderseits bald so gross, dass ein Klemmen eintritt, wenigstens aber die den Bettschlitten B nach rechts verschiebende Kraft unverhältnissmässig gross sein muss, gegenüber den Kräften, welche den Schlitten nach vorn ziehen. Man kann diese Schwierigkeit durch solche Anordnung der Lehre umgehen, dass deren steile Theile von dem Führungsstift abwärts gerichtet durchschritten werden, oder mildern durch Verwendung einer Führungsrolle statt des Führungsstiftes D, oder auch dadurch, dass man den Querschlitten mittels der Hand durch die Schlittenschraube mit der Lehre in Fühlung hält. Dieses letztere Verfahren kommt z. B. bei der Suchanek’schen Räder- drehbank 1) vor. Eine wesentlich hübschere Lösung habe ich zuerst an einer Fräsmaschine der Maschinenfabrik Deutschland in Dortmund gesehen 2): sie besteht darin, dass man den Weg des Führungsstiftes längs der Lehre erheblich grösser macht, als den Weg des Werkzeugs gegenüber dem Stichel. Beispielsweise sei die vom Werkzeug zu beschreibende Gestalt durch die Linie A B, Fig. 169 gegeben. Indem man nun, während das Werkzeug mit dem Führungsstift sich nach rechts bewegt, die Lehre nicht ruhen lässt, [Abbildung Fig. 169.] sondern beispielsweise doppelt so rasch nach links verschiebt, erreicht man die Linie A1 B1 als gegensätzlichen Weg zwischen Stift und Lehre, also eine bei weitem weniger steile, entsprechend leichter zu ersteigende Lehre. Bouhey hat für eine Fräsmaschine nach dem vorliegenden Verfahren der Lehre die fünffache Länge des betreffenden Werkstücks gegeben. 3) Sehr hübsch ist diese Verlängerung der Lehre bei einer von der Maschinen- fabrik Deutschland gebauten Räderdrehbank 4) so durchgeführt, dass die Lehre auf einer stetig sich drehenden Welle sitzt. Zuweilen ist wegen der Kleinheit der Formen die unmittelbare Ueber- tragung der Lehren-Abmessungen auf das Werkstück nicht möglich. Man greift alsdann, um grössere Lehren zu bekommen, zu dem bei Kopirmaschinen gebräuchlichen Verfahren, welches auf dem Satze beruht: bei ähnlichen Dreiecken stehen die Längen gleichliegender Seiten in gleichem Verhältniss zu einander. Dieser Satz wird in folgender Weise benutzt: Wenn eine gerade Linie an einem Ende so festgehalten wird, dass sie um den Be- festigungspunkt schwingen kann, und mit ihrem anderen Ende am Rande 1) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1888, S. 1153, mit Abb. Dingl., polyt. Journ. 1889, Bd. 272, S. 241, mit Abb. 2) Vergl. Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1887, S. 1142. 3) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1887, S. 1141, mit Abb. 4) Zeitschr. d. Ver. deutscher Ingen., 1892, S. 1374, mit Abb.

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Zitationshilfe: Fischer, Hermann: Die Werkzeugmaschinen. Bd. 1: Die Metallbearbeitungs-Maschinen. [Textband]. Berlin, 1900, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_werkzeugmaschinen01_1900/105>, abgerufen am 20.04.2024.