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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Anderer Theil/
[Spaltenumbruch] gar auff dem Platze todt liegen bleiben.
Wo ein grosser Troupp von vielem Wild
ist, und etliche Hirsche darzu kommen, so
jagen sie sich ziemlich herumb, springen
dann unter das Wild hinein, umb sie
von einander zu trennen, welches denn
schwerlich angehen will, so es aber gelin-
get, gehet einer hier mit einem Troupp,
der andere mit etlichem Wild dort hin-
aus. So nun ein Hirsch das Wild be-
springet, oder beschläget, giebt er demsel-
ben mit dem Zäun nicht über vier Stös-
se, aufs geschwindeste und etliche mahl
biß Vergnügung kommt, so ist es vor-
bey. Es kan ein Hirsch, nachdem er
starck oder schwach ist, zehen biß funffze-
hen Thiere beschicken. Sie brunfften
ziemlich lang, und nehmen denn mit gan-
tzer Gewalt ab. Jhre Feiste an Nieren,
fänget an, sich zu verlieren und fahren in
der Brunfft fort, biß sie gantz mager sind,
daß fast nichts an ihnen, als Haut und
Knochen bleibet. Nach der Brunfft-Zeit
begeben sich die Hirsche zusammen und
bleiben den Winter über mehr, als im
Sommer, bey einander, es mögen auch
alsdenn die grossen Hirsche die kleinen
besser leiden. Jm Winter aber schar-
ren sie nach der Heyde, beissen die Kno-
spen von jungen Bäumen, Eichen und
Bircken, auch schälen sie die junge Rin-
de von Aespen und Kiefern, ingleichen
pflicken sie den Vogelkiehn und Mispel
von Windbrüchen ab. Der Bauern
Rüben und braune Kohl wird auch be-
suchet und scharren nach der Eichel und
Buch-Mast, was sie unter dem Laub fin-
den. Sie verbergen sich vor der Kälte
in Behältnissen, tieffen Gründen und
Dickigten, suchen in warmen Qvellen
Nahrung von Brunnenkresse, Kräu-
tern und Wurtzeln. Wo die Sonne
fein anscheinet, wärmen sie sich. Des
Nachts aber, da alles Wild viel kühner
und lange nicht so vorsichtig, als am Ta-
ge ist, gehen sie auf der grünen Saat.
Wann gifftig stinckende Nebel sind, zer-
scharren sie die Ameißhauffen, riechen
darein und brausen von solchem starcken
Spiritu, reinigen durch das Niesen ihr
Gehirn, daß viel böses damit weggehet,
[Spaltenumbruch] und brauchen es gleichsam zu ihrem Nie-
se-Pulver. Wann ein Hirsch was ver-
mercket, gehet er gemeiniglich dem Wind
entgegen und so er gejaget wird, laufft
er mit dem Winde, daß keine Witterung
von ihm zurück bleibe. Eben also
schwimmet er lieber abwerts, als wider
den Strohm. Wird er geschossen, ver-
lässet er balde die andern und gehet bey
Seite, thut sich nieder. So er aber vom
Schieß-Hunde gefunden wird, laufft er,
wo es ihme möglich, weil ihn der Schuß
brennet, nach dem Wasser, sich zu küh-
len, springet hinein und wehret sich.
Wann viel Wild und Hirsche beysam-
men flüchtig werden, lauffen die Stär-
ckesten hinten nach, stossen und schlagen
die andern vor sich fort. Wenn es don-
nert, und grosses Ungewitter entstehet,
bleiben sie nicht gerne unter denen Bäu-
men, sondern begeben sich lieber, wo kein
Dickigt ist, in flache Felder, Wiesen und
lichte Plätze, und stehen daselbst auch in
dem grösten Regen. Bey Aenderung
des Wetters kämpffen die Hirsche mit
dem Gehörn, rennen und jagen einan-
der herumb, und sühlen sich im Prudel
oder Tümpel. Bey Sturmwinden a-
ber sehen sie allezeit nach denen Bäumen
in die Höhe, wohin dieselben in der Noth
fallen mögten. Von dem Hirsch ist zur
Medicin, zwischen zwey Frauen-Tagen,
fast alles zu gebrauchen: Als die Kolben,
woraus ein herrlich Wasser gebrannt
wird, ingleichen das Gehörne, oder Ge-
weyhe, wie auch die Hirsch-Thränen, so ei-
ne starcke gelbe zähe Materie u. in tieffen
Ritzen bey alten Hirschen zu finden ist,
ferner das Hirsch-Creutz, so ein Beinlein
im Hertzen und dem Bezoar an Tugen-
den gleich gerechnet wird. So ist auch
das Unschlitt und Marck eine gute Heil-
Salbe, wie auch der gedörrte Schweiß,
welcher des Bocksbluts Wirckung hat,
anderer Tugenden mehr, wovon die Me-
dici
bessere Nachricht geben können, zu
geschweigen. Auch schlucket das Thier,
wenn es gesetzet, das Häutlein, worin-
nen das Kalb gelegen hat, wiederumb zu
sich, wie die Hirsche das abgeschlagene
Bast vom Gehörne.

Von des Hirsches Befährd.
[Spaltenumbruch]

Die Spuhr, Merckmahl oder Ge-
fährd des Hirsches ist deutlich zu erken-
nen, indem dessen starcke Ballen breit
als Hüner-Eyer und weit von einan-
[Spaltenumbruch] der stehen. Die Lauff-Klauen sind im
Fusse lang und rund gewölbt: Die Aff-
ter-Klauen, welche über denen Ballen
nahe stehen, und der Ober-Rück ist, sind

manch-

Anderer Theil/
[Spaltenumbruch] gar auff dem Platze todt liegen bleiben.
Wo ein groſſer Troupp von vielem Wild
iſt, und etliche Hirſche darzu kommen, ſo
jagen ſie ſich ziemlich herumb, ſpringen
dann unter das Wild hinein, umb ſie
von einander zu trennen, welches denn
ſchwerlich angehen will, ſo es aber gelin-
get, gehet einer hier mit einem Troupp,
der andere mit etlichem Wild dort hin-
aus. So nun ein Hirſch das Wild be-
ſpringet, oder beſchlaͤget, giebt er demſel-
ben mit dem Zaͤun nicht uͤber vier Stoͤſ-
ſe, aufs geſchwindeſte und etliche mahl
biß Vergnuͤgung kommt, ſo iſt es vor-
bey. Es kan ein Hirſch, nachdem er
ſtarck oder ſchwach iſt, zehen biß funffze-
hen Thiere beſchicken. Sie brunfften
ziemlich lang, und nehmen denn mit gan-
tzer Gewalt ab. Jhre Feiſte an Nieren,
faͤnget an, ſich zu verlieren und fahren in
der Brunfft fort, biß ſie gantz mager ſind,
daß faſt nichts an ihnen, als Haut und
Knochen bleibet. Nach der Brunfft-Zeit
begeben ſich die Hirſche zuſammen und
bleiben den Winter uͤber mehr, als im
Sommer, bey einander, es moͤgen auch
alsdenn die groſſen Hirſche die kleinen
beſſer leiden. Jm Winter aber ſchar-
ren ſie nach der Heyde, beiſſen die Kno-
ſpen von jungen Baͤumen, Eichen und
Bircken, auch ſchaͤlen ſie die junge Rin-
de von Aeſpen und Kiefern, ingleichen
pflicken ſie den Vogelkiehn und Miſpel
von Windbruͤchen ab. Der Bauern
Ruͤben und braune Kohl wird auch be-
ſuchet und ſcharren nach der Eichel und
Buch-Maſt, was ſie unter dem Laub fin-
den. Sie verbergen ſich vor der Kaͤlte
in Behaͤltniſſen, tieffen Gruͤnden und
Dickigten, ſuchen in warmen Qvellen
Nahrung von Brunnenkreſſe, Kraͤu-
tern und Wurtzeln. Wo die Sonne
fein anſcheinet, waͤrmen ſie ſich. Des
Nachts aber, da alles Wild viel kuͤhner
und lange nicht ſo vorſichtig, als am Ta-
ge iſt, gehen ſie auf der gruͤnen Saat.
Wann gifftig ſtinckende Nebel ſind, zer-
ſcharren ſie die Ameißhauffen, riechen
darein und brauſen von ſolchem ſtarcken
Spiritu, reinigen durch das Nieſen ihr
Gehirn, daß viel boͤſes damit weggehet,
[Spaltenumbruch] und brauchen es gleichſam zu ihrem Nie-
ſe-Pulver. Wann ein Hirſch was ver-
mercket, gehet er gemeiniglich dem Wind
entgegen und ſo er gejaget wird, laufft
er mit dem Winde, daß keine Witterung
von ihm zuruͤck bleibe. Eben alſo
ſchwimmet er lieber abwerts, als wider
den Strohm. Wird er geſchoſſen, ver-
laͤſſet er balde die andern und gehet bey
Seite, thut ſich nieder. So er aber vom
Schieß-Hunde gefunden wird, laufft er,
wo es ihme moͤglich, weil ihn der Schuß
brennet, nach dem Waſſer, ſich zu kuͤh-
len, ſpringet hinein und wehret ſich.
Wann viel Wild und Hirſche beyſam-
men fluͤchtig werden, lauffen die Staͤr-
ckeſten hinten nach, ſtoſſen und ſchlagen
die andern vor ſich fort. Wenn es don-
nert, und groſſes Ungewitter entſtehet,
bleiben ſie nicht gerne unter denen Baͤu-
men, ſondern begeben ſich lieber, wo kein
Dickigt iſt, in flache Felder, Wieſen und
lichte Plaͤtze, und ſtehen daſelbſt auch in
dem groͤſten Regen. Bey Aenderung
des Wetters kaͤmpffen die Hirſche mit
dem Gehoͤrn, rennen und jagen einan-
der herumb, und ſuͤhlen ſich im Prudel
oder Tuͤmpel. Bey Sturmwinden a-
ber ſehen ſie allezeit nach denen Baͤumen
in die Hoͤhe, wohin dieſelben in der Noth
fallen moͤgten. Von dem Hirſch iſt zur
Medicin, zwiſchen zwey Frauen-Tagen,
faſt alles zu gebrauchen: Als die Kolben,
woraus ein herrlich Waſſer gebrannt
wird, ingleichen das Gehoͤrne, oder Ge-
weyhe, wie auch die Hirſch-Thraͤnen, ſo ei-
ne ſtarcke gelbe zaͤhe Materie u. in tieffen
Ritzen bey alten Hirſchen zu finden iſt,
ferner das Hirſch-Creutz, ſo ein Beinlein
im Hertzen und dem Bezoar an Tugen-
den gleich gerechnet wird. So iſt auch
das Unſchlitt und Marck eine gute Heil-
Salbe, wie auch der gedoͤrrte Schweiß,
welcher des Bocksbluts Wirckung hat,
anderer Tugenden mehr, wovon die Me-
dici
beſſere Nachricht geben koͤnnen, zu
geſchweigen. Auch ſchlucket das Thier,
wenn es geſetzet, das Haͤutlein, worin-
nen das Kalb gelegen hat, wiederumb zu
ſich, wie die Hirſche das abgeſchlagene
Baſt vom Gehoͤrne.

Von des Hirſches Befaͤhrd.
[Spaltenumbruch]

Die Spuhr, Merckmahl oder Ge-
faͤhrd des Hirſches iſt deutlich zu erken-
nen, indem deſſen ſtarcke Ballen breit
als Huͤner-Eyer und weit von einan-
[Spaltenumbruch] der ſtehen. Die Lauff-Klauen ſind im
Fuſſe lang und rund gewoͤlbt: Die Aff-
ter-Klauen, welche uͤber denen Ballen
nahe ſtehen, und der Ober-Ruͤck iſt, ſind

manch-
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[94/0186] Anderer Theil/ gar auff dem Platze todt liegen bleiben. Wo ein groſſer Troupp von vielem Wild iſt, und etliche Hirſche darzu kommen, ſo jagen ſie ſich ziemlich herumb, ſpringen dann unter das Wild hinein, umb ſie von einander zu trennen, welches denn ſchwerlich angehen will, ſo es aber gelin- get, gehet einer hier mit einem Troupp, der andere mit etlichem Wild dort hin- aus. So nun ein Hirſch das Wild be- ſpringet, oder beſchlaͤget, giebt er demſel- ben mit dem Zaͤun nicht uͤber vier Stoͤſ- ſe, aufs geſchwindeſte und etliche mahl biß Vergnuͤgung kommt, ſo iſt es vor- bey. Es kan ein Hirſch, nachdem er ſtarck oder ſchwach iſt, zehen biß funffze- hen Thiere beſchicken. Sie brunfften ziemlich lang, und nehmen denn mit gan- tzer Gewalt ab. Jhre Feiſte an Nieren, faͤnget an, ſich zu verlieren und fahren in der Brunfft fort, biß ſie gantz mager ſind, daß faſt nichts an ihnen, als Haut und Knochen bleibet. Nach der Brunfft-Zeit begeben ſich die Hirſche zuſammen und bleiben den Winter uͤber mehr, als im Sommer, bey einander, es moͤgen auch alsdenn die groſſen Hirſche die kleinen beſſer leiden. Jm Winter aber ſchar- ren ſie nach der Heyde, beiſſen die Kno- ſpen von jungen Baͤumen, Eichen und Bircken, auch ſchaͤlen ſie die junge Rin- de von Aeſpen und Kiefern, ingleichen pflicken ſie den Vogelkiehn und Miſpel von Windbruͤchen ab. Der Bauern Ruͤben und braune Kohl wird auch be- ſuchet und ſcharren nach der Eichel und Buch-Maſt, was ſie unter dem Laub fin- den. Sie verbergen ſich vor der Kaͤlte in Behaͤltniſſen, tieffen Gruͤnden und Dickigten, ſuchen in warmen Qvellen Nahrung von Brunnenkreſſe, Kraͤu- tern und Wurtzeln. Wo die Sonne fein anſcheinet, waͤrmen ſie ſich. Des Nachts aber, da alles Wild viel kuͤhner und lange nicht ſo vorſichtig, als am Ta- ge iſt, gehen ſie auf der gruͤnen Saat. Wann gifftig ſtinckende Nebel ſind, zer- ſcharren ſie die Ameißhauffen, riechen darein und brauſen von ſolchem ſtarcken Spiritu, reinigen durch das Nieſen ihr Gehirn, daß viel boͤſes damit weggehet, und brauchen es gleichſam zu ihrem Nie- ſe-Pulver. Wann ein Hirſch was ver- mercket, gehet er gemeiniglich dem Wind entgegen und ſo er gejaget wird, laufft er mit dem Winde, daß keine Witterung von ihm zuruͤck bleibe. Eben alſo ſchwimmet er lieber abwerts, als wider den Strohm. Wird er geſchoſſen, ver- laͤſſet er balde die andern und gehet bey Seite, thut ſich nieder. So er aber vom Schieß-Hunde gefunden wird, laufft er, wo es ihme moͤglich, weil ihn der Schuß brennet, nach dem Waſſer, ſich zu kuͤh- len, ſpringet hinein und wehret ſich. Wann viel Wild und Hirſche beyſam- men fluͤchtig werden, lauffen die Staͤr- ckeſten hinten nach, ſtoſſen und ſchlagen die andern vor ſich fort. Wenn es don- nert, und groſſes Ungewitter entſtehet, bleiben ſie nicht gerne unter denen Baͤu- men, ſondern begeben ſich lieber, wo kein Dickigt iſt, in flache Felder, Wieſen und lichte Plaͤtze, und ſtehen daſelbſt auch in dem groͤſten Regen. Bey Aenderung des Wetters kaͤmpffen die Hirſche mit dem Gehoͤrn, rennen und jagen einan- der herumb, und ſuͤhlen ſich im Prudel oder Tuͤmpel. Bey Sturmwinden a- ber ſehen ſie allezeit nach denen Baͤumen in die Hoͤhe, wohin dieſelben in der Noth fallen moͤgten. Von dem Hirſch iſt zur Medicin, zwiſchen zwey Frauen-Tagen, faſt alles zu gebrauchen: Als die Kolben, woraus ein herrlich Waſſer gebrannt wird, ingleichen das Gehoͤrne, oder Ge- weyhe, wie auch die Hirſch-Thraͤnen, ſo ei- ne ſtarcke gelbe zaͤhe Materie u. in tieffen Ritzen bey alten Hirſchen zu finden iſt, ferner das Hirſch-Creutz, ſo ein Beinlein im Hertzen und dem Bezoar an Tugen- den gleich gerechnet wird. So iſt auch das Unſchlitt und Marck eine gute Heil- Salbe, wie auch der gedoͤrrte Schweiß, welcher des Bocksbluts Wirckung hat, anderer Tugenden mehr, wovon die Me- dici beſſere Nachricht geben koͤnnen, zu geſchweigen. Auch ſchlucket das Thier, wenn es geſetzet, das Haͤutlein, worin- nen das Kalb gelegen hat, wiederumb zu ſich, wie die Hirſche das abgeſchlagene Baſt vom Gehoͤrne. Von des Hirſches Befaͤhrd. Die Spuhr, Merckmahl oder Ge- faͤhrd des Hirſches iſt deutlich zu erken- nen, indem deſſen ſtarcke Ballen breit als Huͤner-Eyer und weit von einan- der ſtehen. Die Lauff-Klauen ſind im Fuſſe lang und rund gewoͤlbt: Die Aff- ter-Klauen, welche uͤber denen Ballen nahe ſtehen, und der Ober-Ruͤck iſt, ſind manch-

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/186>, abgerufen am 25.04.2024.