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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Anderer Theil/
[Spaltenumbruch] dann ohnstreitig genungsam zu urthei-
len, daß die Anatomie keine verächtliche
und unanständige Sache seyn müsse,
weiln auch in vorigen Zeiten dieselbe von
gelehrten und klugen Leuten ist getrie-
ben worden. Jch vor meine wenige Per-
son beklage hertzlich, daß ich in meiner
Jugend auf der Universität nicht mehr
hierinnen profitiret, da mir es dann jetzo
leichter fallen solte. Was aber vorbey, ist
[Spaltenumbruch] nicht zu ändern: Jmmittelst muß der stete
Fleiß dennoch dasjenige einiger maassen
contribuiren, was die Jugend negligiret.
Will demnach, so viel ich von guten Freun-
den aus Manuscriptis colligiren können,
hierdurch dem geneigten Leser vorstel-
len, mit dienstlicher Bitte, daferne ein Feh-
ler vorgehen solte, solchen gütigst zu excu-
sir
en, weil ich dergleichen selbst in Experi-
enz
wenig gehabt.

Was Anatomia sey.
[Spaltenumbruch]

Wie Niemand ein Uhrwerck rich-
ten oder stellen kan, der dessen Spillen,
Rädergen und Bewegung des Perpen-
diculs
nicht genau verstehet oder begreif-
fen kan, und von einander zu unterschei-
den weiß: Also kan Niemand das vorha-
bende Subjectum judiciren, der diesen be-
schlossenen Cörper nicht vorhero durch al-
le zarte Theilgen geöffnet und zuvor be-
trachtet. Es ist aber eigentlich Anato-
mia,
ihrem Ursprunge nach, wie alle freye
Künste, aus Griechenland kommen, und
lehret die Zergliederung einer lebendigen
Creatur, die Theile zart abzulösen, umb
zu sehen, woraus die Composition des
Cörpers bestehe, und wie die flüßigen
Theile durch ihre Röhren lauffen, und
hin und her gehen. Es werden aber nicht
alleine Menschen, wie gemeldet, umb sich
selbst zu erkennen, anatomiret, auf daß
man die Kranckheiten Menschlicher Zu-
fälle glücklicher zu curiren wissen möge,
sondern auch die zahmen und wilden
Thiere. Die zahmen, daß wir in Zeit der
Noth ihrer Kranckheit helffen: Die wil-
den Thiere aber sind vornemlich einem
Jäger oder Weydemann zu wissen nö-
thig, weil viel Thiere in einem und an-
dern Theil, wie leicht zu erachten, an-
ders beschaffen sind. Nun bestehen die
Leiber derer lebendigen Thiere aus fe-
sten und fliessenden Theilen: Alle die fe-
sten Theile sind nicht anders als Pfeif-
fen und Röhrgen, von weissen Knochen
formiret, welche nach ihrer unterschiede-
nen Gestalt das künstliche Gebäu vor-
stellen und ein Sceleton genennet wer-
den. Nun kan dieses aus Röhrgen be-
stehende Gestelle nicht beweget werden,
daferne diese nicht durch eine flüssige
Feuchtigkeit und Lufft stets auffgespan-
net werden, an welcher Bewegung denn
auch das Leben oder die Kranckheit und
der Tod hänget: Denn so lange der Leib
[Spaltenumbruch] gesund leben soll, so lange müssen nicht
alleine alle diese Werckzeuge rein und
wohl disponiret seyn, sondern die Säffte
müssen auch hierdurch ohne die gering-
ste Verhinderung lauffen und correspon-
dir
en. So bald nur diese Röhrgen zer-
brochen oder die Säffte verdicket wer-
den und durch diese Pfeiffen nicht durch
gehen können, so verursachen sie folgends
Verstopffung, wodurch der Umblauff
der Säffte verhindert wird und die
Kranckheiten entstehen. Wann es aber
geschiehet, daß die Säffte gar zu dick und
zum Umblauff gantz unbeqvem, auch
die Pfeiffen so zerbrochen, daß alle Säff-
te heraus lauffen, so ist das Sterben ver-
handen: Gleich wie man siehet, wenn
das Hertz verwundet ist, daß aus dem-
selbigen alles Blut heraus fliesse. An die-
sen Röhren sind angefüget die Flech-
sen, Spann- und Sehn-Adern, so umb
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wunden: hierauff vertheilen sich die A-
dern, so mit einer dünnen Haut über-
zogen und letzlich mit der dicken Haut be-
decket. Der nechste Weg ist: Man öff-
ne vom Halse die gantze Brust zugleich
mit dem Unter-Bauch und secire von
dem Hertzen vor erst die Pulß-Adern,
wie sie nach einem jeglichen Theile lauf-
fen und das Geblüte vertheilen, welches
durch die Blut-Adern wieder zum Her-
tzen, so dann in die Lunge und wieder
zum Hertzen kommt, von dar aus aber
durch die grosse und Schlag-Ader in dem
gantzen Leib zertheilet wird, und durch
alle Theile des Cörpers in viele Zweig-
lein herumb läuffet. Wann nun dieses
geschehen, nimmt man die Gestalt eines
jeden Eingeweydes zu betrachten vor sich,
erforschet, woher die Pulß-Adern in die
Beine und Glieder vertheilet sind; Her-
nach erkundiget man den Lauff des Chy-
li
oder Nahrungs-Saffts, item die Ge-

stalt

Anderer Theil/
[Spaltenumbruch] dann ohnſtreitig genungſam zu urthei-
len, daß die Anatomie keine veraͤchtliche
und unanſtaͤndige Sache ſeyn muͤſſe,
weiln auch in vorigen Zeiten dieſelbe von
gelehrten und klugen Leuten iſt getrie-
ben worden. Jch vor meine wenige Per-
ſon beklage hertzlich, daß ich in meiner
Jugend auf der Univerſitaͤt nicht mehr
hierinnen profitiret, da mir es dann jetzo
leichter fallen ſolte. Was aber vorbey, iſt
[Spaltenumbruch] nicht zu aͤndern: Jmmittelſt muß der ſtete
Fleiß dennoch dasjenige einiger maaſſen
contribuiren, was die Jugend negligiret.
Will demnach, ſo viel ich von guten Freun-
den aus Manuſcriptis colligiren koͤnnen,
hierdurch dem geneigten Leſer vorſtel-
len, mit dienſtlicher Bitte, daferne ein Feh-
ler vorgehen ſolte, ſolchen guͤtigſt zu excu-
ſir
en, weil ich dergleichen ſelbſt in Experi-
enz
wenig gehabt.

Was Anatomia ſey.
[Spaltenumbruch]

Wie Niemand ein Uhrwerck rich-
ten oder ſtellen kan, der deſſen Spillen,
Raͤdergen und Bewegung des Perpen-
diculs
nicht genau verſtehet oder begreif-
fen kan, und von einander zu unterſchei-
den weiß: Alſo kan Niemand das vorha-
bende Subjectum judiciren, der dieſen be-
ſchloſſenen Coͤrper nicht vorhero durch al-
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trachtet. Es iſt aber eigentlich Anato-
mia,
ihrem Urſprunge nach, wie alle freye
Kuͤnſte, aus Griechenland kommen, und
lehret die Zergliederung einer lebendigen
Creatur, die Theile zart abzuloͤſen, umb
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Coͤrpers beſtehe, und wie die fluͤßigen
Theile durch ihre Roͤhren lauffen, und
hin und her gehen. Es werden aber nicht
alleine Menſchen, wie gemeldet, umb ſich
ſelbſt zu erkennen, anatomiret, auf daß
man die Kranckheiten Menſchlicher Zu-
faͤlle gluͤcklicher zu curiren wiſſen moͤge,
ſondern auch die zahmen und wilden
Thiere. Die zahmen, daß wir in Zeit der
Noth ihrer Kranckheit helffen: Die wil-
den Thiere aber ſind vornemlich einem
Jaͤger oder Weydemann zu wiſſen noͤ-
thig, weil viel Thiere in einem und an-
dern Theil, wie leicht zu erachten, an-
ders beſchaffen ſind. Nun beſtehen die
Leiber derer lebendigen Thiere aus fe-
ſten und flieſſenden Theilen: Alle die fe-
ſten Theile ſind nicht anders als Pfeif-
fen und Roͤhrgen, von weiſſen Knochen
formiret, welche nach ihrer unterſchiede-
nen Geſtalt das kuͤnſtliche Gebaͤu vor-
ſtellen und ein Sceleton genennet wer-
den. Nun kan dieſes aus Roͤhrgen be-
ſtehende Geſtelle nicht beweget werden,
daferne dieſe nicht durch eine fluͤſſige
Feuchtigkeit und Lufft ſtets auffgeſpan-
net werden, an welcher Bewegung denn
auch das Leben oder die Kranckheit und
der Tod haͤnget: Denn ſo lange der Leib
[Spaltenumbruch] geſund leben ſoll, ſo lange muͤſſen nicht
alleine alle dieſe Werckzeuge rein und
wohl diſponiret ſeyn, ſondern die Saͤffte
muͤſſen auch hierdurch ohne die gering-
ſte Verhinderung lauffen und correſpon-
dir
en. So bald nur dieſe Roͤhrgen zer-
brochen oder die Saͤffte verdicket wer-
den und durch dieſe Pfeiffen nicht durch
gehen koͤnnen, ſo verurſachen ſie folgends
Verſtopffung, wodurch der Umblauff
der Saͤffte verhindert wird und die
Kranckheiten entſtehen. Wann es aber
geſchiehet, daß die Saͤffte gar zu dick und
zum Umblauff gantz unbeqvem, auch
die Pfeiffen ſo zerbrochen, daß alle Saͤff-
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handen: Gleich wie man ſiehet, wenn
das Hertz verwundet iſt, daß aus dem-
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ſen, Spann- und Sehn-Adern, ſo umb
die Muſculos oder Fleiſch Stuͤckgen umb-
wunden: hierauff vertheilen ſich die A-
dern, ſo mit einer duͤnnen Haut uͤber-
zogen und letzlich mit der dicken Haut be-
decket. Der nechſte Weg iſt: Man oͤff-
ne vom Halſe die gantze Bruſt zugleich
mit dem Unter-Bauch und ſecire von
dem Hertzen vor erſt die Pulß-Adern,
wie ſie nach einem jeglichen Theile lauf-
fen und das Gebluͤte vertheilen, welches
durch die Blut-Adern wieder zum Her-
tzen, ſo dann in die Lunge und wieder
zum Hertzen kommt, von dar aus aber
durch die groſſe und Schlag-Ader in dem
gantzen Leib zertheilet wird, und durch
alle Theile des Coͤrpers in viele Zweig-
lein herumb laͤuffet. Wann nun dieſes
geſchehen, nimmt man die Geſtalt eines
jeden Eingeweydes zu betrachten vor ſich,
erforſchet, woher die Pulß-Adern in die
Beine und Glieder vertheilet ſind; Her-
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li
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[122/0224] Anderer Theil/ dann ohnſtreitig genungſam zu urthei- len, daß die Anatomie keine veraͤchtliche und unanſtaͤndige Sache ſeyn muͤſſe, weiln auch in vorigen Zeiten dieſelbe von gelehrten und klugen Leuten iſt getrie- ben worden. Jch vor meine wenige Per- ſon beklage hertzlich, daß ich in meiner Jugend auf der Univerſitaͤt nicht mehr hierinnen profitiret, da mir es dann jetzo leichter fallen ſolte. Was aber vorbey, iſt nicht zu aͤndern: Jmmittelſt muß der ſtete Fleiß dennoch dasjenige einiger maaſſen contribuiren, was die Jugend negligiret. Will demnach, ſo viel ich von guten Freun- den aus Manuſcriptis colligiren koͤnnen, hierdurch dem geneigten Leſer vorſtel- len, mit dienſtlicher Bitte, daferne ein Feh- ler vorgehen ſolte, ſolchen guͤtigſt zu excu- ſiren, weil ich dergleichen ſelbſt in Experi- enz wenig gehabt. Was Anatomia ſey. Wie Niemand ein Uhrwerck rich- ten oder ſtellen kan, der deſſen Spillen, Raͤdergen und Bewegung des Perpen- diculs nicht genau verſtehet oder begreif- fen kan, und von einander zu unterſchei- den weiß: Alſo kan Niemand das vorha- bende Subjectum judiciren, der dieſen be- ſchloſſenen Coͤrper nicht vorhero durch al- le zarte Theilgen geoͤffnet und zuvor be- trachtet. Es iſt aber eigentlich Anato- mia, ihrem Urſprunge nach, wie alle freye Kuͤnſte, aus Griechenland kommen, und lehret die Zergliederung einer lebendigen Creatur, die Theile zart abzuloͤſen, umb zu ſehen, woraus die Compoſition des Coͤrpers beſtehe, und wie die fluͤßigen Theile durch ihre Roͤhren lauffen, und hin und her gehen. Es werden aber nicht alleine Menſchen, wie gemeldet, umb ſich ſelbſt zu erkennen, anatomiret, auf daß man die Kranckheiten Menſchlicher Zu- faͤlle gluͤcklicher zu curiren wiſſen moͤge, ſondern auch die zahmen und wilden Thiere. Die zahmen, daß wir in Zeit der Noth ihrer Kranckheit helffen: Die wil- den Thiere aber ſind vornemlich einem Jaͤger oder Weydemann zu wiſſen noͤ- thig, weil viel Thiere in einem und an- dern Theil, wie leicht zu erachten, an- ders beſchaffen ſind. Nun beſtehen die Leiber derer lebendigen Thiere aus fe- ſten und flieſſenden Theilen: Alle die fe- ſten Theile ſind nicht anders als Pfeif- fen und Roͤhrgen, von weiſſen Knochen formiret, welche nach ihrer unterſchiede- nen Geſtalt das kuͤnſtliche Gebaͤu vor- ſtellen und ein Sceleton genennet wer- den. Nun kan dieſes aus Roͤhrgen be- ſtehende Geſtelle nicht beweget werden, daferne dieſe nicht durch eine fluͤſſige Feuchtigkeit und Lufft ſtets auffgeſpan- net werden, an welcher Bewegung denn auch das Leben oder die Kranckheit und der Tod haͤnget: Denn ſo lange der Leib geſund leben ſoll, ſo lange muͤſſen nicht alleine alle dieſe Werckzeuge rein und wohl diſponiret ſeyn, ſondern die Saͤffte muͤſſen auch hierdurch ohne die gering- ſte Verhinderung lauffen und correſpon- diren. So bald nur dieſe Roͤhrgen zer- brochen oder die Saͤffte verdicket wer- den und durch dieſe Pfeiffen nicht durch gehen koͤnnen, ſo verurſachen ſie folgends Verſtopffung, wodurch der Umblauff der Saͤffte verhindert wird und die Kranckheiten entſtehen. Wann es aber geſchiehet, daß die Saͤffte gar zu dick und zum Umblauff gantz unbeqvem, auch die Pfeiffen ſo zerbrochen, daß alle Saͤff- te heraus lauffen, ſo iſt das Sterben ver- handen: Gleich wie man ſiehet, wenn das Hertz verwundet iſt, daß aus dem- ſelbigen alles Blut heraus flieſſe. An die- ſen Roͤhren ſind angefuͤget die Flech- ſen, Spann- und Sehn-Adern, ſo umb die Muſculos oder Fleiſch Stuͤckgen umb- wunden: hierauff vertheilen ſich die A- dern, ſo mit einer duͤnnen Haut uͤber- zogen und letzlich mit der dicken Haut be- decket. Der nechſte Weg iſt: Man oͤff- ne vom Halſe die gantze Bruſt zugleich mit dem Unter-Bauch und ſecire von dem Hertzen vor erſt die Pulß-Adern, wie ſie nach einem jeglichen Theile lauf- fen und das Gebluͤte vertheilen, welches durch die Blut-Adern wieder zum Her- tzen, ſo dann in die Lunge und wieder zum Hertzen kommt, von dar aus aber durch die groſſe und Schlag-Ader in dem gantzen Leib zertheilet wird, und durch alle Theile des Coͤrpers in viele Zweig- lein herumb laͤuffet. Wann nun dieſes geſchehen, nimmt man die Geſtalt eines jeden Eingeweydes zu betrachten vor ſich, erforſchet, woher die Pulß-Adern in die Beine und Glieder vertheilet ſind; Her- nach erkundiget man den Lauff des Chy- li oder Nahrungs-Saffts, item die Ge- ſtalt

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/224>, abgerufen am 16.04.2024.