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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] wäre: Wann sie aber über einen Weg
traben, so gehen sie gerne ein wenig auf
dem Weg hin und her und also von ein-
ander und suchen ihre Nahrung allent-
halben. Wann der Wolff etwas zu se-
hen bekömmt, so stehet er gleich stille, bü-
cket seinen Kopff und schielet dahin: wo
er nun siehet, das ihn das Thier nicht
vermercket, so schleichet er hinter Bäu-
me, Stöcke, Sträucher und andern Vor-
theil mehr, so nahe er kan, auch öffters
lauret er lange, biß das Thier sich zu ihm
nahet, dann wischt er hervor: Oder sie
suchen auch des Nachts und theilen sich
besonders aus, wie die Jagd-Hunde, ein
jeder vor sich, welcher nun etwas an-
trifft, demselben folgen die andern, ma-
chen es müde, und reissen es nieder:
Sie sehen auch ziemlich scharf und hören
leise, können auch im Lauffen lange tau-
ren, wittern die Fährde gar scharf, wie
die Hunde: Wann deren etliche bey-
sammen seyn, so beugen sie immer vor,
damit sie desto eher ein Thier einhohlen
können. Wann ein Hirsch vor ihnen
flüchtet und sich ins Wasser stellet, trau-
en sie ihm nicht, wegen seines Gehörns:
Gegen Morgen traben sie an einen stillen
Ort, da sie sich den Tag über aufhalten
und verbergen: Wann sie was von
Wildprät gefangen haben, können sie die
Haut so artig in der Dünnung aus-
schälen; Nach der Lung und Hertz reissen
sie zuerst, und fressen sich dick und fett:
Bißweilen lassen sie den Kopff und Kno-
chen liegen, und wenn die Wölffe satt
und dicke, weltzen sie sich und wischen den
Schweiß auf dem Rasen ab, hauchen vor
innewendiger Hitze. Jhre Fährd oder
Spuhr ist bald den grossen Hunden gleich:
alleine der Wölffe ihre Ballen sind
schmähler und die Fährd ein gutes län-
ger; Denn die Hunde-Spuhren viel
runder sind: Was sie mit ihrem Gebiß be-
schädigen, heilet nicht wohl. Sie purgi-
r
en sich mit Graß und reinigen den Ma-
gen mit sandigter Erde. Wann die jun-
ge Wölffin zwey Jahr alt und zum er-
stenmahl setzet, hat sie nicht über zwey
biß drey Junge, doch hat sie alle Jahr
eins mehr, biß ins neundte Jahr, her-
nach wiederumb, weil die Natur ab-
nimmet, eines weniger. Sie leben nicht
über zwantzig Jahr ihres Alters. Jm
Winter, wenn es still und hell Wetter
und darbey sehr kalt ist, können sie greu-
lich heulen, daß man es weit hören kan;
Zuweilen auch gar öffters vor Hunger.
[Spaltenumbruch] Eine Wölffin kan sich mit grossen Hun-
den belauffen und Junge darvon em-
pfangen, welche sie eben sowohl in sol-
cher Liebe aufferziehet, als ihre eigene
Art: Desgleichen kan auch ein Wolff sich
mit einer Hündin vermischen, dahero
kömmt es dann, daß öffters wunders-
würdige schwartze oder rothe Wölffe ge-
funden werden, sonderlich wann die gros-
sen zahmen Hunde in der Winter-Kälte
wüthend werden, und läuffisch in Wäl-
dern umbher lauffen, auch sich gar ver-
liehren; Wovon das Sprichwort ent-
standen: Lupus pilos, non animum
mutat,
der Wolff verändert zwar die
Haar, nicht aber sein Gemüthe. Wann
ein Wolff unter die Schaaffe kommt, wird
er eins nach dem andern würgen und
öffters nichts davon bekommen. Ein
alter Wolff nimmt ein Schaaff auf den
Rücken und laufft mit davon: So sie
aber nichts fangen, können sie auf drey
Tage fasten und müssen bißweilen man-
chen Fehl-Gang thun. Die Wolffs-
Bälge sind gut zu Peltzen auff Reisen:
Das Wildprät oder ihr Fleisch, ist de-
nen Hunden von Natur zuwieder. An
denen vördersten Füssen hat er fünff
Zehen, an denen hintern aber nur vie-
re, und kan man die vordersten zwey
Klauen deutlich sehen: Er macht in de-
nen Ballen drey Gruben, hat auch eine
härtere Lohsung als die Wölffin; jedoch
nachdem ihr Fraß gewesen. Sie jagen
das Wild aufs Eiß, daß es gleitet und
zerreissen es. Finden sie aber anders
nichts, so greiffen sie die Bauer-Hunde
im harten Winter bey der Gurgel an.
Sie leiden keinen verwundeten Wolff
unter sich, sondern zerreissen ihn alsobald;
was sie nicht fressen, verscharren sie und
heben es zur andern Zeit auff. Die
Speissen, welche sie denen Jungen brin-
gen, Kotzen sie aus. An denen Nieren
sollen ihnen Schlangen wachsen, welche
Fingers lang. Der Wölffe ordentliche
Farbe von Haaren ist grau und schwartz
vermischt und weißlicht am Bauche, ha-
ben einen dicken molligten Kopff, mit
langem starckem Gebiß, kurtze aufrechte
Ohren und hellgläntzende Augen. Jn
Engelland, Schottland und Rügen soll
kein Wolff bleiben wollen, was aber die
Ursache, ist unbekant. Sonst hat ein
Wolff seine Stärcke am meisten im vor-
dern Theil des Leibes, der Brust, Schul-
tern, Halß und Kopff, hinten aber ist er
schwach, daß er auch leicht daselbst ge-

schlagen
O 2

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] waͤre: Wann ſie aber uͤber einen Weg
traben, ſo gehen ſie gerne ein wenig auf
dem Weg hin und her und alſo von ein-
ander und ſuchen ihre Nahrung allent-
halben. Wann der Wolff etwas zu ſe-
hen bekoͤmmt, ſo ſtehet er gleich ſtille, buͤ-
cket ſeinen Kopff und ſchielet dahin: wo
er nun ſiehet, das ihn das Thier nicht
vermercket, ſo ſchleichet er hinter Baͤu-
me, Stoͤcke, Straͤucher und andern Vor-
theil mehr, ſo nahe er kan, auch oͤffters
lauret er lange, biß das Thier ſich zu ihm
nahet, dann wiſcht er hervor: Oder ſie
ſuchen auch des Nachts und theilen ſich
beſonders aus, wie die Jagd-Hunde, ein
jeder vor ſich, welcher nun etwas an-
trifft, demſelben folgen die andern, ma-
chen es muͤde, und reiſſen es nieder:
Sie ſehen auch ziemlich ſcharf und hoͤren
leiſe, koͤnnen auch im Lauffen lange tau-
ren, wittern die Faͤhrde gar ſcharf, wie
die Hunde: Wann deren etliche bey-
ſammen ſeyn, ſo beugen ſie immer vor,
damit ſie deſto eher ein Thier einhohlen
koͤnnen. Wann ein Hirſch vor ihnen
fluͤchtet und ſich ins Waſſer ſtellet, trau-
en ſie ihm nicht, wegen ſeines Gehoͤrns:
Gegen Morgen traben ſie an einen ſtillen
Ort, da ſie ſich den Tag uͤber aufhalten
und verbergen: Wann ſie was von
Wildpraͤt gefangen haben, koͤnnen ſie die
Haut ſo artig in der Duͤnnung aus-
ſchaͤlen; Nach der Lung und Hertz reiſſen
ſie zuerſt, und freſſen ſich dick und fett:
Bißweilen laſſen ſie den Kopff und Kno-
chen liegen, und wenn die Woͤlffe ſatt
und dicke, weltzen ſie ſich und wiſchen den
Schweiß auf dem Raſen ab, hauchen vor
innewendiger Hitze. Jhre Faͤhrd oder
Spuhr iſt bald den groſſen Hunden gleich:
alleine der Woͤlffe ihre Ballen ſind
ſchmaͤhler und die Faͤhrd ein gutes laͤn-
ger; Denn die Hunde-Spuhren viel
runder ſind: Was ſie mit ihrem Gebiß be-
ſchaͤdigen, heilet nicht wohl. Sie purgi-
r
en ſich mit Graß und reinigen den Ma-
gen mit ſandigter Erde. Wann die jun-
ge Woͤlffin zwey Jahr alt und zum er-
ſtenmahl ſetzet, hat ſie nicht uͤber zwey
biß drey Junge, doch hat ſie alle Jahr
eins mehr, biß ins neundte Jahr, her-
nach wiederumb, weil die Natur ab-
nimmet, eines weniger. Sie leben nicht
uͤber zwantzig Jahr ihres Alters. Jm
Winter, wenn es ſtill und hell Wetter
und darbey ſehr kalt iſt, koͤnnen ſie greu-
lich heulen, daß man es weit hoͤren kan;
Zuweilen auch gar oͤffters vor Hunger.
[Spaltenumbruch] Eine Woͤlffin kan ſich mit groſſen Hun-
den belauffen und Junge darvon em-
pfangen, welche ſie eben ſowohl in ſol-
cher Liebe aufferziehet, als ihre eigene
Art: Desgleichen kan auch ein Wolff ſich
mit einer Huͤndin vermiſchen, dahero
koͤmmt es dann, daß oͤffters wunders-
wuͤrdige ſchwartze oder rothe Woͤlffe ge-
funden werden, ſonderlich wann die groſ-
ſen zahmen Hunde in der Winter-Kaͤlte
wuͤthend werden, und laͤuffiſch in Waͤl-
dern umbher lauffen, auch ſich gar ver-
liehren; Wovon das Sprichwort ent-
ſtanden: Lupus pilos, non animum
mutat,
der Wolff veraͤndert zwar die
Haar, nicht aber ſein Gemuͤthe. Wann
ein Wolff unter die Schaaffe kommt, wird
er eins nach dem andern wuͤrgen und
oͤffters nichts davon bekommen. Ein
alter Wolff nimmt ein Schaaff auf den
Ruͤcken und laufft mit davon: So ſie
aber nichts fangen, koͤnnen ſie auf drey
Tage faſten und muͤſſen bißweilen man-
chen Fehl-Gang thun. Die Wolffs-
Baͤlge ſind gut zu Peltzen auff Reiſen:
Das Wildpraͤt oder ihr Fleiſch, iſt de-
nen Hunden von Natur zuwieder. An
denen voͤrderſten Fuͤſſen hat er fuͤnff
Zehen, an denen hintern aber nur vie-
re, und kan man die vorderſten zwey
Klauen deutlich ſehen: Er macht in de-
nen Ballen drey Gruben, hat auch eine
haͤrtere Lohſung als die Woͤlffin; jedoch
nachdem ihr Fraß geweſen. Sie jagen
das Wild aufs Eiß, daß es gleitet und
zerreiſſen es. Finden ſie aber anders
nichts, ſo greiffen ſie die Bauer-Hunde
im harten Winter bey der Gurgel an.
Sie leiden keinen verwundeten Wolff
unter ſich, ſondern zerreiſſen ihn alſobald;
was ſie nicht freſſen, verſcharren ſie und
heben es zur andern Zeit auff. Die
Speiſſen, welche ſie denen Jungen brin-
gen, Kotzen ſie aus. An denen Nieren
ſollen ihnen Schlangen wachſen, welche
Fingers lang. Der Woͤlffe ordentliche
Farbe von Haaren iſt grau und ſchwartz
vermiſcht und weißlicht am Bauche, ha-
ben einen dicken molligten Kopff, mit
langem ſtarckem Gebiß, kurtze aufrechte
Ohren und hellglaͤntzende Augen. Jn
Engelland, Schottland und Ruͤgen ſoll
kein Wolff bleiben wollen, was aber die
Urſache, iſt unbekant. Sonſt hat ein
Wolff ſeine Staͤrcke am meiſten im vor-
dern Theil des Leibes, der Bruſt, Schul-
tern, Halß und Kopff, hinten aber iſt er
ſchwach, daß er auch leicht daſelbſt ge-

ſchlagen
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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/205>, abgerufen am 19.04.2024.