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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Von der Jagd/ oder dem Weyde-Werck.
[Spaltenumbruch] bens-Gefahr über Berg und Thal, in
Schnee, Frost und Ungewitter, in Hun-
ger und Durst, das Wild gefangen, und
sich daran hertzlich vergnüget, ob sie sol-
ches gleich nicht genossen, vermeldet Cor-
nelius Tacitus,
da er schreibet: Unsere
alten Teutschen waren unruhig, und
kunten nicht stille sitzen, es war ihnen
unmöglich; Wann sie keine Kriege hat-
ten, oder in Streit zogen, so belustigten
sie sich mit dem Weydewerck, und jag-
ten die wilden Thiere in Wäldern her-
umb. Wiewohl nun zwar nicht zu läug-
nen, daß zu solchen Zeiten viele grosse
Herren und Potentaten, alt und jung,
ihr Leben eingebüsset, und auf der Jagd
elendiglich umbkommen müssen, wie in
denen Historien hin und wieder genung-
sam zu finden ist: Cyrus stürtzte auf der
Jagd mit seinem Pferde, als er nach ei-
ner Hündin eylete; Käyser Hadrian hat-
te unterschiedliche Unglücke darbey; Ale-
xander Magnus
wurd von einem Bär
schädlich gebissen; Was Maximilianus
vor unglückliche Fata, und viele Gefähr-
ligkeiten ausgestanden, sonderlich bey
Jnspruck auf der Gembsen-Jagd, da-
von habe oben schon gesaget. Hertzog
Ernst in Schwaben, Wilhelm, Land-
graff von Hessen, und Käyser Otto der
Erste sind mit den Pferden tödtlich ge-
stürtzet und verwundet worden; Andere
dergleichen Exempla mehr mit Stillschwei-
gen zu übergehen. Doch ist hierbey zu
vermuthen, daß solche grosse Herren aus
selbst eigener Ubereylung dergleichen un-
glückliche Fata ihnen verursachet haben,
und dahero solche keines weges der Jagd
zuzuschreiben seyen. Dann sonsten con-
seqventer
auch alle andere Ritterliche U-
bungen ebenfalls verhast seyn müsten.
Hieraus ersiehet man nun, daß solche
Venatio Animalium oder das Weyde-
werck der wilden Thiere, und Jagd der-
selben zu Holtz und Felde ein uhralter
Gebrauch von langen Zeiten her gewesen,
deren sich anfänglichen die Einwohner in
ihren Ländern, die schädlichen Raub-Thie-
re zu vertilgen, frey ungehindert bedie-
net. Als aber hierdurch viel Raubens
entstanden, ein jeder jagen wollen, und
andere Nahrung liegen blieben, haben
grosse Herren es dem gemeinen Mann
entzogen, und vor sich allein behalten,
was ihnen aber entlegen, andern ver-
kauffet, oder in Kuppel-Jagden, Gna-
den-Jagden, Mit-Jagden, oder derglei-
chen vertheilet, wo sie aber gewohnet,
[Spaltenumbruch] Niemanden zu jagen verstattet, jedoch
auf den äusersten Gräntzen des Reichs, in
einem gewissen Bezirck, dem Publico zur
Ergetzung, ein freyes Pürschen eingeräu-
met, darmit in Friedens-Zeiten ein Je-
der daselbst jagen könne, und in ihren
Gehägen das Wildpräth geruhig lassen
möge. Jst dahero gantz unstreitig das
Jagen wilder Thiere, wenn es zumahl
rechtmäßig gebrauchet wird, als eine
höchsterfreuliche angenehme Herren-
Lust, der Obrigkeit wegen obhabender
Regierungs-Sorge gar wohl zu gönnen;
Sonderlich wann es vornemlich in Got-
tesfurcht und zu rechter Zeit ohne Scha-
den anderer Leute, und ohne Nachtheil
der Wirthschafft mit frölichem Gemüth
ordentlich vorgenommen wird; Und
wann es solcher maassen ohne andere
Sünden geschiehet, kan es nichts anders
als eine Gott und Menschen wohlgefäl-
lige vergnügte Ubung seyn, so allerdings
von Hohen und niedrigen Stands-Per-
sonen zu loben, auch der Gesundheit
dienlich und Gottes Seegen dabey zu
spühren ist, wofür man billig dem Gros-
sen Gott mit demüthigem Hertzen dan-
cken soll. Gleichwie aber der verführi-
sche Höllen-Geist, der Satan, sich nicht
gescheuet, in der Wüsten sich an den
Herrn Christum selbsten zu machen, und
ihn zu verführen gesuchet, auch die lie-
ben Alt-Väter, Patriarchen, und Ein-
siedler offte versuchet hat, welche ihm
aber mit Beystand des Heiligen Geistes,
durch Gottes Wort und festen Glauben
sattsam wiederstanden; Also ists kein
Wunder, wenn er auch einfältige arme
Leute, so die meiste Zeit ihres Lebens in
der Wildniß zubringen, durch seine Höl-
lische Netze und Stricke, Aberglauben
und dergleichen, sonderlich diejenigen, so
nichts gelernet, verführet und anlocket.
Dahero dann solchergestalt die Jagd,
leyder Gott erbarm es! heut zu
Tage von vielen mißbrauchet, und
in Sünde und Schande verwandelt
wird, mithin bey Jedermann ver-
hast werden muß. Es kan ja kein Ja-
gen geschehen, oder es wird derjenige
kein rechter Jäger genennet, der nicht
zauberische Teuffels-Künste, Wild ban-
nen, oder Weydemänner machen kan.
Höret man nicht von Jedermann, auch
von denen kleinen Bauer-Jungen un-
erhöhrtes GOtteslästerliches Fluchen?
Wie offt wird in der Satz-Zeit alt und
jung ruiniret, die liebe Saat-Felder der

armen

Von der Jagd/ oder dem Weyde-Werck.
[Spaltenumbruch] bens-Gefahr uͤber Berg und Thal, in
Schnee, Froſt und Ungewitter, in Hun-
ger und Durſt, das Wild gefangen, und
ſich daran hertzlich vergnuͤget, ob ſie ſol-
ches gleich nicht genoſſen, vermeldet Cor-
nelius Tacitus,
da er ſchreibet: Unſere
alten Teutſchen waren unruhig, und
kunten nicht ſtille ſitzen, es war ihnen
unmoͤglich; Wann ſie keine Kriege hat-
ten, oder in Streit zogen, ſo beluſtigten
ſie ſich mit dem Weydewerck, und jag-
ten die wilden Thiere in Waͤldern her-
umb. Wiewohl nun zwar nicht zu laͤug-
nen, daß zu ſolchen Zeiten viele groſſe
Herren und Potentaten, alt und jung,
ihr Leben eingebuͤſſet, und auf der Jagd
elendiglich umbkommen muͤſſen, wie in
denen Hiſtorien hin und wieder genung-
ſam zu finden iſt: Cyrus ſtuͤrtzte auf der
Jagd mit ſeinem Pferde, als er nach ei-
ner Huͤndin eylete; Kaͤyſer Hadrian hat-
te unterſchiedliche Ungluͤcke darbey; Ale-
xander Magnus
wurd von einem Baͤr
ſchaͤdlich gebiſſen; Was Maximilianus
vor ungluͤckliche Fata, und viele Gefaͤhr-
ligkeiten ausgeſtanden, ſonderlich bey
Jnſpruck auf der Gembſen-Jagd, da-
von habe oben ſchon geſaget. Hertzog
Ernſt in Schwaben, Wilhelm, Land-
graff von Heſſen, und Kaͤyſer Otto der
Erſte ſind mit den Pferden toͤdtlich ge-
ſtuͤrtzet und verwundet worden; Andere
dergleichẽ Exempla mehr mit Stillſchwei-
gen zu uͤbergehen. Doch iſt hierbey zu
vermuthen, daß ſolche groſſe Herren aus
ſelbſt eigener Ubereylung dergleichen un-
gluͤckliche Fata ihnen verurſachet haben,
und dahero ſolche keines weges der Jagd
zuzuſchreiben ſeyen. Dann ſonſten con-
ſeqventer
auch alle andere Ritterliche U-
bungen ebenfalls verhaſt ſeyn muͤſten.
Hieraus erſiehet man nun, daß ſolche
Venatio Animalium oder das Weyde-
werck der wilden Thiere, und Jagd der-
ſelben zu Holtz und Felde ein uhralter
Gebrauch von langen Zeiten her geweſen,
deren ſich anfaͤnglichen die Einwohner in
ihren Laͤndern, die ſchaͤdlichen Raub-Thie-
re zu vertilgen, frey ungehindert bedie-
net. Als aber hierdurch viel Raubens
entſtanden, ein jeder jagen wollen, und
andere Nahrung liegen blieben, haben
groſſe Herren es dem gemeinen Mann
entzogen, und vor ſich allein behalten,
was ihnen aber entlegen, andern ver-
kauffet, oder in Kuppel-Jagden, Gna-
den-Jagden, Mit-Jagden, oder derglei-
chen vertheilet, wo ſie aber gewohnet,
[Spaltenumbruch] Niemanden zu jagen verſtattet, jedoch
auf den aͤuſerſten Graͤntzen des Reichs, in
einem gewiſſen Bezirck, dem Publico zur
Ergetzung, ein freyes Puͤrſchen eingeraͤu-
met, darmit in Friedens-Zeiten ein Je-
der daſelbſt jagen koͤnne, und in ihren
Gehaͤgen das Wildpraͤth geruhig laſſen
moͤge. Jſt dahero gantz unſtreitig das
Jagen wilder Thiere, wenn es zumahl
rechtmaͤßig gebrauchet wird, als eine
hoͤchſterfreuliche angenehme Herren-
Luſt, der Obrigkeit wegen obhabender
Regierungs-Sorge gar wohl zu goͤnnen;
Sonderlich wann es vornemlich in Got-
tesfurcht und zu rechter Zeit ohne Scha-
den anderer Leute, und ohne Nachtheil
der Wirthſchafft mit froͤlichem Gemuͤth
ordentlich vorgenommen wird; Und
wann es ſolcher maaſſen ohne andere
Suͤnden geſchiehet, kan es nichts anders
als eine Gott und Menſchen wohlgefaͤl-
lige vergnuͤgte Ubung ſeyn, ſo allerdings
von Hohen und niedrigen Stands-Per-
ſonen zu loben, auch der Geſundheit
dienlich und Gottes Seegen dabey zu
ſpuͤhren iſt, wofuͤr man billig dem Groſ-
ſen Gott mit demuͤthigem Hertzen dan-
cken ſoll. Gleichwie aber der verfuͤhri-
ſche Hoͤllen-Geiſt, der Satan, ſich nicht
geſcheuet, in der Wuͤſten ſich an den
Herrn Chriſtum ſelbſten zu machen, und
ihn zu verfuͤhren geſuchet, auch die lie-
ben Alt-Vaͤter, Patriarchen, und Ein-
ſiedler offte verſuchet hat, welche ihm
aber mit Beyſtand des Heiligen Geiſtes,
durch Gottes Wort und feſten Glauben
ſattſam wiederſtanden; Alſo iſts kein
Wunder, wenn er auch einfaͤltige arme
Leute, ſo die meiſte Zeit ihres Lebens in
der Wildniß zubringen, durch ſeine Hoͤl-
liſche Netze und Stricke, Aberglauben
und dergleichen, ſonderlich diejenigen, ſo
nichts gelernet, verfuͤhret und anlocket.
Dahero dann ſolchergeſtalt die Jagd,
leyder Gott erbarm es! heut zu
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in Suͤnde und Schande verwandelt
wird, mithin bey Jedermann ver-
haſt werden muß. Es kan ja kein Ja-
gen geſchehen, oder es wird derjenige
kein rechter Jaͤger genennet, der nicht
zauberiſche Teuffels-Kuͤnſte, Wild ban-
nen, oder Weydemaͤnner machen kan.
Hoͤret man nicht von Jedermann, auch
von denen kleinen Bauer-Jungen un-
erhoͤhrtes GOtteslaͤſterliches Fluchen?
Wie offt wird in der Satz-Zeit alt und
jung ruiniret, die liebe Saat-Felder der

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/381>, abgerufen am 25.04.2024.