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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Erster Theil/
[Spaltenumbruch]
Von der Bircke.

Die Bircke bricht ihre Knospen und
schlägt mit dem Laub des Frühlings
nicht eher aus, biß alle Fröste vorbey
sind: Das junge Bircken-Reiß oder Un-
ter-Holtz hat braune Rinde, und wird,
weil es am Geschmack bitter ist, von dem
Vieh selten beschädiget. Wie nützlich
und heilsam solches Reiß und Ruthe
zur Schulen- und Hauß-Zucht in Auff-
erziehung der lieben Jugend sey, das
Böse dadurch zu bestraffen, zum wenig-
sten eine Furcht und Scheu davor zu
haben, ist mehr als zu bekant. So die-
net es auch zu Kehr-Besen, die Zimmer
damit rein zu halten, ohne welches sau-
bern der Koth mit vielem Verdruß lie-
gen bleiben würde. Sonsten ist die Bir-
cke ein bekanter Baum, welcher gerne
an kalten Orten, wo der Schnee lieget,
an Stein-Wänden und altem Gemau-
er wächset; Der Stamm hat weisse
Rinde, ist im Wetter sehr dauerhafft,
hat seine Nahrung meistens vom Sal-
peter. Er giebt des Frühlings viel ge-
sunden Safft oder Bircken-Wasser, wie
bekant, von sich, welches eine treffliche
Artzeney ist, und das innerliche saltzigte
Geblüt, Aussatz und Krätze von dem
Menschen innerlich austreibet, davon die
Tartarn sehr guten Meth machen, und
glauben, daß solches ein gutes Praeser-
vativ
vor Kranckheiten sey. Der Saa-
me, welcher in rauchen Kertzlein und
länglichten Glöcklein, wie an den Ha-
selstauden, wächset, woraus er in un-
zehlichen Blättlein in der Lufft fortflie-
get, wird reiff zwischen Johannis und
Michaelis, nachdem die Witterung ist.
Es sind der Bircken zweyerley, als Ro-
the oder Henge-Bircken, deren Holtz
röthlicht und die Blätter klein glockwei-
se herunter hangen; Und sollen nach
des Plinii Nat. Hist. Lib. I. c. 18. Zeug-
niß die Ruthen der Geisselung unsers
liebsten Heylandes in seinem Leyden hier-
von gewesen seyn, zu deren Andencken
sie dißfalls abwärts hangen müsten, wie-
wohl dieses mehr vor Geistliche Gedan-
cken, als eine Gewißheit kan gemercket
werden, und man in seinem Werth be-
ruhen lässet. Die andere Art sind Weiß-
Bircken, deren Laub aufrecht stehet und
die grössere Blätter, auch weiß Hlotz hat;
Sie wächset in dreyßig biß vierzig Jah-
ren so starck, daß solche zu Klaffter-
Schlägen nützlich ist; Und sind an etli-
[Spaltenumbruch] chen Orten so starcke Bircken zu finden,
daß man aus denselben Bretter zu Ti-
schen schneiden kan. Jm alten Testa-
ment wurde denen Kindern Jsrael von
Mose befohlen das Fest mit Meyen zu
schmücken biß an die Hörner des Altars:
So werden auch des lieblichen Geruchs
halber in Kirchen, Häusern und Stu-
ben die Meyen gestecket. Die Römer
hatten vorzeiten im Gebrauch, zum
Triumph und Sieges-Zeichen die Eh-
ren-Pforten von Meyen dem Uberwin-
der zu setzen, dahero heutiges Tages
noch die Kriegs-Leute sich bey Setzung sol-
cher Meyen vieler Lustbarkeiten gebrau-
chen, und denen Vornehmen gegen
Trinckgeld solche vor ihre Häuser zu setzen
pflegen. Die Lieffländischen Bauern
machen sich vom Bircken-Holtz und Reiß
Sattel und Zaum, und binden mit de-
rer Bast die Schuh; Und weiln meist
der Stamm von unten auf krum wach-
set, wird er zu Schlitten-Kufen und Ra-
de-Felgen, auch die jungen Bircken zu
Leitern und Karn-Bäumen vor Wa-
gen und Kutschen, und wann sie noch
zähe und jung, zu Faß- und Kannen-
Reiffen gebrauchet; So bedienen sich auch
die Drechßler dieses Holtzes. Die Späh-
ne von grünlich verwestem und feuch-
tem Bircken-Holtze scheinen bey Nacht
im finstern als hellglüende und feurige
Kohlen, so, daß solche von einfältigen
und leichtgläubigen Leuten mit Furcht
und Schrecken für dergleichen angesehen
werden; Wann sie aber ausgedrocknet,
wollen sie so helle nicht mehr scheinen.
Den Saamen und Knospen brauchen
des Frühlings zum öfftern die Birck-
Hühner zu ihrer Nahrung. Der
Schwamm an Bircken soll die güldene
Ader und das Blut stillen, auch solchen
ins Trinck-Gefäße geleget und täglich da-
rüber getruncken, soll die Kröpffe am
Halß und stetiges Haupt-Weh vertrei-
ben. Das vorgemeldte Bircken-Was-
ser oder Safft, so im Frühling durch ei-
nen Federkiehl abgezapffet wird, soll aus-
ser denen innerlich austreibenden Eigen-
schafften auch äuserlich die erhitzten und
inflammirten Gliedmassen kühlen, ja wie
einige wollen, gar den kalten Brand lö-
schen. Die Jungfern, umb ihr Ange-
sicht schön und lieblich zu machen, auch
die Leber-Flecken und Sommersprossen
zu vertreiben, legen über Nacht ein da-
mit benetztes Tüchlein darauf. Er trei-
bet und zermalmet innerlich den Blasen-

und
Erſter Theil/
[Spaltenumbruch]
Von der Bircke.

Die Bircke bricht ihre Knoſpen und
ſchlaͤgt mit dem Laub des Fruͤhlings
nicht eher aus, biß alle Froͤſte vorbey
ſind: Das junge Bircken-Reiß oder Un-
ter-Holtz hat braune Rinde, und wird,
weil es am Geſchmack bitter iſt, von dem
Vieh ſelten beſchaͤdiget. Wie nuͤtzlich
und heilſam ſolches Reiß und Ruthe
zur Schulen- und Hauß-Zucht in Auff-
erziehung der lieben Jugend ſey, das
Boͤſe dadurch zu beſtraffen, zum wenig-
ſten eine Furcht und Scheu davor zu
haben, iſt mehr als zu bekant. So die-
net es auch zu Kehr-Beſen, die Zimmer
damit rein zu halten, ohne welches ſau-
bern der Koth mit vielem Verdruß lie-
gen bleiben wuͤrde. Sonſten iſt die Bir-
cke ein bekanter Baum, welcher gerne
an kalten Orten, wo der Schnee lieget,
an Stein-Waͤnden und altem Gemau-
er waͤchſet; Der Stamm hat weiſſe
Rinde, iſt im Wetter ſehr dauerhafft,
hat ſeine Nahrung meiſtens vom Sal-
peter. Er giebt des Fruͤhlings viel ge-
ſunden Safft oder Bircken-Waſſer, wie
bekant, von ſich, welches eine treffliche
Artzeney iſt, und das innerliche ſaltzigte
Gebluͤt, Auſſatz und Kraͤtze von dem
Menſchen innerlich austreibet, davon die
Tartarn ſehr guten Meth machen, und
glauben, daß ſolches ein gutes Præſer-
vativ
vor Kranckheiten ſey. Der Saa-
me, welcher in rauchen Kertzlein und
laͤnglichten Gloͤcklein, wie an den Ha-
ſelſtauden, waͤchſet, woraus er in un-
zehlichen Blaͤttlein in der Lufft fortflie-
get, wird reiff zwiſchen Johannis und
Michaelis, nachdem die Witterung iſt.
Es ſind der Bircken zweyerley, als Ro-
the oder Henge-Bircken, deren Holtz
roͤthlicht und die Blaͤtter klein glockwei-
ſe herunter hangen; Und ſollen nach
des Plinii Nat. Hiſt. Lib. I. c. 18. Zeug-
niß die Ruthen der Geiſſelung unſers
liebſten Heylandes in ſeinem Leyden hier-
von geweſen ſeyn, zu deren Andencken
ſie dißfalls abwaͤrts hangen muͤſten, wie-
wohl dieſes mehr vor Geiſtliche Gedan-
cken, als eine Gewißheit kan gemercket
werden, und man in ſeinem Werth be-
ruhen laͤſſet. Die andere Art ſind Weiß-
Bircken, deren Laub aufrecht ſtehet und
die groͤſſere Blaͤtter, auch weiß Hlotz hat;
Sie waͤchſet in dreyßig biß vierzig Jah-
ren ſo ſtarck, daß ſolche zu Klaffter-
Schlaͤgen nuͤtzlich iſt; Und ſind an etli-
[Spaltenumbruch] chen Orten ſo ſtarcke Bircken zu finden,
daß man aus denſelben Bretter zu Ti-
ſchen ſchneiden kan. Jm alten Teſta-
ment wurde denen Kindern Jſrael von
Moſe befohlen das Feſt mit Meyen zu
ſchmuͤcken biß an die Hoͤrner des Altars:
So werden auch des lieblichen Geruchs
halber in Kirchen, Haͤuſern und Stu-
ben die Meyen geſtecket. Die Roͤmer
hatten vorzeiten im Gebrauch, zum
Triumph und Sieges-Zeichen die Eh-
ren-Pforten von Meyen dem Uberwin-
der zu ſetzen, dahero heutiges Tages
noch die Kriegs-Leute ſich bey Setzung ſol-
cher Meyen vieler Luſtbarkeiten gebrau-
chen, und denen Vornehmen gegen
Trinckgeld ſolche vor ihre Haͤuſer zu ſetzen
pflegen. Die Liefflaͤndiſchen Bauern
machen ſich vom Bircken-Holtz und Reiß
Sattel und Zaum, und binden mit de-
rer Baſt die Schuh; Und weiln meiſt
der Stamm von unten auf krum wach-
ſet, wird er zu Schlitten-Kufen und Ra-
de-Felgen, auch die jungen Bircken zu
Leitern und Karn-Baͤumen vor Wa-
gen und Kutſchen, und wann ſie noch
zaͤhe und jung, zu Faß- und Kannen-
Reiffen gebrauchet; So bedienen ſich auch
die Drechßler dieſes Holtzes. Die Spaͤh-
ne von gruͤnlich verweſtem und feuch-
tem Bircken-Holtze ſcheinen bey Nacht
im finſtern als hellgluͤende und feurige
Kohlen, ſo, daß ſolche von einfaͤltigen
und leichtglaͤubigen Leuten mit Furcht
und Schrecken fuͤr dergleichen angeſehen
werden; Wann ſie aber ausgedrocknet,
wollen ſie ſo helle nicht mehr ſcheinen.
Den Saamen und Knoſpen brauchen
des Fruͤhlings zum oͤfftern die Birck-
Huͤhner zu ihrer Nahrung. Der
Schwamm an Bircken ſoll die guͤldene
Ader und das Blut ſtillen, auch ſolchen
ins Trinck-Gefaͤße geleget und taͤglich da-
ruͤber getruncken, ſoll die Kroͤpffe am
Halß und ſtetiges Haupt-Weh vertrei-
ben. Das vorgemeldte Bircken-Waſ-
ſer oder Safft, ſo im Fruͤhling durch ei-
nen Federkiehl abgezapffet wird, ſoll auſ-
ſer denen innerlich austreibenden Eigen-
ſchafften auch aͤuſerlich die erhitzten und
inflammirten Gliedmaſſen kuͤhlen, ja wie
einige wollen, gar den kalten Brand loͤ-
ſchen. Die Jungfern, umb ihr Ange-
ſicht ſchoͤn und lieblich zu machen, auch
die Leber-Flecken und Sommerſproſſen
zu vertreiben, legen uͤber Nacht ein da-
mit benetztes Tuͤchlein darauf. Er trei-
bet und zermalmet innerlich den Blaſen-

und
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[32/0096] Erſter Theil/ Von der Bircke. Die Bircke bricht ihre Knoſpen und ſchlaͤgt mit dem Laub des Fruͤhlings nicht eher aus, biß alle Froͤſte vorbey ſind: Das junge Bircken-Reiß oder Un- ter-Holtz hat braune Rinde, und wird, weil es am Geſchmack bitter iſt, von dem Vieh ſelten beſchaͤdiget. Wie nuͤtzlich und heilſam ſolches Reiß und Ruthe zur Schulen- und Hauß-Zucht in Auff- erziehung der lieben Jugend ſey, das Boͤſe dadurch zu beſtraffen, zum wenig- ſten eine Furcht und Scheu davor zu haben, iſt mehr als zu bekant. So die- net es auch zu Kehr-Beſen, die Zimmer damit rein zu halten, ohne welches ſau- bern der Koth mit vielem Verdruß lie- gen bleiben wuͤrde. Sonſten iſt die Bir- cke ein bekanter Baum, welcher gerne an kalten Orten, wo der Schnee lieget, an Stein-Waͤnden und altem Gemau- er waͤchſet; Der Stamm hat weiſſe Rinde, iſt im Wetter ſehr dauerhafft, hat ſeine Nahrung meiſtens vom Sal- peter. Er giebt des Fruͤhlings viel ge- ſunden Safft oder Bircken-Waſſer, wie bekant, von ſich, welches eine treffliche Artzeney iſt, und das innerliche ſaltzigte Gebluͤt, Auſſatz und Kraͤtze von dem Menſchen innerlich austreibet, davon die Tartarn ſehr guten Meth machen, und glauben, daß ſolches ein gutes Præſer- vativ vor Kranckheiten ſey. Der Saa- me, welcher in rauchen Kertzlein und laͤnglichten Gloͤcklein, wie an den Ha- ſelſtauden, waͤchſet, woraus er in un- zehlichen Blaͤttlein in der Lufft fortflie- get, wird reiff zwiſchen Johannis und Michaelis, nachdem die Witterung iſt. Es ſind der Bircken zweyerley, als Ro- the oder Henge-Bircken, deren Holtz roͤthlicht und die Blaͤtter klein glockwei- ſe herunter hangen; Und ſollen nach des Plinii Nat. Hiſt. Lib. I. c. 18. Zeug- niß die Ruthen der Geiſſelung unſers liebſten Heylandes in ſeinem Leyden hier- von geweſen ſeyn, zu deren Andencken ſie dißfalls abwaͤrts hangen muͤſten, wie- wohl dieſes mehr vor Geiſtliche Gedan- cken, als eine Gewißheit kan gemercket werden, und man in ſeinem Werth be- ruhen laͤſſet. Die andere Art ſind Weiß- Bircken, deren Laub aufrecht ſtehet und die groͤſſere Blaͤtter, auch weiß Hlotz hat; Sie waͤchſet in dreyßig biß vierzig Jah- ren ſo ſtarck, daß ſolche zu Klaffter- Schlaͤgen nuͤtzlich iſt; Und ſind an etli- chen Orten ſo ſtarcke Bircken zu finden, daß man aus denſelben Bretter zu Ti- ſchen ſchneiden kan. Jm alten Teſta- ment wurde denen Kindern Jſrael von Moſe befohlen das Feſt mit Meyen zu ſchmuͤcken biß an die Hoͤrner des Altars: So werden auch des lieblichen Geruchs halber in Kirchen, Haͤuſern und Stu- ben die Meyen geſtecket. Die Roͤmer hatten vorzeiten im Gebrauch, zum Triumph und Sieges-Zeichen die Eh- ren-Pforten von Meyen dem Uberwin- der zu ſetzen, dahero heutiges Tages noch die Kriegs-Leute ſich bey Setzung ſol- cher Meyen vieler Luſtbarkeiten gebrau- chen, und denen Vornehmen gegen Trinckgeld ſolche vor ihre Haͤuſer zu ſetzen pflegen. Die Liefflaͤndiſchen Bauern machen ſich vom Bircken-Holtz und Reiß Sattel und Zaum, und binden mit de- rer Baſt die Schuh; Und weiln meiſt der Stamm von unten auf krum wach- ſet, wird er zu Schlitten-Kufen und Ra- de-Felgen, auch die jungen Bircken zu Leitern und Karn-Baͤumen vor Wa- gen und Kutſchen, und wann ſie noch zaͤhe und jung, zu Faß- und Kannen- Reiffen gebrauchet; So bedienen ſich auch die Drechßler dieſes Holtzes. Die Spaͤh- ne von gruͤnlich verweſtem und feuch- tem Bircken-Holtze ſcheinen bey Nacht im finſtern als hellgluͤende und feurige Kohlen, ſo, daß ſolche von einfaͤltigen und leichtglaͤubigen Leuten mit Furcht und Schrecken fuͤr dergleichen angeſehen werden; Wann ſie aber ausgedrocknet, wollen ſie ſo helle nicht mehr ſcheinen. Den Saamen und Knoſpen brauchen des Fruͤhlings zum oͤfftern die Birck- Huͤhner zu ihrer Nahrung. Der Schwamm an Bircken ſoll die guͤldene Ader und das Blut ſtillen, auch ſolchen ins Trinck-Gefaͤße geleget und taͤglich da- ruͤber getruncken, ſoll die Kroͤpffe am Halß und ſtetiges Haupt-Weh vertrei- ben. Das vorgemeldte Bircken-Waſ- ſer oder Safft, ſo im Fruͤhling durch ei- nen Federkiehl abgezapffet wird, ſoll auſ- ſer denen innerlich austreibenden Eigen- ſchafften auch aͤuſerlich die erhitzten und inflammirten Gliedmaſſen kuͤhlen, ja wie einige wollen, gar den kalten Brand loͤ- ſchen. Die Jungfern, umb ihr Ange- ſicht ſchoͤn und lieblich zu machen, auch die Leber-Flecken und Sommerſproſſen zu vertreiben, legen uͤber Nacht ein da- mit benetztes Tuͤchlein darauf. Er trei- bet und zermalmet innerlich den Blaſen- und

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/96>, abgerufen am 29.03.2024.