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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Des Ersten Theils 26. Capitel/
[Spaltenumbruch] zu GOttes Ehren und des Nächsten Nu-
tzen besser angewendet werden können,
als daß man sie dem Wetter und der Lufft
zum gäntzlichen Ruin und Untergang ü-
bergeben. Es haben auch an einigen Oer-
tern, wo vor Zeiten solche Raub-Schlös-
ser gestanden, die Durchlauchtigsten Chur-
fürsten zu Sachsen zu ihrer Lust und Be-
qvemlichkeit Jagd-Häuser und Schlös-
ser erbauen lassen, und einige ihren treu-
en Vasallen geschencket, und allerhand
Grundstücken dazu geschlagen. Ob im
übrigen dieses in der Wahrheit gegrün-
det sey, daß die Besitzer derjenigen Ritter-
Güter, wo vor diesen solche Raub-Nester
gewesen, kein rechtes Glück und Seegen
auf solchen Gütern haben, wie ihrer viele
zu behaupten suchen, und mit unterschie-
denen Exempeln beweisen wollen/ lasse
an seinen Ort gestellet seyn.

Das 26. Capitel/
Von den Sigeunern.
§. 1.

Nachdem die so genannten Zigeuner
den ehmahligen alten Räubern im
Rauben nichts nachgeben, nur daß es ih-
nen an der Macht fehlet, so wird nicht un-
recht seyn, wenn ich auch von den Zigeu-
nern noch eines und das andere anführe,
da zumahl die Jägerey meistentheils
pflegt aufgebothen zu werden, sie in den
Wäldern aufzusuchen. Dieses Gesindel
giebet vor, sie wären aus Klein Egypten
gebürtig, stammten von Chus her, der
ein Sohn gewesen des alten Stamm-Va-
ters Cham, von dem alle die Egyptier
und Ethiopier ihren Ursprung herleite-
ten. Weil ihre Vorfahren alsbald nach
Christi Geburth eine grosse Sünde ge-
than, da sie die Gebährerin GOttes, die
heilige Jungfrau Mariam, nebst ihr
Kind JEsum, und den alten Joseph, da
sie vor Herode geflohen, nicht aufnehmen
wollen, hätte der grosse GOtt damahls
auf ihre Nachkommen einen solchen Fluch
gelegt, daß sie nun in der Jrre und in dem
Elend herumwandern müsten. Um sol-
cher Ursachen willen hätten sie von dem
Käyser Sigismundo Ann. 1437. einen Be-
gnadigungs-Brieff erhalten, daß sie be-
ständig ein sicher Geleit haben solten.

§. 2.

Jedoch es ist nun mehr als zu be-
kandt, daß diese Zigeuner nichts anders
seyn, denn ein zusammengelauffenes bö-
ses Gesindel, so nicht Lust zu arbeiten hat,
sondern von Müßiggang, Stehlen, Hu-
[Spaltenumbruch] ren, Fressen, Sauffen und Spielen Pro-
fession
machen will. Es finden sich hie-
bey abgedanckte oder desertirte Soldaten,
liederliche Bedienten und Handwercks-
Pursche, die ihren Herren und Meistern
nicht wollen gut thun, ungerathene Söh-
ne, die ihren Eltern entlauffen, solche Wei-
bes-Vetteln, die den Staupenschlag er-
halten, und sich sonst weder durch Kup-
peln noch Huren etwas mehr verdienen
können. Sie färben sich die Gesichter mit
grünen Nuß-Schaalen, damit sie desto
scheußlicher aussehen, und unwissenden
Leuten die Meynung desto eher beybrin-
gen, als ob sie aus den heissen Mittags-
Ländern ihren Ursprung herführten.
Sie machen unter sich eine besondere
Sprache und eigenen Dialectum aus, da-
mit sie desto fremder scheinen, und ein-
ander dasjenige, was zu Beförderung
ihrer Absichten dienlich, communiciren
können, und andere Leute sie doch nicht
verstehen. Die rechten Zigeuner-Ban-
den erwehlen einen Chef unter sich, der
sie alle commandiret, und dem sie insge-
samt Parition leisten. Das Weibes-Volck
trägt lange Mäntel, damit sie unter sol-
chen die gestohlnen Kleider und andere
Sachen desto besser verbergen mögen. Sie
führen Pferde, Pistohlen, und allerhand
Gewehr bey sich, um sich derselben bey
Gelegenheit zu bedienen.

§. 3.

Jnsonderheit wollen sie in dem
Nativität-stellen, in der Chiromantie, und
in dem Wahrsagen sehr erfahren seyn,
und propheceyen also den Leuten, und
meistentheils dem gemeinen Volck, gegen
ein Trinckgeld alles, was die Leute gerne
hören wollen. Sie erkundigen sich off-
ters bey andern nach dieser oder jener ih-
ren Umständen, damit sie geschickt seyn,
manchen Leuten dasjenige, was ihnen in
den vorigen Jahren ihres Lebens bege-
gnet, herzusagen, und sie den andern die
Opinion von sich beybringen, daß sie mit
ebenmäßiger Geschicklichkeit das künffti-
ge propheceyen werden. Sie wollen das
Feuer versprechen können, und es auch an
den gefährlichsten Orten anzünden, da
es doch keinen Schaden thut, wie man
denn Exempel hat, daß sie bißweilen in
den Scheunen Feuer angemacht, und die
Scheunen doch nicht angesteckt. Sie la-
gern sich insgemein gerne an die Gren-
tzen, damit sie bey einer Aufsuchung und
Verfolgung desto eher in ein fremdes Ter-
ritorium
überspringen, und halten sich
am meisten in den Wäldern auf. Jhre

Kinder

Des Erſten Theils 26. Capitel/
[Spaltenumbruch] zu GOttes Ehren und des Naͤchſten Nu-
tzen beſſer angewendet werden koͤnnen,
als daß man ſie dem Wetter und der Lufft
zum gaͤntzlichen Ruin und Untergang uͤ-
bergeben. Es haben auch an einigen Oer-
tern, wo vor Zeiten ſolche Raub-Schloͤſ-
ſer geſtanden, die Durchlauchtigſten Chur-
fuͤrſten zu Sachſen zu ihrer Luſt und Be-
qvemlichkeit Jagd-Haͤuſer und Schloͤſ-
ſer erbauen laſſen, und einige ihren treu-
en Vaſallen geſchencket, und allerhand
Grundſtuͤcken dazu geſchlagen. Ob im
uͤbrigen dieſes in der Wahrheit gegruͤn-
det ſey, daß die Beſitzer derjenigen Ritter-
Guͤter, wo vor dieſen ſolche Raub-Neſter
geweſen, kein rechtes Gluͤck und Seegen
auf ſolchen Guͤtern haben, wie ihrer viele
zu behaupten ſuchen, und mit unterſchie-
denen Exempeln beweiſen wollen/ laſſe
an ſeinen Ort geſtellet ſeyn.

Das 26. Capitel/
Von den Sigeunern.
§. 1.

Nachdem die ſo genannten Zigeuner
den ehmahligen alten Raͤubern im
Rauben nichts nachgeben, nur daß es ih-
nen an der Macht fehlet, ſo wird nicht un-
recht ſeyn, wenn ich auch von den Zigeu-
nern noch eines und das andere anfuͤhre,
da zumahl die Jaͤgerey meiſtentheils
pflegt aufgebothen zu werden, ſie in den
Waͤldern aufzuſuchen. Dieſes Geſindel
giebet vor, ſie waͤren aus Klein Egypten
gebuͤrtig, ſtammten von Chus her, der
ein Sohn geweſen des alten Stamm-Va-
ters Cham, von dem alle die Egyptier
und Ethiopier ihren Urſprung herleite-
ten. Weil ihre Vorfahren alsbald nach
Chriſti Geburth eine groſſe Suͤnde ge-
than, da ſie die Gebaͤhrerin GOttes, die
heilige Jungfrau Mariam, nebſt ihr
Kind JEſum, und den alten Joſeph, da
ſie vor Herode geflohen, nicht aufnehmen
wollen, haͤtte der groſſe GOtt damahls
auf ihre Nachkommen einen ſolchen Fluch
gelegt, daß ſie nun in der Jrre und in dem
Elend herumwandern muͤſten. Um ſol-
cher Urſachen willen haͤtten ſie von dem
Kaͤyſer Sigismundo Ann. 1437. einen Be-
gnadigungs-Brieff erhalten, daß ſie be-
ſtaͤndig ein ſicher Geleit haben ſolten.

§. 2.

Jedoch es iſt nun mehr als zu be-
kandt, daß dieſe Zigeuner nichts anders
ſeyn, denn ein zuſammengelauffenes boͤ-
ſes Geſindel, ſo nicht Luſt zu arbeiten hat,
ſondern von Muͤßiggang, Stehlen, Hu-
[Spaltenumbruch] ren, Freſſen, Sauffen und Spielen Pro-
feſſion
machen will. Es finden ſich hie-
bey abgedanckte oder deſertirte Soldaten,
liederliche Bedienten und Handwercks-
Purſche, die ihren Herren und Meiſtern
nicht wollen gut thun, ungerathene Soͤh-
ne, die ihren Eltern entlauffen, ſolche Wei-
bes-Vetteln, die den Staupenſchlag er-
halten, und ſich ſonſt weder durch Kup-
peln noch Huren etwas mehr verdienen
koͤnnen. Sie faͤrben ſich die Geſichter mit
gruͤnen Nuß-Schaalen, damit ſie deſto
ſcheußlicher ausſehen, und unwiſſenden
Leuten die Meynung deſto eher beybrin-
gen, als ob ſie aus den heiſſen Mittags-
Laͤndern ihren Urſprung herfuͤhrten.
Sie machen unter ſich eine beſondere
Sprache und eigenen Dialectum aus, da-
mit ſie deſto fremder ſcheinen, und ein-
ander dasjenige, was zu Befoͤrderung
ihrer Abſichten dienlich, communiciren
koͤnnen, und andere Leute ſie doch nicht
verſtehen. Die rechten Zigeuner-Ban-
den erwehlen einen Chef unter ſich, der
ſie alle commandiret, und dem ſie insge-
ſamt Parition leiſten. Das Weibes-Volck
traͤgt lange Maͤntel, damit ſie unter ſol-
chen die geſtohlnen Kleider und andere
Sachen deſto beſſer verbergen moͤgen. Sie
fuͤhren Pferde, Piſtohlen, und allerhand
Gewehr bey ſich, um ſich derſelben bey
Gelegenheit zu bedienen.

§. 3.

Jnſonderheit wollen ſie in dem
Nativitaͤt-ſtellen, in der Chiromantie, und
in dem Wahrſagen ſehr erfahren ſeyn,
und propheceyen alſo den Leuten, und
meiſtentheils dem gemeinen Volck, gegen
ein Trinckgeld alles, was die Leute gerne
hoͤren wollen. Sie erkundigen ſich off-
ters bey andern nach dieſer oder jener ih-
ren Umſtaͤnden, damit ſie geſchickt ſeyn,
manchen Leuten dasjenige, was ihnen in
den vorigen Jahren ihres Lebens bege-
gnet, herzuſagen, und ſie den andern die
Opinion von ſich beybringen, daß ſie mit
ebenmaͤßiger Geſchicklichkeit das kuͤnffti-
ge propheceyen werden. Sie wollen das
Feuer verſprechen koͤnnen, und es auch an
den gefaͤhrlichſten Orten anzuͤnden, da
es doch keinen Schaden thut, wie man
denn Exempel hat, daß ſie bißweilen in
den Scheunen Feuer angemacht, und die
Scheunen doch nicht angeſteckt. Sie la-
gern ſich insgemein gerne an die Gren-
tzen, damit ſie bey einer Aufſuchung und
Verfolgung deſto eher in ein fremdes Ter-
ritorium
uͤberſpringen, und halten ſich
am meiſten in den Waͤldern auf. Jhre

Kinder
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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/100>, abgerufen am 29.03.2024.