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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Des Ersten Theils 22. Capitel/
[Spaltenumbruch] nungen seyn könne. Was die Wahrheit
von dergleichen Historien anbetrifft, so
glaube ich, daß das meiste, was man vor
Erscheinungen und vor Spücken aus-
giebt, Einbildung ist, oder doch sonst seine
natürlichen Ursachen hat. Wenn man-
cher nicht auf seinen Beruffs-Wegen des
Nachts herum streicht, oder sonst von ei-
nem melancholischen Temperament ist,
so kan ihn ein iedwedes rauschend Blat er-
schrecken, seinen und seines Pferdes Schat-
ten kan er bey Monden-Schein vor eine
Erscheinung, und einen schwartzen Hund,
der neben ihm herläufft, vor den Satan
halten; Es hat dergleichen Klang offters
seine natürlichen Ursachen, wenn der
Wind an die Spitzen der Bäume antrifft,
so klingt es offt so helle, als ob in ein Hifft-
Horn gestossen würde; Das Bellen der
Hunde in den Dörffern, welches man des
Nachts gantz helle hören kan, und viel nä-
her und deutlicher klinget, als am Tage,
kan sich damit vereinigen; So können
auch zu gleicher Zeit ein paar Leute von
weiten in dem Walde reiten, die entweder
ihrer Beruffs-Geschäffte wegen sich noch
so lange verspätigen müssen, oder aber als
Busch-Klepper ihren Nächsten bey Gele-
genheit auf den Dienst lauren; Und so ist
denn in dem Gehirne desjenigen, der
furchtsam ist, und nicht alle und iede Um-
stände in genaue Betrachtung ziehet, das
wütende Heer beysammen.

§. 3.

Wenn andere Leute zu anderer
Zeit an eben diese Oerter kommen, so heißt
es denn, sie würden nichts sehen und hö-
ren; denn es liesse sich nur zu mancher
Zeit hören und sehen, zu einer andern a-
ber nicht. Die Sonntags-Kinder wä-
ren nur vor andern so glücklich, oder un-
glücklich, daß sie von dergleichen Dingen
etwas vernähmen. Die wahre Ursache
aber ist, daß andere Leute nicht so einfäl-
tig, nicht so furchtsam, und nicht so leicht-
gläubig seyn. Bey manchen Menschen
werden auch durch allerhand optische De-
ception
en, wenn sie eines blöden Gesich-
tes sind, oder mit dem Klingen und Sau-
sen der Ohren incommodiret, solche Im-
pressiones
wider die Wahrheit der Sa-
chen eingeprägt.

§. 4.

Ob es nun zwar gewiß genung
ist, daß das meiste von dergleichen Sa-
chen in der Phantasie der Leute generirt
wird, so muß man doch auch bekennen,
daß Satan ebenfalls hierunter sein Spiel
mit habe. Es ist diesem Fürsten der Fin-
sterniß, der als ein Tausend-Künstler sich
[Spaltenumbruch] auf mancherley Art zu verstellen weiß,
nicht unmöglich, den Menschen derglei-
chen Blendwerck vorzumachen. Der
grosse GOtt hat seine heiligen Ursachen,
warum er dergleichen zuläßt; vielleicht
deswegen, daß man vor dem Satan, der
auch in dieser Welt solch Unheyl, und
Schreckens-volle Spectacula aufzuweisen
vermag, einen desto grössern Abscheu ha-
ben soll. Es bekommt mancher einen
Eckel und Grauen vor aller Gottlosig-
keit, wenn er sich bey dergleichen Spü-
cken vorstellt, daß dieses die Seele eines
Gottlosen sey, der nach seinem Tode auf
der Erden herum ziehen müsse. Viel-
leicht können auch die Seelen der Gottlo-
sen sich bey solcher Gesellschafft bißweilen
einfinden. Man sage nicht, daß sie in der
Hölle seyn, und daselbst eingeschlossen
würden, und also auf die Erde nicht kom-
men könten. Es ist dieses einander nicht
zuwider. Satan ist mit seinem gantzen
Heer auch in der Höllen, und doch sagt
die heilige Schrifft von den bösen Geistern,
daß sie in der Lufft herrschen, und wie
brüllende Löwen auf der Welt herum-
ziehen, um zu sehen, welchen sie verschlin-
gen mögten. Diese bösen Geister sind
allezeit, sie seyn auch wo sie wollen, an
dem Ort ihrer Verdammniß, und erwar-
ten noch dazu mit Furcht und Zittern die
Vergrösserung und Vermehrung ihrer
Verdammniß, und ihrer Qual.

§. 5.

Satan kan mancherley Ursa-
chen haben, warum er auch in den Wäl-
dern und einsamen Orten sich auf derglei-
chen Art sehen und hören läßt; Einmahl
thut er es aus Hochmuth, weil es diesem
verdammten Geist, der in manchen Stü-
cken sich gerne seinem Schöpffer ähnlich
machen wolte, wohlgefällt, daß man
Furcht vor ihn hat; vornemlich thut
ers, um die Menschen zu erschrecken, zu
schabernacken und zu plagen, daß sie in
manchen Stücken von ihren ordentlichen
Beruffs-Geschäfften sollen abgehalten
werden, oder doch dieselben mit Kleinmü-
thigkeit und Angst und Schrecken expe-
di
ren. Theils geschiehet es auch wohl,
daß die Wercke der Finsterniß von seinen
Creaturen in den Wäldern desto besser
können ausgeübt werden, und er die Sei-
nigen hiedurch auf ihren Wegen, vor an-
dern, die sie etwan hierinnen sonst hin-
dern könten, beschützen mögte. Also
bin ich gewiß versichert, daß an denjeni-
gen Orten, wo man von dem wütenden
Heer allerhand Erzehlungen macht, man-

cher

Des Erſten Theils 22. Capitel/
[Spaltenumbruch] nungen ſeyn koͤnne. Was die Wahrheit
von dergleichen Hiſtorien anbetrifft, ſo
glaube ich, daß das meiſte, was man vor
Erſcheinungen und vor Spuͤcken aus-
giebt, Einbildung iſt, oder doch ſonſt ſeine
natuͤrlichen Urſachen hat. Wenn man-
cher nicht auf ſeinen Beruffs-Wegen des
Nachts herum ſtreicht, oder ſonſt von ei-
nem melancholiſchen Temperament iſt,
ſo kan ihn ein iedwedes rauſchend Blat er-
ſchrecken, ſeinen und ſeines Pferdes Schat-
ten kan er bey Monden-Schein vor eine
Erſcheinung, und einen ſchwartzen Hund,
der neben ihm herlaͤufft, vor den Satan
halten; Es hat dergleichen Klang offters
ſeine natuͤrlichen Urſachen, wenn der
Wind an die Spitzen der Baͤume antrifft,
ſo klingt es offt ſo helle, als ob in ein Hifft-
Horn geſtoſſen wuͤrde; Das Bellen der
Hunde in den Doͤrffern, welches man des
Nachts gantz helle hoͤren kan, und viel naͤ-
her und deutlicher klinget, als am Tage,
kan ſich damit vereinigen; So koͤnnen
auch zu gleicher Zeit ein paar Leute von
weiten in dem Walde reiten, die entweder
ihrer Beruffs-Geſchaͤffte wegen ſich noch
ſo lange verſpaͤtigen muͤſſen, oder aber als
Buſch-Klepper ihren Naͤchſten bey Gele-
genheit auf den Dienſt lauren; Und ſo iſt
denn in dem Gehirne desjenigen, der
furchtſam iſt, und nicht alle und iede Um-
ſtaͤnde in genaue Betrachtung ziehet, das
wuͤtende Heer beyſammen.

§. 3.

Wenn andere Leute zu anderer
Zeit an eben dieſe Oerter kommen, ſo heißt
es denn, ſie wuͤrden nichts ſehen und hoͤ-
ren; denn es lieſſe ſich nur zu mancher
Zeit hoͤren und ſehen, zu einer andern a-
ber nicht. Die Sonntags-Kinder waͤ-
ren nur vor andern ſo gluͤcklich, oder un-
gluͤcklich, daß ſie von dergleichen Dingen
etwas vernaͤhmen. Die wahre Urſache
aber iſt, daß andere Leute nicht ſo einfaͤl-
tig, nicht ſo furchtſam, und nicht ſo leicht-
glaͤubig ſeyn. Bey manchen Menſchen
werden auch durch allerhand optiſche De-
ception
en, wenn ſie eines bloͤden Geſich-
tes ſind, oder mit dem Klingen und Sau-
ſen der Ohren incommodiret, ſolche Im-
preſſiones
wider die Wahrheit der Sa-
chen eingepraͤgt.

§. 4.

Ob es nun zwar gewiß genung
iſt, daß das meiſte von dergleichen Sa-
chen in der Phantaſie der Leute generirt
wird, ſo muß man doch auch bekennen,
daß Satan ebenfalls hierunter ſein Spiel
mit habe. Es iſt dieſem Fuͤrſten der Fin-
ſterniß, der als ein Tauſend-Kuͤnſtler ſich
[Spaltenumbruch] auf mancherley Art zu verſtellen weiß,
nicht unmoͤglich, den Menſchen derglei-
chen Blendwerck vorzumachen. Der
groſſe GOtt hat ſeine heiligen Urſachen,
warum er dergleichen zulaͤßt; vielleicht
deswegen, daß man vor dem Satan, der
auch in dieſer Welt ſolch Unheyl, und
Schreckens-volle Spectacula aufzuweiſen
vermag, einen deſto groͤſſern Abſcheu ha-
ben ſoll. Es bekommt mancher einen
Eckel und Grauen vor aller Gottloſig-
keit, wenn er ſich bey dergleichen Spuͤ-
cken vorſtellt, daß dieſes die Seele eines
Gottloſen ſey, der nach ſeinem Tode auf
der Erden herum ziehen muͤſſe. Viel-
leicht koͤnnen auch die Seelen der Gottlo-
ſen ſich bey ſolcher Geſellſchafft bißweilen
einfinden. Man ſage nicht, daß ſie in der
Hoͤlle ſeyn, und daſelbſt eingeſchloſſen
wuͤrden, und alſo auf die Erde nicht kom-
men koͤnten. Es iſt dieſes einander nicht
zuwider. Satan iſt mit ſeinem gantzen
Heer auch in der Hoͤllen, und doch ſagt
die heilige Schrifft von den boͤſen Geiſtern,
daß ſie in der Lufft herrſchen, und wie
bruͤllende Loͤwen auf der Welt herum-
ziehen, um zu ſehen, welchen ſie verſchlin-
gen moͤgten. Dieſe boͤſen Geiſter ſind
allezeit, ſie ſeyn auch wo ſie wollen, an
dem Ort ihrer Verdam̃niß, und erwar-
ten noch dazu mit Furcht und Zittern die
Vergroͤſſerung und Vermehrung ihrer
Verdammniß, und ihrer Qual.

§. 5.

Satan kan mancherley Urſa-
chen haben, warum er auch in den Waͤl-
dern und einſamen Orten ſich auf derglei-
chen Art ſehen und hoͤren laͤßt; Einmahl
thut er es aus Hochmuth, weil es dieſem
verdammten Geiſt, der in manchen Stuͤ-
cken ſich gerne ſeinem Schoͤpffer aͤhnlich
machen wolte, wohlgefaͤllt, daß man
Furcht vor ihn hat; vornemlich thut
ers, um die Menſchen zu erſchrecken, zu
ſchabernacken und zu plagen, daß ſie in
manchen Stuͤcken von ihren ordentlichen
Beruffs-Geſchaͤfften ſollen abgehalten
werden, oder doch dieſelben mit Kleinmuͤ-
thigkeit und Angſt und Schrecken expe-
di
ren. Theils geſchiehet es auch wohl,
daß die Wercke der Finſterniß von ſeinen
Creaturen in den Waͤldern deſto beſſer
koͤnnen ausgeuͤbt werden, und er die Sei-
nigen hiedurch auf ihren Wegen, vor an-
dern, die ſie etwan hierinnen ſonſt hin-
dern koͤnten, beſchuͤtzen moͤgte. Alſo
bin ich gewiß verſichert, daß an denjeni-
gen Orten, wo man von dem wuͤtenden
Heer allerhand Erzehlungen macht, man-

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[36/0092] Des Erſten Theils 22. Capitel/ nungen ſeyn koͤnne. Was die Wahrheit von dergleichen Hiſtorien anbetrifft, ſo glaube ich, daß das meiſte, was man vor Erſcheinungen und vor Spuͤcken aus- giebt, Einbildung iſt, oder doch ſonſt ſeine natuͤrlichen Urſachen hat. Wenn man- cher nicht auf ſeinen Beruffs-Wegen des Nachts herum ſtreicht, oder ſonſt von ei- nem melancholiſchen Temperament iſt, ſo kan ihn ein iedwedes rauſchend Blat er- ſchrecken, ſeinen und ſeines Pferdes Schat- ten kan er bey Monden-Schein vor eine Erſcheinung, und einen ſchwartzen Hund, der neben ihm herlaͤufft, vor den Satan halten; Es hat dergleichen Klang offters ſeine natuͤrlichen Urſachen, wenn der Wind an die Spitzen der Baͤume antrifft, ſo klingt es offt ſo helle, als ob in ein Hifft- Horn geſtoſſen wuͤrde; Das Bellen der Hunde in den Doͤrffern, welches man des Nachts gantz helle hoͤren kan, und viel naͤ- her und deutlicher klinget, als am Tage, kan ſich damit vereinigen; So koͤnnen auch zu gleicher Zeit ein paar Leute von weiten in dem Walde reiten, die entweder ihrer Beruffs-Geſchaͤffte wegen ſich noch ſo lange verſpaͤtigen muͤſſen, oder aber als Buſch-Klepper ihren Naͤchſten bey Gele- genheit auf den Dienſt lauren; Und ſo iſt denn in dem Gehirne desjenigen, der furchtſam iſt, und nicht alle und iede Um- ſtaͤnde in genaue Betrachtung ziehet, das wuͤtende Heer beyſammen. §. 3. Wenn andere Leute zu anderer Zeit an eben dieſe Oerter kommen, ſo heißt es denn, ſie wuͤrden nichts ſehen und hoͤ- ren; denn es lieſſe ſich nur zu mancher Zeit hoͤren und ſehen, zu einer andern a- ber nicht. Die Sonntags-Kinder waͤ- ren nur vor andern ſo gluͤcklich, oder un- gluͤcklich, daß ſie von dergleichen Dingen etwas vernaͤhmen. Die wahre Urſache aber iſt, daß andere Leute nicht ſo einfaͤl- tig, nicht ſo furchtſam, und nicht ſo leicht- glaͤubig ſeyn. Bey manchen Menſchen werden auch durch allerhand optiſche De- ceptionen, wenn ſie eines bloͤden Geſich- tes ſind, oder mit dem Klingen und Sau- ſen der Ohren incommodiret, ſolche Im- preſſiones wider die Wahrheit der Sa- chen eingepraͤgt. §. 4. Ob es nun zwar gewiß genung iſt, daß das meiſte von dergleichen Sa- chen in der Phantaſie der Leute generirt wird, ſo muß man doch auch bekennen, daß Satan ebenfalls hierunter ſein Spiel mit habe. Es iſt dieſem Fuͤrſten der Fin- ſterniß, der als ein Tauſend-Kuͤnſtler ſich auf mancherley Art zu verſtellen weiß, nicht unmoͤglich, den Menſchen derglei- chen Blendwerck vorzumachen. Der groſſe GOtt hat ſeine heiligen Urſachen, warum er dergleichen zulaͤßt; vielleicht deswegen, daß man vor dem Satan, der auch in dieſer Welt ſolch Unheyl, und Schreckens-volle Spectacula aufzuweiſen vermag, einen deſto groͤſſern Abſcheu ha- ben ſoll. Es bekommt mancher einen Eckel und Grauen vor aller Gottloſig- keit, wenn er ſich bey dergleichen Spuͤ- cken vorſtellt, daß dieſes die Seele eines Gottloſen ſey, der nach ſeinem Tode auf der Erden herum ziehen muͤſſe. Viel- leicht koͤnnen auch die Seelen der Gottlo- ſen ſich bey ſolcher Geſellſchafft bißweilen einfinden. Man ſage nicht, daß ſie in der Hoͤlle ſeyn, und daſelbſt eingeſchloſſen wuͤrden, und alſo auf die Erde nicht kom- men koͤnten. Es iſt dieſes einander nicht zuwider. Satan iſt mit ſeinem gantzen Heer auch in der Hoͤllen, und doch ſagt die heilige Schrifft von den boͤſen Geiſtern, daß ſie in der Lufft herrſchen, und wie bruͤllende Loͤwen auf der Welt herum- ziehen, um zu ſehen, welchen ſie verſchlin- gen moͤgten. Dieſe boͤſen Geiſter ſind allezeit, ſie ſeyn auch wo ſie wollen, an dem Ort ihrer Verdam̃niß, und erwar- ten noch dazu mit Furcht und Zittern die Vergroͤſſerung und Vermehrung ihrer Verdammniß, und ihrer Qual. §. 5. Satan kan mancherley Urſa- chen haben, warum er auch in den Waͤl- dern und einſamen Orten ſich auf derglei- chen Art ſehen und hoͤren laͤßt; Einmahl thut er es aus Hochmuth, weil es dieſem verdammten Geiſt, der in manchen Stuͤ- cken ſich gerne ſeinem Schoͤpffer aͤhnlich machen wolte, wohlgefaͤllt, daß man Furcht vor ihn hat; vornemlich thut ers, um die Menſchen zu erſchrecken, zu ſchabernacken und zu plagen, daß ſie in manchen Stuͤcken von ihren ordentlichen Beruffs-Geſchaͤfften ſollen abgehalten werden, oder doch dieſelben mit Kleinmuͤ- thigkeit und Angſt und Schrecken expe- diren. Theils geſchiehet es auch wohl, daß die Wercke der Finſterniß von ſeinen Creaturen in den Waͤldern deſto beſſer koͤnnen ausgeuͤbt werden, und er die Sei- nigen hiedurch auf ihren Wegen, vor an- dern, die ſie etwan hierinnen ſonſt hin- dern koͤnten, beſchuͤtzen moͤgte. Alſo bin ich gewiß verſichert, daß an denjeni- gen Orten, wo man von dem wuͤtenden Heer allerhand Erzehlungen macht, man- cher

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/92>, abgerufen am 18.04.2024.