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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Des Andern Theils 1. Capitel/ vom Verständniß wilder Thiere.
[Spaltenumbruch] es heutiges Tages so weit darinnen ge-
bracht, daß sie auch den Hunden gelernet,
einige Wörter deutlich aussprechen.

§. 3.

Das Wild rufft seine Jungen
durch einen gewissen Laut zu sich, um sie
zu saugen, oder, wenn es einen Menschen,
Raub-Thier oder Hund verspühret, die
Jungen zur Sicherheit dadurch zu ver-
bergen, oder, so sie tüchtig sind mit fort-
zukommen, sie zur Flucht dadurch zu ani-
mi
ren, wobey offters die Praeparatoria der
vorgestellten Furcht vorhergehen, ehe
noch die Stimme erschallet; sie heben die
Ohren empor, wenden die Augen auf al-
len Seiten um sich her, riechen mit der
Nase, ob es Wind vernehme, und trauen
dennoch nicht recht, sondern schleichen nä-
her herbey, sie bleiben eine lange Weile
unbeweglich stehen, und betrachten es
wohl, ob sie unrecht haben, oder nicht,
und da sie das geringste muthmassen, so
lassen sie den Wald-Brauß von sich hö-
ren, heben die Haare über den gantzen
Leib empor, und ergreiffen die Flucht.
Um mehrere Gewißheit bey ihren Muth-
massungen zu erlangen, sehen sie sich eine
Ecke davon noch einmahl um, den rechten
Grund zu erfahren, und so sie dessen ver-
sichert, bemühen sie sich mit mancherley
Absprüngen und Wiedergängen ein recht
sicher Lager oder Stand auszusuchen.

§. 4.

Die Thiere kennen sich ferner-
weit unter einander an dem Geruch, sie
wissen, welches ihre Eltern, auch diejeni-
gen Oerter, wo sie ein wohlgeschmacktes
Geäß angetroffen, welches ich selbst erfah-
ren, und also dieses aus Erfahrung be-
zeugen kan. Wie es nun mit dem Brau-
sen der wilden Schweine oder Fröschlin-
ge, mit der Stimme des Rehbocks und
der Rücke, mit dem Bellen der Füchse,
mit dem Heulen der Wölffe, mit dem
Pfeiffen der Fisch-Ottern, und mit den
Stimmen der Katzen, Marder, Eich-
hörngen, und anderer Thiere, die hier zu
Lande fallen, beschaffen; So kan auch ge-
glaubet werden, daß es eine ebenmäßige
Beschaffenheit habe mit den ausländi-
schen wilden Thieren, als Bären, Löwen,
wen Leoparden, Tygerthieren, u. s. w.
Ob der weise König Salomo die Geschick-
lichkeit gehabt, wie einige Jüdische Ausle-
ger behaupten wollen, die Stimmen al-
ler Thiere zu verstehen, und sie zu expli-
ci
ren, laß ich an seinen Ort gestellt seyn.
Jnzwischen will ich noch dasjenige anfüh-
ren, was mir ein gewisser Jtaliänischer
Zauberer gegen einen guten Recompens
[Spaltenumbruch] vor gewiß versichern wollen; Er sagte,
man solte alle Morgen ein Stückgen ei-
nes Gliedes lang von einer weissen
Schlange (die aber sehr rar zu bekom-
men ist) verzehren, so würde man den-
selbigen Tag, dafern man anders nüch-
tern bliebe, und gantz alleine herumgien-
ge, die Stimmen aller Vögel, und aller
Thiere, der grossen und kleinen, zahmen
und wilden, verstehen und anzeigen kön-
nen, was es damit vor eine Bedeutung
und Beschaffenheit hätte. Jch habe die-
ses nicht probiret, und will auch dem Leser
die Freyheit überlassen, hievon zu glau-
ben, was ihm gefällig, auch eben niemand
angerathen haben, dieses Experiment
nachzumachen; es mögte mancher über
der Curiosität, die Stimmen der wilden
Thiere zu verstehen, seine eigene Sprache
verlernen.

Das 2. Capitel/
Von der Versammlung wilder
Thiere durch die Music.
§. 1.

Daß die Thiere sich durch allerhand Tho-
ne, die ihnen angenehm sind, locken
lassen, wird aus der Erfahrung bestäti-
get, und könten viel Exempel hievon an-
geführet werden. Der Grichische Scri-
ben
te AElianus bezeuget, Libr. XII. Cap.
XLVI.
daß man bey den Toscanern oder
Hetruriern, die wilden Schweine, Hirsche,
und andere Thiere, nicht allein mit den
Hunden und dem Jagd-Gezeug, sondern
auch mit den Instrumentis-Musicis in die
Garne gelocket, und zwar folgender Ge-
stalt: So bald man das Garn gestellet, und
alles, was zur Jagd nöthig, zubereitet, hät-
te man einen auf der Fleute douce auf das
allerlieblichste blasen lassen; indem nun
dieser Flöthen-Klang in den Bergen und
Thälern allenthalben erschollen, und
durch alle Lager der wilden Thiere ge-
drungen, so wären die Thiere über sol-
chen ungewohnten lieblichen Klang zwar
Anfangs ein wenig erschrocken, wären
aber endlich dadurch so bethöret worden,
daß sie sich willig fangen und bestricken
lassen. So meldet auch Varro Lib. III. de
re rustica,
daß in einem gewissen Gehöl-
tze die Hasen sich zum Futter eingestellet,
wenn man ihnen etwas vorgeblasen. Jst
die Historie mit dem Rattenfänger zu
Hameln wahr, so hat derselbe mit seiner
Pfeiffe die Mäuse und Ratten alle aus
der Stadt gelocket.

§. 2.

Des Andern Theils 1. Capitel/ vom Verſtaͤndniß wilder Thiere.
[Spaltenumbruch] es heutiges Tages ſo weit darinnen ge-
bracht, daß ſie auch den Hunden gelernet,
einige Woͤrter deutlich ausſprechen.

§. 3.

Das Wild rufft ſeine Jungen
durch einen gewiſſen Laut zu ſich, um ſie
zu ſaugen, oder, wenn es einen Menſchen,
Raub-Thier oder Hund verſpuͤhret, die
Jungen zur Sicherheit dadurch zu ver-
bergen, oder, ſo ſie tuͤchtig ſind mit fort-
zukommen, ſie zur Flucht dadurch zu ani-
mi
ren, wobey offters die Præparatoria der
vorgeſtellten Furcht vorhergehen, ehe
noch die Stimme erſchallet; ſie heben die
Ohren empor, wenden die Augen auf al-
len Seiten um ſich her, riechen mit der
Naſe, ob es Wind vernehme, und trauen
dennoch nicht recht, ſondern ſchleichen naͤ-
her herbey, ſie bleiben eine lange Weile
unbeweglich ſtehen, und betrachten es
wohl, ob ſie unrecht haben, oder nicht,
und da ſie das geringſte muthmaſſen, ſo
laſſen ſie den Wald-Brauß von ſich hoͤ-
ren, heben die Haare uͤber den gantzen
Leib empor, und ergreiffen die Flucht.
Um mehrere Gewißheit bey ihren Muth-
maſſungen zu erlangen, ſehen ſie ſich eine
Ecke davon noch einmahl um, den rechten
Grund zu erfahren, und ſo ſie deſſen ver-
ſichert, bemuͤhen ſie ſich mit mancherley
Abſpruͤngen und Wiedergaͤngen ein recht
ſicher Lager oder Stand auszuſuchen.

§. 4.

Die Thiere kennen ſich ferner-
weit unter einander an dem Geruch, ſie
wiſſen, welches ihre Eltern, auch diejeni-
gen Oerter, wo ſie ein wohlgeſchmacktes
Geaͤß angetroffen, welches ich ſelbſt erfah-
ren, und alſo dieſes aus Erfahrung be-
zeugen kan. Wie es nun mit dem Brau-
ſen der wilden Schweine oder Froͤſchlin-
ge, mit der Stimme des Rehbocks und
der Ruͤcke, mit dem Bellen der Fuͤchſe,
mit dem Heulen der Woͤlffe, mit dem
Pfeiffen der Fiſch-Ottern, und mit den
Stimmen der Katzen, Marder, Eich-
hoͤrngen, und anderer Thiere, die hier zu
Lande fallen, beſchaffen; So kan auch ge-
glaubet werden, daß es eine ebenmaͤßige
Beſchaffenheit habe mit den auslaͤndi-
ſchen wilden Thieren, als Baͤren, Loͤwen,
wen Leoparden, Tygerthieren, u. ſ. w.
Ob der weiſe Koͤnig Salomo die Geſchick-
lichkeit gehabt, wie einige Juͤdiſche Ausle-
ger behaupten wollen, die Stimmen al-
ler Thiere zu verſtehen, und ſie zu expli-
ci
ren, laß ich an ſeinen Ort geſtellt ſeyn.
Jnzwiſchen will ich noch dasjenige anfuͤh-
ren, was mir ein gewiſſer Jtaliaͤniſcher
Zauberer gegen einen guten Recompens
[Spaltenumbruch] vor gewiß verſichern wollen; Er ſagte,
man ſolte alle Morgen ein Stuͤckgen ei-
nes Gliedes lang von einer weiſſen
Schlange (die aber ſehr rar zu bekom-
men iſt) verzehren, ſo wuͤrde man den-
ſelbigen Tag, dafern man anders nuͤch-
tern bliebe, und gantz alleine herumgien-
ge, die Stimmen aller Voͤgel, und aller
Thiere, der groſſen und kleinen, zahmen
und wilden, verſtehen und anzeigen koͤn-
nen, was es damit vor eine Bedeutung
und Beſchaffenheit haͤtte. Jch habe die-
ſes nicht probiret, und will auch dem Leſer
die Freyheit uͤberlaſſen, hievon zu glau-
ben, was ihm gefaͤllig, auch eben niemand
angerathen haben, dieſes Experiment
nachzumachen; es moͤgte mancher uͤber
der Curioſitaͤt, die Stimmen der wilden
Thiere zu verſtehen, ſeine eigene Sprache
verlernen.

Das 2. Capitel/
Von der Verſam̃lung wilder
Thiere durch die Muſic.
§. 1.

Daß die Thiere ſich durch allerhand Tho-
ne, die ihnen angenehm ſind, locken
laſſen, wird aus der Erfahrung beſtaͤti-
get, und koͤnten viel Exempel hievon an-
gefuͤhret werden. Der Grichiſche Scri-
ben
te Ælianus bezeuget, Libr. XII. Cap.
XLVI.
daß man bey den Toſcanern oder
Hetruriern, die wilden Schweine, Hirſche,
und andere Thiere, nicht allein mit den
Hunden und dem Jagd-Gezeug, ſondern
auch mit den Inſtrumentis-Muſicis in die
Garne gelocket, und zwar folgender Ge-
ſtalt: So bald man das Garn geſtellet, und
alles, was zur Jagd noͤthig, zubereitet, haͤt-
te man einen auf der Fleute douce auf das
allerlieblichſte blaſen laſſen; indem nun
dieſer Floͤthen-Klang in den Bergen und
Thaͤlern allenthalben erſchollen, und
durch alle Lager der wilden Thiere ge-
drungen, ſo waͤren die Thiere uͤber ſol-
chen ungewohnten lieblichen Klang zwar
Anfangs ein wenig erſchrocken, waͤren
aber endlich dadurch ſo bethoͤret worden,
daß ſie ſich willig fangen und beſtricken
laſſen. So meldet auch Varro Lib. III. de
re ruſtica,
daß in einem gewiſſen Gehoͤl-
tze die Haſen ſich zum Futter eingeſtellet,
wenn man ihnen etwas vorgeblaſen. Jſt
die Hiſtorie mit dem Rattenfaͤnger zu
Hameln wahr, ſo hat derſelbe mit ſeiner
Pfeiffe die Maͤuſe und Ratten alle aus
der Stadt gelocket.

§. 2.
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[90/0154] Des Andern Theils 1. Capitel/ vom Verſtaͤndniß wilder Thiere. es heutiges Tages ſo weit darinnen ge- bracht, daß ſie auch den Hunden gelernet, einige Woͤrter deutlich ausſprechen. §. 3. Das Wild rufft ſeine Jungen durch einen gewiſſen Laut zu ſich, um ſie zu ſaugen, oder, wenn es einen Menſchen, Raub-Thier oder Hund verſpuͤhret, die Jungen zur Sicherheit dadurch zu ver- bergen, oder, ſo ſie tuͤchtig ſind mit fort- zukommen, ſie zur Flucht dadurch zu ani- miren, wobey offters die Præparatoria der vorgeſtellten Furcht vorhergehen, ehe noch die Stimme erſchallet; ſie heben die Ohren empor, wenden die Augen auf al- len Seiten um ſich her, riechen mit der Naſe, ob es Wind vernehme, und trauen dennoch nicht recht, ſondern ſchleichen naͤ- her herbey, ſie bleiben eine lange Weile unbeweglich ſtehen, und betrachten es wohl, ob ſie unrecht haben, oder nicht, und da ſie das geringſte muthmaſſen, ſo laſſen ſie den Wald-Brauß von ſich hoͤ- ren, heben die Haare uͤber den gantzen Leib empor, und ergreiffen die Flucht. Um mehrere Gewißheit bey ihren Muth- maſſungen zu erlangen, ſehen ſie ſich eine Ecke davon noch einmahl um, den rechten Grund zu erfahren, und ſo ſie deſſen ver- ſichert, bemuͤhen ſie ſich mit mancherley Abſpruͤngen und Wiedergaͤngen ein recht ſicher Lager oder Stand auszuſuchen. §. 4. Die Thiere kennen ſich ferner- weit unter einander an dem Geruch, ſie wiſſen, welches ihre Eltern, auch diejeni- gen Oerter, wo ſie ein wohlgeſchmacktes Geaͤß angetroffen, welches ich ſelbſt erfah- ren, und alſo dieſes aus Erfahrung be- zeugen kan. Wie es nun mit dem Brau- ſen der wilden Schweine oder Froͤſchlin- ge, mit der Stimme des Rehbocks und der Ruͤcke, mit dem Bellen der Fuͤchſe, mit dem Heulen der Woͤlffe, mit dem Pfeiffen der Fiſch-Ottern, und mit den Stimmen der Katzen, Marder, Eich- hoͤrngen, und anderer Thiere, die hier zu Lande fallen, beſchaffen; So kan auch ge- glaubet werden, daß es eine ebenmaͤßige Beſchaffenheit habe mit den auslaͤndi- ſchen wilden Thieren, als Baͤren, Loͤwen, wen Leoparden, Tygerthieren, u. ſ. w. Ob der weiſe Koͤnig Salomo die Geſchick- lichkeit gehabt, wie einige Juͤdiſche Ausle- ger behaupten wollen, die Stimmen al- ler Thiere zu verſtehen, und ſie zu expli- ciren, laß ich an ſeinen Ort geſtellt ſeyn. Jnzwiſchen will ich noch dasjenige anfuͤh- ren, was mir ein gewiſſer Jtaliaͤniſcher Zauberer gegen einen guten Recompens vor gewiß verſichern wollen; Er ſagte, man ſolte alle Morgen ein Stuͤckgen ei- nes Gliedes lang von einer weiſſen Schlange (die aber ſehr rar zu bekom- men iſt) verzehren, ſo wuͤrde man den- ſelbigen Tag, dafern man anders nuͤch- tern bliebe, und gantz alleine herumgien- ge, die Stimmen aller Voͤgel, und aller Thiere, der groſſen und kleinen, zahmen und wilden, verſtehen und anzeigen koͤn- nen, was es damit vor eine Bedeutung und Beſchaffenheit haͤtte. Jch habe die- ſes nicht probiret, und will auch dem Leſer die Freyheit uͤberlaſſen, hievon zu glau- ben, was ihm gefaͤllig, auch eben niemand angerathen haben, dieſes Experiment nachzumachen; es moͤgte mancher uͤber der Curioſitaͤt, die Stimmen der wilden Thiere zu verſtehen, ſeine eigene Sprache verlernen. Das 2. Capitel/ Von der Verſam̃lung wilder Thiere durch die Muſic. §. 1. Daß die Thiere ſich durch allerhand Tho- ne, die ihnen angenehm ſind, locken laſſen, wird aus der Erfahrung beſtaͤti- get, und koͤnten viel Exempel hievon an- gefuͤhret werden. Der Grichiſche Scri- bente Ælianus bezeuget, Libr. XII. Cap. XLVI. daß man bey den Toſcanern oder Hetruriern, die wilden Schweine, Hirſche, und andere Thiere, nicht allein mit den Hunden und dem Jagd-Gezeug, ſondern auch mit den Inſtrumentis-Muſicis in die Garne gelocket, und zwar folgender Ge- ſtalt: So bald man das Garn geſtellet, und alles, was zur Jagd noͤthig, zubereitet, haͤt- te man einen auf der Fleute douce auf das allerlieblichſte blaſen laſſen; indem nun dieſer Floͤthen-Klang in den Bergen und Thaͤlern allenthalben erſchollen, und durch alle Lager der wilden Thiere ge- drungen, ſo waͤren die Thiere uͤber ſol- chen ungewohnten lieblichen Klang zwar Anfangs ein wenig erſchrocken, waͤren aber endlich dadurch ſo bethoͤret worden, daß ſie ſich willig fangen und beſtricken laſſen. So meldet auch Varro Lib. III. de re ruſtica, daß in einem gewiſſen Gehoͤl- tze die Haſen ſich zum Futter eingeſtellet, wenn man ihnen etwas vorgeblaſen. Jſt die Hiſtorie mit dem Rattenfaͤnger zu Hameln wahr, ſo hat derſelbe mit ſeiner Pfeiffe die Maͤuſe und Ratten alle aus der Stadt gelocket. §. 2.

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/154>, abgerufen am 28.03.2024.