Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

Des Andern Th. 45. Cap. Historische Anmerckungen von Bären.
[Spaltenumbruch] und gab Freyens für. Das arme Mensch
erschrack, und lief eilends mitten unter
das Vieh, das satzte zusammen, und gieng
auf den Bären loß, die Dirne schrie, und
ruffte, biß ihre Eltern nebst andern Leu-
ten zu Hülffe kamen und sie retteten.
Der Bär entwiche eine Ecke davon, kam
aber bald wieder an den Ort, und suchte
seine Liebste mit Wüten und Brummen.
Es hat sich auch einstens ein Bär aus dem
Zwinger zu Tzschopau gebrochen, auf dem
Feld eine Grase-Magd niedergeworffen,
und geschwängert, sie hat aber die Frucht
hernach mit Artzeney abgetrieben. Auf
dem Churfürstlichen Schlosse zu Tzscho-
pau zwey Meilen von der Augustusburg
sind rechte Bären-Fänge, darinnen ie-
derzeit eine gute Parthie Bäre aufbehal-
ten werden. Oben sind höltzerne Gän-
ge gebauet, auf welchen die Herrschafften
alles dasjenige, was die Bäre vorneh-
men, besehen können. Unten haben sie
ihren Garten, Wasser, und was ihnen
nöthig ist, sie werden auch täglich von ei-
nem, der darüber gesetzet, geludert. Jh-
ro Majestät unser Allergnädigster Herr,
sollen hiervon haben einen Riß verferti-
gen lassen, und wollen dergleichen in
Warschau auch anlegen.

§. 3.

Es hat Suidrigal, ein gewisser
Fürst in Litthauen, einen so zahmen Bä-
ren gehabt, daß er ihm nicht allein aus
der Hand gefressen, sondern um den Tisch
herum wie ein Hund gelauffen, er ist auch
gewohnt gewesen in den Wald zu gehen,
und wieder zurück zu kommen, und wenn
er an die Thüre des Fürsten gekommen,
hat er mit seinen Tatzen so lange ange-
schlagen, biß ihm aufgemacht worden.
Da sich nun einstens unterschiedene Jun-
ge von Adel wider diesen Fürsten zusam-
men rottiret, und des Bäres Gang nach-
geahmet, so macht der Fürst ihnen, wie ge-
wöhnlich, auf, vermeynende, es sey der
Bär; hierauf dringen sie mit Gewalt in
das Zimmer, und massacriren den Für-
sten. Volaterranus lib. 7. Geographici. Jn
der Schweitz um die Alpen-Gebürge her-
um giebt es überaus viel Bäre, und da-
her lauffen, die daherum wohnen, Tag
und Nacht auf die Bären-Jagd, daß sie
ihre Heerden Vieh so gut sie können, be-
schützen, wenn sie sie bekommen, ziehen
sie ihnen die Haut ab, stopffen sie aus,
und hängen sie an öffentlichen Oertern
auf, daß sich die andern Bäre davor scheu-
en sollen. Die an den äussersten Gren-
tzen Lapplandes wohnen, sollen sich des
[Spaltenumbruch] Winters, um vor der Kälte zu verwah-
ren, gantz in Bären-Häute einnähen,
so, daß von ihnen nichts, als nur die Au-
gen heraus kucken, und dafern dem so ist,
so müssen diese, die man im eigentlichen
Verstande, ohne sie zu schimpffen, Bä-
renhäuter nennen könte, einem Frem-
den wohl ein erschrecklicher Anblick seyn.

§. 4.

Anno 1656. hat ein Bär auf ei-
nem Dorffe ohnweit Plötzkau, einer be-
rühmten Stadt in Moscau, des Nachts,
nachdem er die Haus-Thüre aufgebro-
chen, der Mutter, die es vor dem Schlafen
nicht gewahr worden, ein säugend Kind
aus dem Bette weggenommen. Früh-
morgens vermuthete man gleich aus ei-
nigen Indiciis, daß das arme Kind von
dem Bäre müste seyn aufgefressen wor-
den. Als nun einige Zeit hernach die
Bauren auf die Bären-Jagd ausgehen,
und eben denselben Bär einfangen, so
treffen sie in seiner Höle das Kind wei-
nend, aber frisch und gesund an, und
bringen es zu dem grösten Vergnügen der
Eltern mit nach Hause. Also hat der
grosse GOTT diesem grimmigen Thier
den Rachen verschlossen, daß es dieses
Kind nicht hat beschädigen können. Joh.
Janz.
Strauß Reise-Beschreibung p. 68.
Die Bärin lieben auch ihre Jungen so
sehr, daß sie manche Raben-Eltern hier-
innen beschämen. Anno 1621. gieng Paul
Stecher, Wald-Bereuter und Förster
auf der Platten, auf seinem Wildner-
Rädlein über dem Schnee in Wald, stieg
auf einen ungebrochenen Baum, und
pfiffe einem Hasel-Huhn. Da er an-
schlug, und schiessen wolte, hörte er ein
ungewöhnliches Knastern, und siehet eine
Bärin aus der Höle heraus kriechen, und
auf den Raub lauffen. Da er nun ver-
meynte, daß sie ferne genug wäre, nahm
er die drey Jungen aus dem Nest, trug sie
in den nächsten Kohlhau, steckt sie in Kö-
ber, und läßt sie eilend in ein Wald-Haus
verwahrlich tragen. Als die Bärin das
leere Nest findet, verfolgt sie ihren Raub
biß an den Kohlhau, brüllet und zerret,
gehet blind hinan, und will in 2. Tagen
nicht weichen, biß sie mit Feuer und Ge-
schoß endlich abgetrieben worden. Wegen
solcher Grimmigkeit ist überaus gefähr-
lich, einer so wilden und zotigten Kindbet-
terin vors Wochen-Bette zu kommen.
Anno 1686. im Julio brachte eine Bärin
zwey Junge in die Lauter, trug eins in al-
ler Stille durchs Wasser, da sie das ande-
re anfast, und herüber tragen will, schreyet

es,

Des Andern Th. 45. Cap. Hiſtoriſche Anmerckungen von Baͤren.
[Spaltenumbruch] und gab Freyens fuͤr. Das arme Menſch
erſchrack, und lief eilends mitten unter
das Vieh, das ſatzte zuſammen, und gieng
auf den Baͤren loß, die Dirne ſchrie, und
ruffte, biß ihre Eltern nebſt andern Leu-
ten zu Huͤlffe kamen und ſie retteten.
Der Baͤr entwiche eine Ecke davon, kam
aber bald wieder an den Ort, und ſuchte
ſeine Liebſte mit Wuͤten und Brummen.
Es hat ſich auch einſtens ein Baͤr aus dem
Zwinger zu Tzſchopau gebrochen, auf dem
Feld eine Graſe-Magd niedergeworffen,
und geſchwaͤngert, ſie hat aber die Frucht
hernach mit Artzeney abgetrieben. Auf
dem Churfuͤrſtlichen Schloſſe zu Tzſcho-
pau zwey Meilen von der Auguſtusburg
ſind rechte Baͤren-Faͤnge, darinnen ie-
derzeit eine gute Parthie Baͤre aufbehal-
ten werden. Oben ſind hoͤltzerne Gaͤn-
ge gebauet, auf welchen die Herrſchafften
alles dasjenige, was die Baͤre vorneh-
men, beſehen koͤnnen. Unten haben ſie
ihren Garten, Waſſer, und was ihnen
noͤthig iſt, ſie werden auch taͤglich von ei-
nem, der daruͤber geſetzet, geludert. Jh-
ro Majeſtaͤt unſer Allergnaͤdigſter Herr,
ſollen hiervon haben einen Riß verferti-
gen laſſen, und wollen dergleichen in
Warſchau auch anlegen.

§. 3.

Es hat Suidrigal, ein gewiſſer
Fuͤrſt in Litthauen, einen ſo zahmen Baͤ-
ren gehabt, daß er ihm nicht allein aus
der Hand gefreſſen, ſondern um den Tiſch
herum wie ein Hund gelauffen, er iſt auch
gewohnt geweſen in den Wald zu gehen,
und wieder zuruͤck zu kommen, und wenn
er an die Thuͤre des Fuͤrſten gekommen,
hat er mit ſeinen Tatzen ſo lange ange-
ſchlagen, biß ihm aufgemacht worden.
Da ſich nun einſtens unterſchiedene Jun-
ge von Adel wider dieſen Fuͤrſten zuſam-
men rottiret, und des Baͤres Gang nach-
geahmet, ſo macht der Fuͤrſt ihnen, wie ge-
woͤhnlich, auf, vermeynende, es ſey der
Baͤr; hierauf dringen ſie mit Gewalt in
das Zimmer, und maſſacriren den Fuͤr-
ſten. Volaterranus lib. 7. Geographici. Jn
der Schweitz um die Alpen-Gebuͤrge her-
um giebt es uͤberaus viel Baͤre, und da-
her lauffen, die daherum wohnen, Tag
und Nacht auf die Baͤren-Jagd, daß ſie
ihre Heerden Vieh ſo gut ſie koͤnnen, be-
ſchuͤtzen, wenn ſie ſie bekommen, ziehen
ſie ihnen die Haut ab, ſtopffen ſie aus,
und haͤngen ſie an oͤffentlichen Oertern
auf, daß ſich die andern Baͤre davor ſcheu-
en ſollen. Die an den aͤuſſerſten Gren-
tzen Lapplandes wohnen, ſollen ſich des
[Spaltenumbruch] Winters, um vor der Kaͤlte zu verwah-
ren, gantz in Baͤren-Haͤute einnaͤhen,
ſo, daß von ihnen nichts, als nur die Au-
gen heraus kucken, und dafern dem ſo iſt,
ſo muͤſſen dieſe, die man im eigentlichen
Verſtande, ohne ſie zu ſchimpffen, Baͤ-
renhaͤuter nennen koͤnte, einem Frem-
den wohl ein erſchrecklicher Anblick ſeyn.

§. 4.

Anno 1656. hat ein Baͤr auf ei-
nem Dorffe ohnweit Ploͤtzkau, einer be-
ruͤhmten Stadt in Moſcau, des Nachts,
nachdem er die Haus-Thuͤre aufgebro-
chen, der Mutter, die es vor dem Schlafen
nicht gewahr worden, ein ſaͤugend Kind
aus dem Bette weggenommen. Fruͤh-
morgens vermuthete man gleich aus ei-
nigen Indiciis, daß das arme Kind von
dem Baͤre muͤſte ſeyn aufgefreſſen wor-
den. Als nun einige Zeit hernach die
Bauren auf die Baͤren-Jagd ausgehen,
und eben denſelben Baͤr einfangen, ſo
treffen ſie in ſeiner Hoͤle das Kind wei-
nend, aber friſch und geſund an, und
bringen es zu dem groͤſten Vergnuͤgen der
Eltern mit nach Hauſe. Alſo hat der
groſſe GOTT dieſem grimmigen Thier
den Rachen verſchloſſen, daß es dieſes
Kind nicht hat beſchaͤdigen koͤnnen. Joh.
Janz.
Strauß Reiſe-Beſchreibung p. 68.
Die Baͤrin lieben auch ihre Jungen ſo
ſehr, daß ſie manche Raben-Eltern hier-
innen beſchaͤmen. Anno 1621. gieng Paul
Stecher, Wald-Bereuter und Foͤrſter
auf der Platten, auf ſeinem Wildner-
Raͤdlein uͤber dem Schnee in Wald, ſtieg
auf einen ungebrochenen Baum, und
pfiffe einem Haſel-Huhn. Da er an-
ſchlug, und ſchieſſen wolte, hoͤrte er ein
ungewoͤhnliches Knaſtern, und ſiehet eine
Baͤrin aus der Hoͤle heraus kriechen, und
auf den Raub lauffen. Da er nun ver-
meynte, daß ſie ferne genug waͤre, nahm
er die drey Jungen aus dem Neſt, trug ſie
in den naͤchſten Kohlhau, ſteckt ſie in Koͤ-
ber, und laͤßt ſie eilend in ein Wald-Haus
verwahrlich tragen. Als die Baͤrin das
leere Neſt findet, verfolgt ſie ihren Raub
biß an den Kohlhau, bruͤllet und zerret,
gehet blind hinan, und will in 2. Tagen
nicht weichen, biß ſie mit Feuer und Ge-
ſchoß endlich abgetrieben worden. Wegen
ſolcher Grimmigkeit iſt uͤberaus gefaͤhr-
lich, einer ſo wilden und zotigten Kindbet-
terin vors Wochen-Bette zu kommen.
Anno 1686. im Julio brachte eine Baͤrin
zwey Junge in die Lauter, trug eins in al-
ler Stille durchs Waſſer, da ſie das ande-
re anfaſt, und heruͤber tragen will, ſchreyet

es,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0220" n="132"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Des Andern Th. 45. Cap. Hi&#x017F;tori&#x017F;che Anmerckungen von Ba&#x0364;ren.</hi></fw><lb/><cb/>
und gab Freyens fu&#x0364;r. Das arme Men&#x017F;ch<lb/>
er&#x017F;chrack, und lief eilends mitten unter<lb/>
das Vieh, das &#x017F;atzte zu&#x017F;ammen, und gieng<lb/>
auf den Ba&#x0364;ren loß, die Dirne &#x017F;chrie, und<lb/>
ruffte, biß ihre Eltern neb&#x017F;t andern Leu-<lb/>
ten zu Hu&#x0364;lffe kamen und &#x017F;ie retteten.<lb/>
Der Ba&#x0364;r entwiche eine Ecke davon, kam<lb/>
aber bald wieder an den Ort, und &#x017F;uchte<lb/>
&#x017F;eine Lieb&#x017F;te mit Wu&#x0364;ten und Brummen.<lb/>
Es hat &#x017F;ich auch ein&#x017F;tens ein Ba&#x0364;r aus dem<lb/>
Zwinger zu Tz&#x017F;chopau gebrochen, auf dem<lb/>
Feld eine Gra&#x017F;e-Magd niedergeworffen,<lb/>
und ge&#x017F;chwa&#x0364;ngert, &#x017F;ie hat aber die Frucht<lb/>
hernach mit Artzeney abgetrieben. Auf<lb/>
dem Churfu&#x0364;r&#x017F;tlichen Schlo&#x017F;&#x017F;e zu Tz&#x017F;cho-<lb/>
pau zwey Meilen von der Augu&#x017F;tusburg<lb/>
&#x017F;ind rechte Ba&#x0364;ren-Fa&#x0364;nge, darinnen ie-<lb/>
derzeit eine gute Parthie Ba&#x0364;re aufbehal-<lb/>
ten werden. Oben &#x017F;ind ho&#x0364;ltzerne Ga&#x0364;n-<lb/>
ge gebauet, auf welchen die Herr&#x017F;chafften<lb/>
alles dasjenige, was die Ba&#x0364;re vorneh-<lb/>
men, be&#x017F;ehen ko&#x0364;nnen. Unten haben &#x017F;ie<lb/>
ihren Garten, Wa&#x017F;&#x017F;er, und was ihnen<lb/>
no&#x0364;thig i&#x017F;t, &#x017F;ie werden auch ta&#x0364;glich von ei-<lb/>
nem, der daru&#x0364;ber ge&#x017F;etzet, geludert. Jh-<lb/>
ro Maje&#x017F;ta&#x0364;t un&#x017F;er Allergna&#x0364;dig&#x017F;ter Herr,<lb/>
&#x017F;ollen hiervon haben einen Riß verferti-<lb/>
gen la&#x017F;&#x017F;en, und wollen dergleichen in<lb/>
War&#x017F;chau auch anlegen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 3.</head>
            <p>Es hat <hi rendition="#aq">Suidrigal,</hi> ein gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t in Litthauen, einen &#x017F;o zahmen Ba&#x0364;-<lb/>
ren gehabt, daß er ihm nicht allein aus<lb/>
der Hand gefre&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern um den Ti&#x017F;ch<lb/>
herum wie ein Hund gelauffen, er i&#x017F;t auch<lb/>
gewohnt gewe&#x017F;en in den Wald zu gehen,<lb/>
und wieder zuru&#x0364;ck zu kommen, und wenn<lb/>
er an die Thu&#x0364;re des Fu&#x0364;r&#x017F;ten gekommen,<lb/>
hat er mit &#x017F;einen Tatzen &#x017F;o lange ange-<lb/>
&#x017F;chlagen, biß ihm aufgemacht worden.<lb/>
Da &#x017F;ich nun ein&#x017F;tens unter&#x017F;chiedene Jun-<lb/>
ge von Adel wider die&#x017F;en Fu&#x0364;r&#x017F;ten zu&#x017F;am-<lb/>
men rottiret, und des Ba&#x0364;res Gang nach-<lb/>
geahmet, &#x017F;o macht der Fu&#x0364;r&#x017F;t ihnen, wie ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlich, auf, vermeynende, es &#x017F;ey der<lb/>
Ba&#x0364;r; hierauf dringen &#x017F;ie mit Gewalt in<lb/>
das Zimmer, und <hi rendition="#aq">ma&#x017F;&#x017F;acri</hi>ren den Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten. <hi rendition="#aq">Volaterranus lib. 7. Geographici.</hi> Jn<lb/>
der Schweitz um die Alpen-Gebu&#x0364;rge her-<lb/>
um giebt es u&#x0364;beraus viel Ba&#x0364;re, und da-<lb/>
her lauffen, die daherum wohnen, Tag<lb/>
und Nacht auf die Ba&#x0364;ren-Jagd, daß &#x017F;ie<lb/>
ihre Heerden Vieh &#x017F;o gut &#x017F;ie ko&#x0364;nnen, be-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzen, wenn &#x017F;ie &#x017F;ie bekommen, ziehen<lb/>
&#x017F;ie ihnen die Haut ab, &#x017F;topffen &#x017F;ie aus,<lb/>
und ha&#x0364;ngen &#x017F;ie an o&#x0364;ffentlichen Oertern<lb/>
auf, daß &#x017F;ich die andern Ba&#x0364;re davor &#x017F;cheu-<lb/>
en &#x017F;ollen. Die an den a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Gren-<lb/>
tzen Lapplandes wohnen, &#x017F;ollen &#x017F;ich des<lb/><cb/>
Winters, um vor der Ka&#x0364;lte zu verwah-<lb/>
ren, gantz in Ba&#x0364;ren-Ha&#x0364;ute einna&#x0364;hen,<lb/>
&#x017F;o, daß von ihnen nichts, als nur die Au-<lb/>
gen heraus kucken, und dafern dem &#x017F;o i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;e, die man im eigentlichen<lb/>
Ver&#x017F;tande, ohne &#x017F;ie zu &#x017F;chimpffen, Ba&#x0364;-<lb/>
renha&#x0364;uter nennen ko&#x0364;nte, einem Frem-<lb/>
den wohl ein er&#x017F;chrecklicher Anblick &#x017F;eyn.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 4.</head>
            <p><hi rendition="#aq">Anno</hi> 1656. hat ein Ba&#x0364;r auf ei-<lb/>
nem Dorffe ohnweit Plo&#x0364;tzkau, einer be-<lb/>
ru&#x0364;hmten Stadt in Mo&#x017F;cau, des Nachts,<lb/>
nachdem er die Haus-Thu&#x0364;re aufgebro-<lb/>
chen, der Mutter, die es vor dem Schlafen<lb/>
nicht gewahr worden, ein &#x017F;a&#x0364;ugend Kind<lb/>
aus dem Bette weggenommen. Fru&#x0364;h-<lb/>
morgens vermuthete man gleich aus ei-<lb/>
nigen <hi rendition="#aq">Indiciis,</hi> daß das arme Kind von<lb/>
dem Ba&#x0364;re mu&#x0364;&#x017F;te &#x017F;eyn aufgefre&#x017F;&#x017F;en wor-<lb/>
den. Als nun einige Zeit hernach die<lb/>
Bauren auf die Ba&#x0364;ren-Jagd ausgehen,<lb/>
und eben den&#x017F;elben Ba&#x0364;r einfangen, &#x017F;o<lb/>
treffen &#x017F;ie in &#x017F;einer Ho&#x0364;le das Kind wei-<lb/>
nend, aber fri&#x017F;ch und ge&#x017F;und an, und<lb/>
bringen es zu dem gro&#x0364;&#x017F;ten Vergnu&#x0364;gen der<lb/>
Eltern mit nach Hau&#x017F;e. Al&#x017F;o hat der<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e GOTT die&#x017F;em grimmigen Thier<lb/>
den Rachen ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, daß es die&#x017F;es<lb/>
Kind nicht hat be&#x017F;cha&#x0364;digen ko&#x0364;nnen. <hi rendition="#aq">Joh.<lb/>
Janz.</hi> Strauß Rei&#x017F;e-Be&#x017F;chreibung <hi rendition="#aq">p.</hi> 68.<lb/>
Die Ba&#x0364;rin lieben auch ihre Jungen &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ehr, daß &#x017F;ie manche Raben-Eltern hier-<lb/>
innen be&#x017F;cha&#x0364;men. <hi rendition="#aq">Anno</hi> 1621. gieng Paul<lb/>
Stecher, Wald-Bereuter und Fo&#x0364;r&#x017F;ter<lb/>
auf der Platten, auf &#x017F;einem Wildner-<lb/>
Ra&#x0364;dlein u&#x0364;ber dem Schnee in Wald, &#x017F;tieg<lb/>
auf einen ungebrochenen Baum, und<lb/>
pfiffe einem Ha&#x017F;el-Huhn. Da er an-<lb/>
&#x017F;chlug, und &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en wolte, ho&#x0364;rte er ein<lb/>
ungewo&#x0364;hnliches Kna&#x017F;tern, und &#x017F;iehet eine<lb/>
Ba&#x0364;rin aus der Ho&#x0364;le heraus kriechen, und<lb/>
auf den Raub lauffen. Da er nun ver-<lb/>
meynte, daß &#x017F;ie ferne genug wa&#x0364;re, nahm<lb/>
er die drey Jungen aus dem Ne&#x017F;t, trug &#x017F;ie<lb/>
in den na&#x0364;ch&#x017F;ten Kohlhau, &#x017F;teckt &#x017F;ie in Ko&#x0364;-<lb/>
ber, und la&#x0364;ßt &#x017F;ie eilend in ein Wald-Haus<lb/>
verwahrlich tragen. Als die Ba&#x0364;rin das<lb/>
leere Ne&#x017F;t findet, verfolgt &#x017F;ie ihren Raub<lb/>
biß an den Kohlhau, bru&#x0364;llet und zerret,<lb/>
gehet blind hinan, und will in 2. Tagen<lb/>
nicht weichen, biß &#x017F;ie mit Feuer und Ge-<lb/>
&#x017F;choß endlich abgetrieben worden. Wegen<lb/>
&#x017F;olcher Grimmigkeit i&#x017F;t u&#x0364;beraus gefa&#x0364;hr-<lb/>
lich, einer &#x017F;o wilden und zotigten Kindbet-<lb/>
terin vors Wochen-Bette zu kommen.<lb/><hi rendition="#aq">Anno</hi> 1686. im <hi rendition="#aq">Julio</hi> brachte eine Ba&#x0364;rin<lb/>
zwey Junge in die Lauter, trug eins in al-<lb/>
ler Stille durchs Wa&#x017F;&#x017F;er, da &#x017F;ie das ande-<lb/>
re anfa&#x017F;t, und heru&#x0364;ber tragen will, &#x017F;chreyet<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">es,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0220] Des Andern Th. 45. Cap. Hiſtoriſche Anmerckungen von Baͤren. und gab Freyens fuͤr. Das arme Menſch erſchrack, und lief eilends mitten unter das Vieh, das ſatzte zuſammen, und gieng auf den Baͤren loß, die Dirne ſchrie, und ruffte, biß ihre Eltern nebſt andern Leu- ten zu Huͤlffe kamen und ſie retteten. Der Baͤr entwiche eine Ecke davon, kam aber bald wieder an den Ort, und ſuchte ſeine Liebſte mit Wuͤten und Brummen. Es hat ſich auch einſtens ein Baͤr aus dem Zwinger zu Tzſchopau gebrochen, auf dem Feld eine Graſe-Magd niedergeworffen, und geſchwaͤngert, ſie hat aber die Frucht hernach mit Artzeney abgetrieben. Auf dem Churfuͤrſtlichen Schloſſe zu Tzſcho- pau zwey Meilen von der Auguſtusburg ſind rechte Baͤren-Faͤnge, darinnen ie- derzeit eine gute Parthie Baͤre aufbehal- ten werden. Oben ſind hoͤltzerne Gaͤn- ge gebauet, auf welchen die Herrſchafften alles dasjenige, was die Baͤre vorneh- men, beſehen koͤnnen. Unten haben ſie ihren Garten, Waſſer, und was ihnen noͤthig iſt, ſie werden auch taͤglich von ei- nem, der daruͤber geſetzet, geludert. Jh- ro Majeſtaͤt unſer Allergnaͤdigſter Herr, ſollen hiervon haben einen Riß verferti- gen laſſen, und wollen dergleichen in Warſchau auch anlegen. §. 3. Es hat Suidrigal, ein gewiſſer Fuͤrſt in Litthauen, einen ſo zahmen Baͤ- ren gehabt, daß er ihm nicht allein aus der Hand gefreſſen, ſondern um den Tiſch herum wie ein Hund gelauffen, er iſt auch gewohnt geweſen in den Wald zu gehen, und wieder zuruͤck zu kommen, und wenn er an die Thuͤre des Fuͤrſten gekommen, hat er mit ſeinen Tatzen ſo lange ange- ſchlagen, biß ihm aufgemacht worden. Da ſich nun einſtens unterſchiedene Jun- ge von Adel wider dieſen Fuͤrſten zuſam- men rottiret, und des Baͤres Gang nach- geahmet, ſo macht der Fuͤrſt ihnen, wie ge- woͤhnlich, auf, vermeynende, es ſey der Baͤr; hierauf dringen ſie mit Gewalt in das Zimmer, und maſſacriren den Fuͤr- ſten. Volaterranus lib. 7. Geographici. Jn der Schweitz um die Alpen-Gebuͤrge her- um giebt es uͤberaus viel Baͤre, und da- her lauffen, die daherum wohnen, Tag und Nacht auf die Baͤren-Jagd, daß ſie ihre Heerden Vieh ſo gut ſie koͤnnen, be- ſchuͤtzen, wenn ſie ſie bekommen, ziehen ſie ihnen die Haut ab, ſtopffen ſie aus, und haͤngen ſie an oͤffentlichen Oertern auf, daß ſich die andern Baͤre davor ſcheu- en ſollen. Die an den aͤuſſerſten Gren- tzen Lapplandes wohnen, ſollen ſich des Winters, um vor der Kaͤlte zu verwah- ren, gantz in Baͤren-Haͤute einnaͤhen, ſo, daß von ihnen nichts, als nur die Au- gen heraus kucken, und dafern dem ſo iſt, ſo muͤſſen dieſe, die man im eigentlichen Verſtande, ohne ſie zu ſchimpffen, Baͤ- renhaͤuter nennen koͤnte, einem Frem- den wohl ein erſchrecklicher Anblick ſeyn. §. 4. Anno 1656. hat ein Baͤr auf ei- nem Dorffe ohnweit Ploͤtzkau, einer be- ruͤhmten Stadt in Moſcau, des Nachts, nachdem er die Haus-Thuͤre aufgebro- chen, der Mutter, die es vor dem Schlafen nicht gewahr worden, ein ſaͤugend Kind aus dem Bette weggenommen. Fruͤh- morgens vermuthete man gleich aus ei- nigen Indiciis, daß das arme Kind von dem Baͤre muͤſte ſeyn aufgefreſſen wor- den. Als nun einige Zeit hernach die Bauren auf die Baͤren-Jagd ausgehen, und eben denſelben Baͤr einfangen, ſo treffen ſie in ſeiner Hoͤle das Kind wei- nend, aber friſch und geſund an, und bringen es zu dem groͤſten Vergnuͤgen der Eltern mit nach Hauſe. Alſo hat der groſſe GOTT dieſem grimmigen Thier den Rachen verſchloſſen, daß es dieſes Kind nicht hat beſchaͤdigen koͤnnen. Joh. Janz. Strauß Reiſe-Beſchreibung p. 68. Die Baͤrin lieben auch ihre Jungen ſo ſehr, daß ſie manche Raben-Eltern hier- innen beſchaͤmen. Anno 1621. gieng Paul Stecher, Wald-Bereuter und Foͤrſter auf der Platten, auf ſeinem Wildner- Raͤdlein uͤber dem Schnee in Wald, ſtieg auf einen ungebrochenen Baum, und pfiffe einem Haſel-Huhn. Da er an- ſchlug, und ſchieſſen wolte, hoͤrte er ein ungewoͤhnliches Knaſtern, und ſiehet eine Baͤrin aus der Hoͤle heraus kriechen, und auf den Raub lauffen. Da er nun ver- meynte, daß ſie ferne genug waͤre, nahm er die drey Jungen aus dem Neſt, trug ſie in den naͤchſten Kohlhau, ſteckt ſie in Koͤ- ber, und laͤßt ſie eilend in ein Wald-Haus verwahrlich tragen. Als die Baͤrin das leere Neſt findet, verfolgt ſie ihren Raub biß an den Kohlhau, bruͤllet und zerret, gehet blind hinan, und will in 2. Tagen nicht weichen, biß ſie mit Feuer und Ge- ſchoß endlich abgetrieben worden. Wegen ſolcher Grimmigkeit iſt uͤberaus gefaͤhr- lich, einer ſo wilden und zotigten Kindbet- terin vors Wochen-Bette zu kommen. Anno 1686. im Julio brachte eine Baͤrin zwey Junge in die Lauter, trug eins in al- ler Stille durchs Waſſer, da ſie das ande- re anfaſt, und heruͤber tragen will, ſchreyet es,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/220
Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/220>, abgerufen am 28.03.2024.