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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Schloß Oranienburg.
Noch ragt der Bau, doch auf den breiten
Treppen
Kein Leben mehr, kein Rauschen seidner
Schleppen,
Die alten Mauern stehen öd und leer,
's sind noch die alten und -- sie sind's
nicht mehr.

Die stille klare Havel, mit jener Fülle von Seen, die sie an
ihrem blauen Bande aufreiht, ist mir immer wie ein Strom vor-
gekommen, dem eigens die Aufgabe zugefallen sei, als Spiegel für
unsere königlichen Schlösser, für Pfaueninsel und Glienicke, für
Babelsberg und Marmorpalais zu dienen. Die Schönheit wider-
spiegelnd, verdoppelt sie den Reiz.

So erscheint die Havel auf ihrem Mittellauf, zwischen Tegel
und Brandenburg. Aber nicht überall ist sie sie selbst; schlicht,
schmal, ein Wässerchen wie andere, tritt sie aus dem Mecklenbur-
gischen in die Mark, um dann auf ihrem ganzen Oberlauf ein
Flüßchen zu bleiben, das nicht Inseln wie Nymphaeenblätter trägt,
sondern sich theilen muß, um eine Insel zu bilden, oder ein
Stück Land mit dünnen Armen zu umspannen. Nicht das Wasser
der Sieger, sondern das Land.

So ist die Havel bei Oranienburg, dem unsere heutige
Wanderung gilt. Bei leis stäubendem Regen verlassen wir die
Residenz. Unser Weg führt uns zunächst durch den Wedding, dann,
rechts an Tegel vorbei, bis nach dem romantischen Sandkrug, wo

Schloß Oranienburg.
Noch ragt der Bau, doch auf den breiten
Treppen
Kein Leben mehr, kein Rauſchen ſeidner
Schleppen,
Die alten Mauern ſtehen öd und leer,
’s ſind noch die alten und — ſie ſind’s
nicht mehr.

Die ſtille klare Havel, mit jener Fülle von Seen, die ſie an
ihrem blauen Bande aufreiht, iſt mir immer wie ein Strom vor-
gekommen, dem eigens die Aufgabe zugefallen ſei, als Spiegel für
unſere königlichen Schlöſſer, für Pfaueninſel und Glienicke, für
Babelsberg und Marmorpalais zu dienen. Die Schönheit wider-
ſpiegelnd, verdoppelt ſie den Reiz.

So erſcheint die Havel auf ihrem Mittellauf, zwiſchen Tegel
und Brandenburg. Aber nicht überall iſt ſie ſie ſelbſt; ſchlicht,
ſchmal, ein Wäſſerchen wie andere, tritt ſie aus dem Mecklenbur-
giſchen in die Mark, um dann auf ihrem ganzen Oberlauf ein
Flüßchen zu bleiben, das nicht Inſeln wie Nymphaeenblätter trägt,
ſondern ſich theilen muß, um eine Inſel zu bilden, oder ein
Stück Land mit dünnen Armen zu umſpannen. Nicht das Waſſer
der Sieger, ſondern das Land.

So iſt die Havel bei Oranienburg, dem unſere heutige
Wanderung gilt. Bei leis ſtäubendem Regen verlaſſen wir die
Reſidenz. Unſer Weg führt uns zunächſt durch den Wedding, dann,
rechts an Tegel vorbei, bis nach dem romantiſchen Sandkrug, wo

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[[206]/0224] Schloß Oranienburg. Noch ragt der Bau, doch auf den breiten Treppen Kein Leben mehr, kein Rauſchen ſeidner Schleppen, Die alten Mauern ſtehen öd und leer, ’s ſind noch die alten und — ſie ſind’s nicht mehr. Die ſtille klare Havel, mit jener Fülle von Seen, die ſie an ihrem blauen Bande aufreiht, iſt mir immer wie ein Strom vor- gekommen, dem eigens die Aufgabe zugefallen ſei, als Spiegel für unſere königlichen Schlöſſer, für Pfaueninſel und Glienicke, für Babelsberg und Marmorpalais zu dienen. Die Schönheit wider- ſpiegelnd, verdoppelt ſie den Reiz. So erſcheint die Havel auf ihrem Mittellauf, zwiſchen Tegel und Brandenburg. Aber nicht überall iſt ſie ſie ſelbſt; ſchlicht, ſchmal, ein Wäſſerchen wie andere, tritt ſie aus dem Mecklenbur- giſchen in die Mark, um dann auf ihrem ganzen Oberlauf ein Flüßchen zu bleiben, das nicht Inſeln wie Nymphaeenblätter trägt, ſondern ſich theilen muß, um eine Inſel zu bilden, oder ein Stück Land mit dünnen Armen zu umſpannen. Nicht das Waſſer der Sieger, ſondern das Land. So iſt die Havel bei Oranienburg, dem unſere heutige Wanderung gilt. Bei leis ſtäubendem Regen verlaſſen wir die Reſidenz. Unſer Weg führt uns zunächſt durch den Wedding, dann, rechts an Tegel vorbei, bis nach dem romantiſchen Sandkrug, wo

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [206]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/224>, abgerufen am 28.03.2024.