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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Carwe.
"Vivat et crescat gens Knesebeckiana
in aeternum."

Unser Weg führt uns heute nach Carwe. Es liegt am Ostufer
des Ruppiner See's und ein Wustrauer Fischer fährt uns in
einer halben Stunde hinüber. Die Ostufer des See's, wenigstens
an seiner südlichen Hälfte, sind reich bewaldet und von malerischer,
fast romantischer Wirkung. Ein besonderer Schmuck des See's an
dieser Stelle ist sein dichter Schilfgürtel, der namentlich in Front
des Carwer Parkes wie ein Wasserwald sich hinzieht und hier und
da eine Breite von hundert Fuß und darüber haben mag. An
dieses Schilfufer knüpft sich eine Geschichte, die uns am besten
in das starke und frische Leben einführt, das hier ein halb Jahr-
hundert lang zu Hause war, und von dem ich Gelegenheit haben
werde, manchen hübschen Zug zu erzählen.

Es war im Jahr 1785. Der Sohn des alten Zieten auf
Wustrau war Cornet im Leibhusaren-Regiment seines Vaters und
der Sohn des alten Knesebeck auf Carwe war Junker im In-
fanterie-Regiment von Kalkstein, das damals in Magdeburg stand.
Der Zufall wollte, daß beide zu gleicher Zeit Urlaub nahmen und
auf Besuch nach Haus kamen. Die beiden Nachbarfamilien lebten
auf dem besten Fuß mit einander und auch die jungen Leute
unterhielten einen freundschaftlichen Verkehr. Man sah sich oft und
unternahm gemeinschaftliche Partieen. Es war im August, See
und Himmel waren blau, und der Schilfwald, der sich im Wasser

Carwe.
„Vivat et crescat gens Knesebeckiana
in aeternum.“

Unſer Weg führt uns heute nach Carwe. Es liegt am Oſtufer
des Ruppiner See’s und ein Wuſtrauer Fiſcher fährt uns in
einer halben Stunde hinüber. Die Oſtufer des See’s, wenigſtens
an ſeiner ſüdlichen Hälfte, ſind reich bewaldet und von maleriſcher,
faſt romantiſcher Wirkung. Ein beſonderer Schmuck des See’s an
dieſer Stelle iſt ſein dichter Schilfgürtel, der namentlich in Front
des Carwer Parkes wie ein Waſſerwald ſich hinzieht und hier und
da eine Breite von hundert Fuß und darüber haben mag. An
dieſes Schilfufer knüpft ſich eine Geſchichte, die uns am beſten
in das ſtarke und friſche Leben einführt, das hier ein halb Jahr-
hundert lang zu Hauſe war, und von dem ich Gelegenheit haben
werde, manchen hübſchen Zug zu erzählen.

Es war im Jahr 1785. Der Sohn des alten Zieten auf
Wuſtrau war Cornet im Leibhuſaren-Regiment ſeines Vaters und
der Sohn des alten Kneſebeck auf Carwe war Junker im In-
fanterie-Regiment von Kalkſtein, das damals in Magdeburg ſtand.
Der Zufall wollte, daß beide zu gleicher Zeit Urlaub nahmen und
auf Beſuch nach Haus kamen. Die beiden Nachbarfamilien lebten
auf dem beſten Fuß mit einander und auch die jungen Leute
unterhielten einen freundſchaftlichen Verkehr. Man ſah ſich oft und
unternahm gemeinſchaftliche Partieen. Es war im Auguſt, See
und Himmel waren blau, und der Schilfwald, der ſich im Waſſer

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[[14]/0032] Carwe. „Vivat et crescat gens Knesebeckiana in aeternum.“ Unſer Weg führt uns heute nach Carwe. Es liegt am Oſtufer des Ruppiner See’s und ein Wuſtrauer Fiſcher fährt uns in einer halben Stunde hinüber. Die Oſtufer des See’s, wenigſtens an ſeiner ſüdlichen Hälfte, ſind reich bewaldet und von maleriſcher, faſt romantiſcher Wirkung. Ein beſonderer Schmuck des See’s an dieſer Stelle iſt ſein dichter Schilfgürtel, der namentlich in Front des Carwer Parkes wie ein Waſſerwald ſich hinzieht und hier und da eine Breite von hundert Fuß und darüber haben mag. An dieſes Schilfufer knüpft ſich eine Geſchichte, die uns am beſten in das ſtarke und friſche Leben einführt, das hier ein halb Jahr- hundert lang zu Hauſe war, und von dem ich Gelegenheit haben werde, manchen hübſchen Zug zu erzählen. Es war im Jahr 1785. Der Sohn des alten Zieten auf Wuſtrau war Cornet im Leibhuſaren-Regiment ſeines Vaters und der Sohn des alten Kneſebeck auf Carwe war Junker im In- fanterie-Regiment von Kalkſtein, das damals in Magdeburg ſtand. Der Zufall wollte, daß beide zu gleicher Zeit Urlaub nahmen und auf Beſuch nach Haus kamen. Die beiden Nachbarfamilien lebten auf dem beſten Fuß mit einander und auch die jungen Leute unterhielten einen freundſchaftlichen Verkehr. Man ſah ſich oft und unternahm gemeinſchaftliche Partieen. Es war im Auguſt, See und Himmel waren blau, und der Schilfwald, der ſich im Waſſer

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [14]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/32>, abgerufen am 28.03.2024.