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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Saalow.
(Ein Capitel vom alten Schadow.)
Der Deutsche lügt, wenn er höflich ist.

Auf dem Plateau des Teltow, ziemlich halben Weges zwischen
Trebbin und Zossen, liegt das Dörfchen Saalow. Es ist ein
Dorf wie andere Dörfer mehr, aber seinen märkischen Charakter
deutlich zur Schau tragend. Elsbruch, Kiefernwald und sandige
Höhen fassen es ein, und die letzteren, die den grotesken Namen
der "Höllenberge" führen, bilden so ziemlich die ganze Poesie des
Ortes. Auch ein benachbarter See, die "Sprotter Lache" genannt,
trägt nach schwachen Kräften das Seinige dazu bei.

Wir kommen von Norden, von Großbeeren, haben zuletzt das
Dorf Schünow passirt, und, zwischen Wald und Bruchland unsern
Weg verfolgend, münden wir jetzt in eine kurze Maulbeerbaum-
Allee ein, die uns nach wenigen Minuten an den Eingang von
Saalow führt. Es ist ein Bauerndorf, das zu Amt Zossen ge-
hört. Eine Kirche fehlt, ein Herrenhaus auch, und ein paar Dutzend
Häuser und Gehöfte, sauber gehalten und meist mit Ziegeln gedeckt,
bilden die Dorfstraße, die sich in der Mitte zu einem baumbe-
pflanzten Platz erweitert. In der Mitte dieses Platzes dehnt sich
der übliche Wasserpfuhl aus, von trüber und höchst unbestimmter
Farbe und ohne den geringsten Anspruch auf jene sinnige Bezeich-
nung "Auge der Landschaft." Die Schwalben unter'm Sims und
das Storchnest auf dem Dache sorgen für die nöthige Dorf-Ge-

Saalow.
(Ein Capitel vom alten Schadow.)
Der Deutſche lügt, wenn er höflich iſt.

Auf dem Plateau des Teltow, ziemlich halben Weges zwiſchen
Trebbin und Zoſſen, liegt das Dörfchen Saalow. Es iſt ein
Dorf wie andere Dörfer mehr, aber ſeinen märkiſchen Charakter
deutlich zur Schau tragend. Elsbruch, Kiefernwald und ſandige
Höhen faſſen es ein, und die letzteren, die den grotesken Namen
der „Höllenberge“ führen, bilden ſo ziemlich die ganze Poeſie des
Ortes. Auch ein benachbarter See, die „Sprotter Lache“ genannt,
trägt nach ſchwachen Kräften das Seinige dazu bei.

Wir kommen von Norden, von Großbeeren, haben zuletzt das
Dorf Schünow paſſirt, und, zwiſchen Wald und Bruchland unſern
Weg verfolgend, münden wir jetzt in eine kurze Maulbeerbaum-
Allee ein, die uns nach wenigen Minuten an den Eingang von
Saalow führt. Es iſt ein Bauerndorf, das zu Amt Zoſſen ge-
hört. Eine Kirche fehlt, ein Herrenhaus auch, und ein paar Dutzend
Häuſer und Gehöfte, ſauber gehalten und meiſt mit Ziegeln gedeckt,
bilden die Dorfſtraße, die ſich in der Mitte zu einem baumbe-
pflanzten Platz erweitert. In der Mitte dieſes Platzes dehnt ſich
der übliche Waſſerpfuhl aus, von trüber und höchſt unbeſtimmter
Farbe und ohne den geringſten Anſpruch auf jene ſinnige Bezeich-
nung „Auge der Landſchaft.“ Die Schwalben unter’m Sims und
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[[422]/0440] Saalow. (Ein Capitel vom alten Schadow.) Der Deutſche lügt, wenn er höflich iſt. Auf dem Plateau des Teltow, ziemlich halben Weges zwiſchen Trebbin und Zoſſen, liegt das Dörfchen Saalow. Es iſt ein Dorf wie andere Dörfer mehr, aber ſeinen märkiſchen Charakter deutlich zur Schau tragend. Elsbruch, Kiefernwald und ſandige Höhen faſſen es ein, und die letzteren, die den grotesken Namen der „Höllenberge“ führen, bilden ſo ziemlich die ganze Poeſie des Ortes. Auch ein benachbarter See, die „Sprotter Lache“ genannt, trägt nach ſchwachen Kräften das Seinige dazu bei. Wir kommen von Norden, von Großbeeren, haben zuletzt das Dorf Schünow paſſirt, und, zwiſchen Wald und Bruchland unſern Weg verfolgend, münden wir jetzt in eine kurze Maulbeerbaum- Allee ein, die uns nach wenigen Minuten an den Eingang von Saalow führt. Es iſt ein Bauerndorf, das zu Amt Zoſſen ge- hört. Eine Kirche fehlt, ein Herrenhaus auch, und ein paar Dutzend Häuſer und Gehöfte, ſauber gehalten und meiſt mit Ziegeln gedeckt, bilden die Dorfſtraße, die ſich in der Mitte zu einem baumbe- pflanzten Platz erweitert. In der Mitte dieſes Platzes dehnt ſich der übliche Waſſerpfuhl aus, von trüber und höchſt unbeſtimmter Farbe und ohne den geringſten Anſpruch auf jene ſinnige Bezeich- nung „Auge der Landſchaft.“ Die Schwalben unter’m Sims und das Storchneſt auf dem Dache ſorgen für die nöthige Dorf-Ge-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [422]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/440>, abgerufen am 28.03.2024.