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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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6.

"Bei Gustav Kühn
In Neu-Ruppin."

Aber nicht nur Grafen und Herrn, große Baumeister und Kriegs-
fürsten knüpfen ihre Namen an den Namen Ruppin's, auch be-
scheidenere Berühmtheiten hat es geboren.

In der Mitte der Stadt, gegenüber dem Häuser-Viereck, drin
Schinkel und Günther das Licht der Welt erblickten, erhebt sich
ein kleines, nur 3 Fenster breites Häuschen, dem ein neu aufge-
setztes Stockwerk nur wenig zu gesteigertem Ansehn verholfen hat.
Auf dem schmalen Hofe aber drängen sich die Hintergebäude und
jeder Zollbreit Erde ist benutzt. Hier erinnert die Beschränktheit
und zu gleicher Zeit die ängstliche Ausnutzung des Raums an
die Einrichtung und den Geschäftsbetrieb englischer Zeitungslokali-
täten. Die Aehnlichkeit ist da; aber was sind die Londoner Blätter
im Vergleich zu jenen bunten Blättern, die aus dieser kleinen
Ruppiner Offizin hervorgehn? was ist der Ruhm der Times gegen
die civilisatorische Aufgabe des "Ruppiner Bilderbogens"? Die
Times, die sich mit Recht das "Weltblatt" nennt, sie gleicht doch
nur dem anglikanischen Geistlichen, dem hochkirchlichen Bischof, der,
an schmalen Küstenstrichen entlang, in den großen, reichbevölkerten
Städten unsrer Antipoden, seine Wohnung aufschlägt und seines
Amtes wartet; der Gustav Kühn'sche Bilderbogen aber ist
der Herrnhut'sche Missionar
, der überall hin vordringt, dessen
Eifer mit der Gefahr wächst, der die eine Hälfte seines Lebens in

6.

„Bei Guſtav Kühn
In Neu-Ruppin.“

Aber nicht nur Grafen und Herrn, große Baumeiſter und Kriegs-
fürſten knüpfen ihre Namen an den Namen Ruppin’s, auch be-
ſcheidenere Berühmtheiten hat es geboren.

In der Mitte der Stadt, gegenüber dem Häuſer-Viereck, drin
Schinkel und Günther das Licht der Welt erblickten, erhebt ſich
ein kleines, nur 3 Fenſter breites Häuschen, dem ein neu aufge-
ſetztes Stockwerk nur wenig zu geſteigertem Anſehn verholfen hat.
Auf dem ſchmalen Hofe aber drängen ſich die Hintergebäude und
jeder Zollbreit Erde iſt benutzt. Hier erinnert die Beſchränktheit
und zu gleicher Zeit die ängſtliche Ausnutzung des Raums an
die Einrichtung und den Geſchäftsbetrieb engliſcher Zeitungslokali-
täten. Die Aehnlichkeit iſt da; aber was ſind die Londoner Blätter
im Vergleich zu jenen bunten Blättern, die aus dieſer kleinen
Ruppiner Offizin hervorgehn? was iſt der Ruhm der Times gegen
die civiliſatoriſche Aufgabe des „Ruppiner Bilderbogens“? Die
Times, die ſich mit Recht das „Weltblatt“ nennt, ſie gleicht doch
nur dem anglikaniſchen Geiſtlichen, dem hochkirchlichen Biſchof, der,
an ſchmalen Küſtenſtrichen entlang, in den großen, reichbevölkerten
Städten unſrer Antipoden, ſeine Wohnung aufſchlägt und ſeines
Amtes wartet; der Guſtav Kühn’ſche Bilderbogen aber iſt
der Herrnhut’ſche Miſſionar
, der überall hin vordringt, deſſen
Eifer mit der Gefahr wächſt, der die eine Hälfte ſeines Lebens in

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[[74]/0092] 6. „Bei Guſtav Kühn In Neu-Ruppin.“ Aber nicht nur Grafen und Herrn, große Baumeiſter und Kriegs- fürſten knüpfen ihre Namen an den Namen Ruppin’s, auch be- ſcheidenere Berühmtheiten hat es geboren. In der Mitte der Stadt, gegenüber dem Häuſer-Viereck, drin Schinkel und Günther das Licht der Welt erblickten, erhebt ſich ein kleines, nur 3 Fenſter breites Häuschen, dem ein neu aufge- ſetztes Stockwerk nur wenig zu geſteigertem Anſehn verholfen hat. Auf dem ſchmalen Hofe aber drängen ſich die Hintergebäude und jeder Zollbreit Erde iſt benutzt. Hier erinnert die Beſchränktheit und zu gleicher Zeit die ängſtliche Ausnutzung des Raums an die Einrichtung und den Geſchäftsbetrieb engliſcher Zeitungslokali- täten. Die Aehnlichkeit iſt da; aber was ſind die Londoner Blätter im Vergleich zu jenen bunten Blättern, die aus dieſer kleinen Ruppiner Offizin hervorgehn? was iſt der Ruhm der Times gegen die civiliſatoriſche Aufgabe des „Ruppiner Bilderbogens“? Die Times, die ſich mit Recht das „Weltblatt“ nennt, ſie gleicht doch nur dem anglikaniſchen Geiſtlichen, dem hochkirchlichen Biſchof, der, an ſchmalen Küſtenſtrichen entlang, in den großen, reichbevölkerten Städten unſrer Antipoden, ſeine Wohnung aufſchlägt und ſeines Amtes wartet; der Guſtav Kühn’ſche Bilderbogen aber iſt der Herrnhut’ſche Miſſionar, der überall hin vordringt, deſſen Eifer mit der Gefahr wächſt, der die eine Hälfte ſeines Lebens in

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [74]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/92>, abgerufen am 28.03.2024.