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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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"Schwester Friedrichs des Großen" genannt zu werden. Sie
werden sie in Hof-Costüm, in Fantasie-Costüm und in Masken-
Costüm kennen lernen; besonders mach' ich Sie auf ein Knie-
stück aufmerksam, wo sie in Federhut und schwarzem Muff erscheint;
die Kehrseite des Bildes wäre Wohlthat dagegen." (Dies merk-
würdige Bild wird einem allerdings als muthmaßliches Portrait
der Prinzessin Amalie, aus ihren alten Tagen her, gezeigt; es
ist aber, wie ich jetzt bestimmt weiß, das Portrait einer älteren
Schwester und zwar der Prinzessin Charlotte, die an den Herzog
von Braunschweig verheirathet war. Im Neuen Palais zu Pots-
dam befindet sich ein Portrait der letztgenannten Prinzessin, das
diesem Bildniß im Rheinsberger Schloß durchaus ähnlich ist.)

Unter solchem Geplauder haben wir die der Stadt zu gele-
gene Rückseite des Schlosses erreicht, schreiten durch das Portal
hindurch, passiren den Schloßhof bis zum Rande des See's,
springen hier in ein bereit liegendes Boot und fahren, ohne uns
umzublicken, bis mitten auf den Wasserspiegel hinauf. Nun machen
wir Kehrt und haben ein Bild von nicht gewöhnlicher Schönheit
vor uns. Erst die stille Fläche des See's, an seinem Ufer ein
Kranz von Schilf und Wasserrosen; dahinter ansteigend ein grüner
Garten-Rasen und endlich das Schloß selbst, die Fernsicht schlie-
ßend. Links dehnt sich der See in seiner ganzen Länge aus;
wohin wir blicken, ein Reichthum von Wasser und Wald, die
Bäume nur hier und da gelichtet, um uns irgend ein Denkmal
auf den stillen Grasplätzen des Parkes, eine Marmorfigur oder
einen "Tempel" zu zeigen.

Das Schloß war in alten Tagen ein gothischer Bau mit
Thurm und Giebeldach; erst zu Anfang des vorigen Jahrhunderts
trat ein Schloßbau in französischem Geschmack an die Stelle der
alten Gothik und nahm 30 Jahre später, unter Knobelsdorff's
Anleitung, im Wesentlichen die Formen an, die es noch jetzt prä-
sentirt. Eine Beschreibung des Schlosses versuche ich nur in allge-
meinsten Zügen. Es besteht aus einem Mittelstück (Corps de

„Schweſter Friedrichs des Großen“ genannt zu werden. Sie
werden ſie in Hof-Coſtüm, in Fantaſie-Coſtüm und in Masken-
Coſtüm kennen lernen; beſonders mach’ ich Sie auf ein Knie-
ſtück aufmerkſam, wo ſie in Federhut und ſchwarzem Muff erſcheint;
die Kehrſeite des Bildes wäre Wohlthat dagegen.“ (Dies merk-
würdige Bild wird einem allerdings als muthmaßliches Portrait
der Prinzeſſin Amalie, aus ihren alten Tagen her, gezeigt; es
iſt aber, wie ich jetzt beſtimmt weiß, das Portrait einer älteren
Schweſter und zwar der Prinzeſſin Charlotte, die an den Herzog
von Braunſchweig verheirathet war. Im Neuen Palais zu Pots-
dam befindet ſich ein Portrait der letztgenannten Prinzeſſin, das
dieſem Bildniß im Rheinsberger Schloß durchaus ähnlich iſt.)

Unter ſolchem Geplauder haben wir die der Stadt zu gele-
gene Rückſeite des Schloſſes erreicht, ſchreiten durch das Portal
hindurch, paſſiren den Schloßhof bis zum Rande des See’s,
ſpringen hier in ein bereit liegendes Boot und fahren, ohne uns
umzublicken, bis mitten auf den Waſſerſpiegel hinauf. Nun machen
wir Kehrt und haben ein Bild von nicht gewöhnlicher Schönheit
vor uns. Erſt die ſtille Fläche des See’s, an ſeinem Ufer ein
Kranz von Schilf und Waſſerroſen; dahinter anſteigend ein grüner
Garten-Raſen und endlich das Schloß ſelbſt, die Fernſicht ſchlie-
ßend. Links dehnt ſich der See in ſeiner ganzen Länge aus;
wohin wir blicken, ein Reichthum von Waſſer und Wald, die
Bäume nur hier und da gelichtet, um uns irgend ein Denkmal
auf den ſtillen Grasplätzen des Parkes, eine Marmorfigur oder
einen „Tempel“ zu zeigen.

Das Schloß war in alten Tagen ein gothiſcher Bau mit
Thurm und Giebeldach; erſt zu Anfang des vorigen Jahrhunderts
trat ein Schloßbau in franzöſiſchem Geſchmack an die Stelle der
alten Gothik und nahm 30 Jahre ſpäter, unter Knobelsdorff’s
Anleitung, im Weſentlichen die Formen an, die es noch jetzt prä-
ſentirt. Eine Beſchreibung des Schloſſes verſuche ich nur in allge-
meinſten Zügen. Es beſteht aus einem Mittelſtück (Corps de

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[91/0109] „Schweſter Friedrichs des Großen“ genannt zu werden. Sie werden ſie in Hof-Coſtüm, in Fantaſie-Coſtüm und in Masken- Coſtüm kennen lernen; beſonders mach’ ich Sie auf ein Knie- ſtück aufmerkſam, wo ſie in Federhut und ſchwarzem Muff erſcheint; die Kehrſeite des Bildes wäre Wohlthat dagegen.“ (Dies merk- würdige Bild wird einem allerdings als muthmaßliches Portrait der Prinzeſſin Amalie, aus ihren alten Tagen her, gezeigt; es iſt aber, wie ich jetzt beſtimmt weiß, das Portrait einer älteren Schweſter und zwar der Prinzeſſin Charlotte, die an den Herzog von Braunſchweig verheirathet war. Im Neuen Palais zu Pots- dam befindet ſich ein Portrait der letztgenannten Prinzeſſin, das dieſem Bildniß im Rheinsberger Schloß durchaus ähnlich iſt.) Unter ſolchem Geplauder haben wir die der Stadt zu gele- gene Rückſeite des Schloſſes erreicht, ſchreiten durch das Portal hindurch, paſſiren den Schloßhof bis zum Rande des See’s, ſpringen hier in ein bereit liegendes Boot und fahren, ohne uns umzublicken, bis mitten auf den Waſſerſpiegel hinauf. Nun machen wir Kehrt und haben ein Bild von nicht gewöhnlicher Schönheit vor uns. Erſt die ſtille Fläche des See’s, an ſeinem Ufer ein Kranz von Schilf und Waſſerroſen; dahinter anſteigend ein grüner Garten-Raſen und endlich das Schloß ſelbſt, die Fernſicht ſchlie- ßend. Links dehnt ſich der See in ſeiner ganzen Länge aus; wohin wir blicken, ein Reichthum von Waſſer und Wald, die Bäume nur hier und da gelichtet, um uns irgend ein Denkmal auf den ſtillen Grasplätzen des Parkes, eine Marmorfigur oder einen „Tempel“ zu zeigen. Das Schloß war in alten Tagen ein gothiſcher Bau mit Thurm und Giebeldach; erſt zu Anfang des vorigen Jahrhunderts trat ein Schloßbau in franzöſiſchem Geſchmack an die Stelle der alten Gothik und nahm 30 Jahre ſpäter, unter Knobelsdorff’s Anleitung, im Weſentlichen die Formen an, die es noch jetzt prä- ſentirt. Eine Beſchreibung des Schloſſes verſuche ich nur in allge- meinſten Zügen. Es beſteht aus einem Mittelſtück (Corps de

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/109>, abgerufen am 19.04.2024.