Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

verkohlten Scheite sind nicht länger verkohlt, sie treiben wieder
Flammen; und um die brennenden Scheite herum lagern, ihre
rothbraunen Leiber mit Fellen leicht geschürzt, die Gestalten unsers
Malers und Meisters -- die Semnonen.

Wie gebannt haften unsere Augen an dem Bilde, -- da
gellt es wie ein gedämpfter Schrei durch die Luft, und unser
Auge richtet sich nach oben, von wo der seltsame Laut zu kommen
schien. Ein Vogel, der über uns in dem Zweigewerk der Fichte
gesessen hatte, war aufgestiegen, und sein Geschrei von Zeit zu
Zeit wiederholend, flog er jetzt dem dichteren Gehölz des Berges
zu. Es war ein Pirol, der nordische Wundervogel. Sein gelbes
Gefieder fing die letzten Strahlen der Abendsonne auf; dann stieg
er in das Dunkel der Tannen hinab.

Das Nebelbild war hin, die Aussicht wieder frei, die Scheite
wieder verkohlt; von den Dörfern her aber klang die Betglocke,
die den Abend einläutete.




24*

verkohlten Scheite ſind nicht länger verkohlt, ſie treiben wieder
Flammen; und um die brennenden Scheite herum lagern, ihre
rothbraunen Leiber mit Fellen leicht geſchürzt, die Geſtalten unſers
Malers und Meiſters — die Semnonen.

Wie gebannt haften unſere Augen an dem Bilde, — da
gellt es wie ein gedämpfter Schrei durch die Luft, und unſer
Auge richtet ſich nach oben, von wo der ſeltſame Laut zu kommen
ſchien. Ein Vogel, der über uns in dem Zweigewerk der Fichte
geſeſſen hatte, war aufgeſtiegen, und ſein Geſchrei von Zeit zu
Zeit wiederholend, flog er jetzt dem dichteren Gehölz des Berges
zu. Es war ein Pirol, der nordiſche Wundervogel. Sein gelbes
Gefieder fing die letzten Strahlen der Abendſonne auf; dann ſtieg
er in das Dunkel der Tannen hinab.

Das Nebelbild war hin, die Ausſicht wieder frei, die Scheite
wieder verkohlt; von den Dörfern her aber klang die Betglocke,
die den Abend einläutete.




24*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0389" n="371"/>
verkohlten Scheite &#x017F;ind nicht länger verkohlt, &#x017F;ie treiben wieder<lb/>
Flammen; und um die brennenden Scheite herum lagern, ihre<lb/>
rothbraunen Leiber mit Fellen leicht ge&#x017F;chürzt, die Ge&#x017F;talten un&#x017F;ers<lb/>
Malers und Mei&#x017F;ters &#x2014; die Semnonen.</p><lb/>
          <p>Wie gebannt haften un&#x017F;ere Augen an dem Bilde, &#x2014; da<lb/>
gellt es wie ein gedämpfter Schrei durch die Luft, und un&#x017F;er<lb/>
Auge richtet &#x017F;ich nach oben, von wo der &#x017F;elt&#x017F;ame Laut zu kommen<lb/>
&#x017F;chien. Ein Vogel, der über uns in dem Zweigewerk der Fichte<lb/>
ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en hatte, war aufge&#x017F;tiegen, und &#x017F;ein Ge&#x017F;chrei von Zeit zu<lb/>
Zeit wiederholend, flog er jetzt dem dichteren Gehölz des Berges<lb/>
zu. Es war ein Pirol, der nordi&#x017F;che Wundervogel. Sein gelbes<lb/>
Gefieder fing die letzten Strahlen der Abend&#x017F;onne auf; dann &#x017F;tieg<lb/>
er in das Dunkel der Tannen hinab.</p><lb/>
          <p>Das Nebelbild war hin, die Aus&#x017F;icht wieder frei, die Scheite<lb/>
wieder verkohlt; von den Dörfern her aber klang die Betglocke,<lb/>
die den Abend einläutete.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw type="sig" place="bottom">24*</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[371/0389] verkohlten Scheite ſind nicht länger verkohlt, ſie treiben wieder Flammen; und um die brennenden Scheite herum lagern, ihre rothbraunen Leiber mit Fellen leicht geſchürzt, die Geſtalten unſers Malers und Meiſters — die Semnonen. Wie gebannt haften unſere Augen an dem Bilde, — da gellt es wie ein gedämpfter Schrei durch die Luft, und unſer Auge richtet ſich nach oben, von wo der ſeltſame Laut zu kommen ſchien. Ein Vogel, der über uns in dem Zweigewerk der Fichte geſeſſen hatte, war aufgeſtiegen, und ſein Geſchrei von Zeit zu Zeit wiederholend, flog er jetzt dem dichteren Gehölz des Berges zu. Es war ein Pirol, der nordiſche Wundervogel. Sein gelbes Gefieder fing die letzten Strahlen der Abendſonne auf; dann ſtieg er in das Dunkel der Tannen hinab. Das Nebelbild war hin, die Ausſicht wieder frei, die Scheite wieder verkohlt; von den Dörfern her aber klang die Betglocke, die den Abend einläutete. 24*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/389
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/389>, abgerufen am 25.04.2024.