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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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der es sich zur Aufgabe stellte, die bis dahin unbewohnten Müggel-
forsten, die große Waldinsel zwischen der deutschen und wendischen
Spree, zu colonisiren.

Rahnsdorf und Friedrichshagen blicken mit ihren schmucken
rothen Dächern auf den See hinaus, aber es sind nicht eigent-
liche See-Dörfer; sie liegen am Ufer der Spree, nicht am Ufer
der Müggel. Am Müggelsee selber, den nichts wie Sandstreifen
und ansteigende Fichtenwaldungen einfassen, erhebt sich nur ein
einziges Haus: die Müggelbude. Diese Müggelbude auf einer
vorspringenden Sanddüne gelegen, die sich vom Westufer aus wie
eine kurze Landzunge in die Müggel hinein erstreckt, ist der geeig-
netste Punkt, um den See und seine Ufer zu überblicken. Den
See in Front, den Wald im Rücken, so liegt die Müggelbude da,
Fährhaus und Gasthaus zugleich und in dunklen Sturm-Nächten
ein Leuchthurm für die geängstigten Schiffer. Denn die Müggel
ist ein gefürchtetes Wasser und im November, wenn die Sturm-
zeit kommt, oder im Frühjahr, wenn das Eis aufgeht, werden
hier Abenteuer bestanden, die wohl Anspruch darauf hätten, ihren
Erzähler zu finden. Ein See-Roman in der Mark!

Die Müggelbude, nach der von Coepenick aus ein reizender
Spatziergang durch den Wald führt, *) ist Leuchthurm, Fischer-
wohnung und Fährhaus zugleich, aber vor allem ist sie doch

*) Parallel mit diesem Wege, der sich durch die Haide zieht, läuft die
Spree, hinter Bäumen verborgen. An einigen Stellen des Weges, und
zwar in der Richtung auf die Spree zu, hat man den Wald gelichtet
und nur so viele Bäume stehen lassen, wie ausreichend sind, um als
hoher grüner Schirm für die Spree zu dienen. Diese stehen gebliebenen
Bäume sind ziemlich hoch, aber die Masten der Spreekähne sind doch noch
höher und so wachsen denn die Obersegel der vorüberkommenden Schiffe
weit über die grünen Kronen hinaus. Was diesen Anblick doppelt schön
macht, ist, daß die Bäume am jenseitigen Ufer der Spree um vieles
höher sind und nun wiederum ihrerseits einen dunklen Hintergrund für
die Segel bilden. Wer im Zwielicht hier des Weges kommt, glaubt weiße
Riesenvögel langsam und geräuschlos über den dunklen Wipfeln hin-
schweben zu sehn.

der es ſich zur Aufgabe ſtellte, die bis dahin unbewohnten Müggel-
forſten, die große Waldinſel zwiſchen der deutſchen und wendiſchen
Spree, zu coloniſiren.

Rahnsdorf und Friedrichshagen blicken mit ihren ſchmucken
rothen Dächern auf den See hinaus, aber es ſind nicht eigent-
liche See-Dörfer; ſie liegen am Ufer der Spree, nicht am Ufer
der Müggel. Am Müggelſee ſelber, den nichts wie Sandſtreifen
und anſteigende Fichtenwaldungen einfaſſen, erhebt ſich nur ein
einziges Haus: die Müggelbude. Dieſe Müggelbude auf einer
vorſpringenden Sanddüne gelegen, die ſich vom Weſtufer aus wie
eine kurze Landzunge in die Müggel hinein erſtreckt, iſt der geeig-
netſte Punkt, um den See und ſeine Ufer zu überblicken. Den
See in Front, den Wald im Rücken, ſo liegt die Müggelbude da,
Fährhaus und Gaſthaus zugleich und in dunklen Sturm-Nächten
ein Leuchthurm für die geängſtigten Schiffer. Denn die Müggel
iſt ein gefürchtetes Waſſer und im November, wenn die Sturm-
zeit kommt, oder im Frühjahr, wenn das Eis aufgeht, werden
hier Abenteuer beſtanden, die wohl Anſpruch darauf hätten, ihren
Erzähler zu finden. Ein See-Roman in der Mark!

Die Müggelbude, nach der von Coepenick aus ein reizender
Spatziergang durch den Wald führt, *) iſt Leuchthurm, Fiſcher-
wohnung und Fährhaus zugleich, aber vor allem iſt ſie doch

*) Parallel mit dieſem Wege, der ſich durch die Haide zieht, läuft die
Spree, hinter Bäumen verborgen. An einigen Stellen des Weges, und
zwar in der Richtung auf die Spree zu, hat man den Wald gelichtet
und nur ſo viele Bäume ſtehen laſſen, wie ausreichend ſind, um als
hoher grüner Schirm für die Spree zu dienen. Dieſe ſtehen gebliebenen
Bäume ſind ziemlich hoch, aber die Maſten der Spreekähne ſind doch noch
höher und ſo wachſen denn die Oberſegel der vorüberkommenden Schiffe
weit über die grünen Kronen hinaus. Was dieſen Anblick doppelt ſchön
macht, iſt, daß die Bäume am jenſeitigen Ufer der Spree um vieles
höher ſind und nun wiederum ihrerſeits einen dunklen Hintergrund für
die Segel bilden. Wer im Zwielicht hier des Weges kommt, glaubt weiße
Rieſenvögel langſam und geräuſchlos über den dunklen Wipfeln hin-
ſchweben zu ſehn.
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[373/0391] der es ſich zur Aufgabe ſtellte, die bis dahin unbewohnten Müggel- forſten, die große Waldinſel zwiſchen der deutſchen und wendiſchen Spree, zu coloniſiren. Rahnsdorf und Friedrichshagen blicken mit ihren ſchmucken rothen Dächern auf den See hinaus, aber es ſind nicht eigent- liche See-Dörfer; ſie liegen am Ufer der Spree, nicht am Ufer der Müggel. Am Müggelſee ſelber, den nichts wie Sandſtreifen und anſteigende Fichtenwaldungen einfaſſen, erhebt ſich nur ein einziges Haus: die Müggelbude. Dieſe Müggelbude auf einer vorſpringenden Sanddüne gelegen, die ſich vom Weſtufer aus wie eine kurze Landzunge in die Müggel hinein erſtreckt, iſt der geeig- netſte Punkt, um den See und ſeine Ufer zu überblicken. Den See in Front, den Wald im Rücken, ſo liegt die Müggelbude da, Fährhaus und Gaſthaus zugleich und in dunklen Sturm-Nächten ein Leuchthurm für die geängſtigten Schiffer. Denn die Müggel iſt ein gefürchtetes Waſſer und im November, wenn die Sturm- zeit kommt, oder im Frühjahr, wenn das Eis aufgeht, werden hier Abenteuer beſtanden, die wohl Anſpruch darauf hätten, ihren Erzähler zu finden. Ein See-Roman in der Mark! Die Müggelbude, nach der von Coepenick aus ein reizender Spatziergang durch den Wald führt, *) iſt Leuchthurm, Fiſcher- wohnung und Fährhaus zugleich, aber vor allem iſt ſie doch *) Parallel mit dieſem Wege, der ſich durch die Haide zieht, läuft die Spree, hinter Bäumen verborgen. An einigen Stellen des Weges, und zwar in der Richtung auf die Spree zu, hat man den Wald gelichtet und nur ſo viele Bäume ſtehen laſſen, wie ausreichend ſind, um als hoher grüner Schirm für die Spree zu dienen. Dieſe ſtehen gebliebenen Bäume ſind ziemlich hoch, aber die Maſten der Spreekähne ſind doch noch höher und ſo wachſen denn die Oberſegel der vorüberkommenden Schiffe weit über die grünen Kronen hinaus. Was dieſen Anblick doppelt ſchön macht, iſt, daß die Bäume am jenſeitigen Ufer der Spree um vieles höher ſind und nun wiederum ihrerſeits einen dunklen Hintergrund für die Segel bilden. Wer im Zwielicht hier des Weges kommt, glaubt weiße Rieſenvögel langſam und geräuſchlos über den dunklen Wipfeln hin- ſchweben zu ſehn.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/391>, abgerufen am 19.04.2024.