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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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nichts Schönes, das der eigenthümlichen Schönheit der Landschaft
entspräche. Möglich, daß jene Apartheit Zweck war; sie sichert aller-
dings dieser Säule einen Eindruck, dessen sie vielleicht entbehrte,
wenn sie schöner und mehr im Einklang mit dem Ueblichen wäre.

Der Sagenschatz der Mark ist arm; das mag es erklären,
daß sich unsere heimischen Dichter und Künstler mit Vorliebe der
Behandlung eines Stoffes zugewandt haben, der, wenn auch kei-
neswegs ohne Reiz überhaupt, doch schon in seiner Entlegenheit
allerhand Schwierigkeiten bietet. Unsere Lokalpoeten sind denn auch
meist an dieser Schwierigkeit gescheitert, und die einfache schlichte
Ueberlieferung wird der poetischen Version, deren eigene Zuthat
schwach ist, gemeinhin und mit vollem Rechte vorgezogen.

Eine glücklichere Hand hatten unsere Maler, besonders Pro-
fessor von Kloeber, einer der Altmeister unserer Kunst. Er malte
den Gegenstand zweimal, als ausgeführte Farbenskizze und später
in Lebensgröße. Eins der Bilder befindet sich im Schloß. Am rechten
Havelufer erblickt man die Gruppe der Kämpfenden; Jaczko schwimmt
bereits inmitten der Havel und hat bittend Haupt und Schild
erhoben. Ueber ihm schwebt die Gestalt eines Engels und deutet
auf den aufragenden Vorsprung, der Rettung verspricht. Die Ar-
beit ist verdienstlich, wenn auch nicht eben mehr.

Aber sind auch Kunst und Dichtung bisher umsonst bemüht
gewesen, eine goldene Frucht von dem Baume der alten Tradition
zu brechen, die Sage selbst wird fortleben von Mund zu Mund,
und jeder, der das Schildhorn besucht und den stillen Zauber
auf sich wirken läßt, den die immer wechselnden Bilder von Wald
und Fluß, die weißen Segel über dem Wasser und die "Segler
in den Lüften" hier leise zusammenspinnen, der wird, in aufkei-
mendem romantischen Bedürfniß, sich das Westufer des Flusses
plötzlich mit allerhand Gestalten beleben und den Wendenfürsten
selbst, den umleuchteten Schild zu seinen Häupten, auf dem ge-
kräuselten Wasser sehen. Ein Lächeln wird dem Traumbild folgen,
aber eine dankbare Erinnerung wird ihm bleiben an das märkische
Landschaftsbild, das das Schildhorn vor ihm entrellte.



nichts Schönes, das der eigenthümlichen Schönheit der Landſchaft
entſpräche. Möglich, daß jene Apartheit Zweck war; ſie ſichert aller-
dings dieſer Säule einen Eindruck, deſſen ſie vielleicht entbehrte,
wenn ſie ſchöner und mehr im Einklang mit dem Ueblichen wäre.

Der Sagenſchatz der Mark iſt arm; das mag es erklären,
daß ſich unſere heimiſchen Dichter und Künſtler mit Vorliebe der
Behandlung eines Stoffes zugewandt haben, der, wenn auch kei-
neswegs ohne Reiz überhaupt, doch ſchon in ſeiner Entlegenheit
allerhand Schwierigkeiten bietet. Unſere Lokalpoeten ſind denn auch
meiſt an dieſer Schwierigkeit geſcheitert, und die einfache ſchlichte
Ueberlieferung wird der poetiſchen Verſion, deren eigene Zuthat
ſchwach iſt, gemeinhin und mit vollem Rechte vorgezogen.

Eine glücklichere Hand hatten unſere Maler, beſonders Pro-
feſſor von Kloeber, einer der Altmeiſter unſerer Kunſt. Er malte
den Gegenſtand zweimal, als ausgeführte Farbenſkizze und ſpäter
in Lebensgröße. Eins der Bilder befindet ſich im Schloß. Am rechten
Havelufer erblickt man die Gruppe der Kämpfenden; Jaczko ſchwimmt
bereits inmitten der Havel und hat bittend Haupt und Schild
erhoben. Ueber ihm ſchwebt die Geſtalt eines Engels und deutet
auf den aufragenden Vorſprung, der Rettung verſpricht. Die Ar-
beit iſt verdienſtlich, wenn auch nicht eben mehr.

Aber ſind auch Kunſt und Dichtung bisher umſonſt bemüht
geweſen, eine goldene Frucht von dem Baume der alten Tradition
zu brechen, die Sage ſelbſt wird fortleben von Mund zu Mund,
und jeder, der das Schildhorn beſucht und den ſtillen Zauber
auf ſich wirken läßt, den die immer wechſelnden Bilder von Wald
und Fluß, die weißen Segel über dem Waſſer und die „Segler
in den Lüften“ hier leiſe zuſammenſpinnen, der wird, in aufkei-
mendem romantiſchen Bedürfniß, ſich das Weſtufer des Fluſſes
plötzlich mit allerhand Geſtalten beleben und den Wendenfürſten
ſelbſt, den umleuchteten Schild zu ſeinen Häupten, auf dem ge-
kräuſelten Waſſer ſehen. Ein Lächeln wird dem Traumbild folgen,
aber eine dankbare Erinnerung wird ihm bleiben an das märkiſche
Landſchaftsbild, das das Schildhorn vor ihm entrellte.



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[382/0400] nichts Schönes, das der eigenthümlichen Schönheit der Landſchaft entſpräche. Möglich, daß jene Apartheit Zweck war; ſie ſichert aller- dings dieſer Säule einen Eindruck, deſſen ſie vielleicht entbehrte, wenn ſie ſchöner und mehr im Einklang mit dem Ueblichen wäre. Der Sagenſchatz der Mark iſt arm; das mag es erklären, daß ſich unſere heimiſchen Dichter und Künſtler mit Vorliebe der Behandlung eines Stoffes zugewandt haben, der, wenn auch kei- neswegs ohne Reiz überhaupt, doch ſchon in ſeiner Entlegenheit allerhand Schwierigkeiten bietet. Unſere Lokalpoeten ſind denn auch meiſt an dieſer Schwierigkeit geſcheitert, und die einfache ſchlichte Ueberlieferung wird der poetiſchen Verſion, deren eigene Zuthat ſchwach iſt, gemeinhin und mit vollem Rechte vorgezogen. Eine glücklichere Hand hatten unſere Maler, beſonders Pro- feſſor von Kloeber, einer der Altmeiſter unſerer Kunſt. Er malte den Gegenſtand zweimal, als ausgeführte Farbenſkizze und ſpäter in Lebensgröße. Eins der Bilder befindet ſich im Schloß. Am rechten Havelufer erblickt man die Gruppe der Kämpfenden; Jaczko ſchwimmt bereits inmitten der Havel und hat bittend Haupt und Schild erhoben. Ueber ihm ſchwebt die Geſtalt eines Engels und deutet auf den aufragenden Vorſprung, der Rettung verſpricht. Die Ar- beit iſt verdienſtlich, wenn auch nicht eben mehr. Aber ſind auch Kunſt und Dichtung bisher umſonſt bemüht geweſen, eine goldene Frucht von dem Baume der alten Tradition zu brechen, die Sage ſelbſt wird fortleben von Mund zu Mund, und jeder, der das Schildhorn beſucht und den ſtillen Zauber auf ſich wirken läßt, den die immer wechſelnden Bilder von Wald und Fluß, die weißen Segel über dem Waſſer und die „Segler in den Lüften“ hier leiſe zuſammenſpinnen, der wird, in aufkei- mendem romantiſchen Bedürfniß, ſich das Weſtufer des Fluſſes plötzlich mit allerhand Geſtalten beleben und den Wendenfürſten ſelbſt, den umleuchteten Schild zu ſeinen Häupten, auf dem ge- kräuſelten Waſſer ſehen. Ein Lächeln wird dem Traumbild folgen, aber eine dankbare Erinnerung wird ihm bleiben an das märkiſche Landſchaftsbild, das das Schildhorn vor ihm entrellte.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/400>, abgerufen am 29.03.2024.