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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Geist von Beeren.
Von allen Geistern, die verneinen,
Ist mir der Schalk am wenigsten verhaßt.

Zwei Meilen südlich von Berlin liegen die berühmten Felder
von Groß-Beeren. Freund und Feind kennen den Namen. Wer
häufiger die Eisenbahn benutzt hat, die an Groß-Beeren vorbei
in's Anhaltische und Sächsische führt, wird es nicht selten erlebt
haben, daß Fremde, die bis dahin lesend oder plaudernd in der
Ecke saßen, plötzlich sich aufrichten und mit dem Finger auf die
weite Ebene deutend halb zuversichtlich halb frageweise die Worte
sprechen: Ah c'est le champ de bataille de Gross-Beeren!
Ist doch die französische Sprache noch immer die Allerweltsmünze,
die sicher sein darf, acceptirt und ausgewechselt zu werden.

Es ist nicht Zweck dieser Zeilen, an den Schlachttag von
Groß-Beeren zu erinnern oder seine Geschichte noch einmal zu er-
zählen; wenn schon andererseits nicht geleugnet werden soll, daß
ich die Feldmark und die Gassen des Dorfes in der Hoffnung be-
trat, dem Einen oder Anderen zu begegnen, das auch nach der
Seite hin einer Aufzeichnung werth sein möchte. Aber nichts der
Art war zu finden. Mit Mühe trieb ich einen Tagelöhner auf,
der den Schlachttag wenigstens mit erlebt und aus seinem Versteck
heraus ein paar Czakos oder Bajonettspitzen gesehen hatte. Das
war Alles. Ueber die allergleichgültigsten Details hinaus war sei-
nem Gedächtniß nichts verblieben. Vollends verloren ist aber der-

Geiſt von Beeren.
Von allen Geiſtern, die verneinen,
Iſt mir der Schalk am wenigſten verhaßt.

Zwei Meilen ſüdlich von Berlin liegen die berühmten Felder
von Groß-Beeren. Freund und Feind kennen den Namen. Wer
häufiger die Eiſenbahn benutzt hat, die an Groß-Beeren vorbei
in’s Anhaltiſche und Sächſiſche führt, wird es nicht ſelten erlebt
haben, daß Fremde, die bis dahin leſend oder plaudernd in der
Ecke ſaßen, plötzlich ſich aufrichten und mit dem Finger auf die
weite Ebene deutend halb zuverſichtlich halb frageweiſe die Worte
ſprechen: Ah c’est le champ de bataille de Gross-Beeren!
Iſt doch die franzöſiſche Sprache noch immer die Allerweltsmünze,
die ſicher ſein darf, acceptirt und ausgewechſelt zu werden.

Es iſt nicht Zweck dieſer Zeilen, an den Schlachttag von
Groß-Beeren zu erinnern oder ſeine Geſchichte noch einmal zu er-
zählen; wenn ſchon andererſeits nicht geleugnet werden ſoll, daß
ich die Feldmark und die Gaſſen des Dorfes in der Hoffnung be-
trat, dem Einen oder Anderen zu begegnen, das auch nach der
Seite hin einer Aufzeichnung werth ſein möchte. Aber nichts der
Art war zu finden. Mit Mühe trieb ich einen Tagelöhner auf,
der den Schlachttag wenigſtens mit erlebt und aus ſeinem Verſteck
heraus ein paar Czakos oder Bajonettſpitzen geſehen hatte. Das
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nem Gedächtniß nichts verblieben. Vollends verloren iſt aber der-

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[[393]/0411] Geiſt von Beeren. Von allen Geiſtern, die verneinen, Iſt mir der Schalk am wenigſten verhaßt. Zwei Meilen ſüdlich von Berlin liegen die berühmten Felder von Groß-Beeren. Freund und Feind kennen den Namen. Wer häufiger die Eiſenbahn benutzt hat, die an Groß-Beeren vorbei in’s Anhaltiſche und Sächſiſche führt, wird es nicht ſelten erlebt haben, daß Fremde, die bis dahin leſend oder plaudernd in der Ecke ſaßen, plötzlich ſich aufrichten und mit dem Finger auf die weite Ebene deutend halb zuverſichtlich halb frageweiſe die Worte ſprechen: Ah c’est le champ de bataille de Gross-Beeren! Iſt doch die franzöſiſche Sprache noch immer die Allerweltsmünze, die ſicher ſein darf, acceptirt und ausgewechſelt zu werden. Es iſt nicht Zweck dieſer Zeilen, an den Schlachttag von Groß-Beeren zu erinnern oder ſeine Geſchichte noch einmal zu er- zählen; wenn ſchon andererſeits nicht geleugnet werden ſoll, daß ich die Feldmark und die Gaſſen des Dorfes in der Hoffnung be- trat, dem Einen oder Anderen zu begegnen, das auch nach der Seite hin einer Aufzeichnung werth ſein möchte. Aber nichts der Art war zu finden. Mit Mühe trieb ich einen Tagelöhner auf, der den Schlachttag wenigſtens mit erlebt und aus ſeinem Verſteck heraus ein paar Czakos oder Bajonettſpitzen geſehen hatte. Das war Alles. Ueber die allergleichgültigſten Details hinaus war ſei- nem Gedächtniß nichts verblieben. Vollends verloren iſt aber der-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [393]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/411>, abgerufen am 24.04.2024.